Wehe, Sie brauchen in Berlin schnelle medizinische Hilfe
Notfall-Patient Feuerwehr: Rettungswagen fehlen – KURIER berichtet von einem Nachteinsatz in Berlin-Neukölln
Um 22 Uhr schlug die Feuerwehr-Gewerkschaft Alarm. Es gab keine einsatzbereiten Rettungswagen mehr.

Stellen Sie sich vor, Sie rufen bei der Feuerwehr an, weil Sie einen medizinischen Notfall in der Familie haben – und es kommt kein Rettungswagen (RTW), sondern ein Löschfahrzeug (LHF) zur Brandbekämpfung. Klingt nach Wahnsinn, ist aber realer Berliner Wahnsinn. Immer öfter. Erst wieder in der Nacht zu Dienstag. Verzweifelte Feuerwehrleute schlugen selbst auf Twitter Alarm.
Montagabend, um 22 Uhr. Die DFeuG, die Gewerkschaft für Feuerwehr, Rettungsdienst und Leitstellen in Berlin und Brandenburg, twittert: „Heute. Jetzt. An diesem Abend hat die @Berliner_Fw erneut NULL RTW. Löschfahrzeuge fahren alleine erkunden. Mehrere Einsätze UNBESCHICKT.“
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Heute. Jetzt. An diesem Abend hat die @Berliner_Fw erneut NULL RTW. Löschfahrzeuge fahren alleine erkunden. Mehrere Einsätze UNBESCHICKT
— DFeuG Berlin Brandenburg (@BerlinBB_Dfeug) December 5, 2022
UNTERNEHMEN SIE BITTE WAS @IrisSpranger @alx_froehlich @Reporter_Flash @rbb24 @bzberlin @LehrkeBerlin @kaiwegner @A_J_Herrmann @BMJotzo https://t.co/aCVwfldIUF
Der verzweifelte Hilferuf per Internet endet mit einem Aufruf, die Buchstaben groß geschrieben: „UNTERNEHMEN SIE BITTE WAS @IrisSpranger“. Iris Spranger (SPD) ist die Innensenatorin in Berlin – auch zuständig für die Feuerwehr. Das Problem ist seit Jahren bekannt. Lösungen: bisher keine! Im Berliner Senat gibt es Streit. Zwischen Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne). Statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, schalten sie scheinbar in den Wahlkampfmodus und gehen aufeinander los (KURIER berichtete).
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Was war in der Nacht zu Dienstag los? Der KURIER-Nachtreporter Morris Pudwell reagierte auf den Hilferuf der Feuerwehrgewerkschaft. „Ich machte mich sofort auf den Weg nach Neukölln, in die Lahnstraße 56. Dort gab es gegen 22 Uhr in einer Sozialeinrichtung einen medizinischen Notfall“, berichtet der Reporter. „Die Leitstelle der Berliner Feuerwehr konnte jedoch keinen RTW (Rettungswagen) zur Notfallversorgung schicken, sondern setzte ein vollbesetztes LHF (Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug) ein.“ Jedes LHF ist auch mit einem Notfallrucksack ausgestattet.
In Neukölln: Erst nach weiteren 25 Minuten traf ein Rettungswagen der Feuerwehr an der Einsatzstelle ein
Die Männer aus dem Löschfahrzeug leisteten vor Ort Erste Hilfe. Erst nach weiteren 25 Minuten traf dann ein Rettungswagen der Feuerwehr an der Einsatzstelle ein, die Besatzung des Löschfahrzeugs konnte die Einsatzstelle verlassen. „Wichtiges Personal, welches bei einem Brand nun nicht zum Einsatz hätte kommen können!“, schildert der KURIER-Nachtreporter, der seit Jahren über nächtliche Polizei- und Feuerwehreinsätze in Berlin berichtet und sich gut auskennt.
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Er weiß, was hätte passieren können: „Bei einem Brand hätte ein Löschfahrzeug einer anderen Wache eingesetzt werden müssen, die AAO (Alarm- und Ausrückeordnung) kann unter Umständen nicht eingehalten werden, wichtige Einsatzmittel kommen schlichtweg zu spät an Einsatzstellen an.“
Eine große Katastrophe sei das, schilderte ein Feuerwehrmann vor Ort, der vorher sogar mit dem Löschfahrzeug aus Neukölln zu einem Notfall in Wilmersdorf alarmiert wurde. „Hier muss dringend etwas passieren, bevor etwas Schlimmeres passiert! Es kann nicht sein, dass sechs Einsatzkräfte einfach nicht zur Verfügung stehen können!“
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Erst am Wochenende herrschte über mehrere Stunden Ausnahmezustand bei der Feuerwehr
Das Schlimme daran: Wir reden hier nicht von einem Einzelfall. Erst am Wochenende herrschte wieder über mehrere Stunden Ausnahmezustand (AZ) im Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr. Der „AZ Rettungsdienst“ wird ausgerufen, wenn 80 Prozent der Fahrzeuge ausgelastet sind und die vorgegebenen zehn Minuten von der Notrufannahme bis zum Eintreffen nicht eingehalten werden können. Dann werden Feuerwehrleute von Löschfahrzeugen auf Rettungswagen (RTW) umgesetzt.
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Am Sonntag wollen deshalb Feuerwehrleute vor dem Roten Rathaus demonstrieren. Auch das nicht zum ersten Mal. Der Verein Berlin brennt e. V. will eine Feuertonne entzünden unter dem Motto „Berlin brennt“. Schon vor vier Jahren gab es unter demselben Motto eine mehr als fünfwöchige Mahnwache mit brennender Tonne. Der damalige SPD-Innensenator Andreas Geisel versprach Verbesserungen.
Im Senat zoffen sich die Senatorinnen über die Lösung – passiert ist bisher wenig
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Es passierte auch was. Die Wochenarbeitszeit wurde reduziert, mehr Personal eingestellt. Doch aus Sicht vieler Feuerwehrleute hat sich nichts gebessert. Die Zahl der Ausnahmezustände im Rettungsdienst ist rapide gestiegen – auf ein- bis zweimal am Tag.
Wie bekommt man mehr Leute in die Rettungswagen? Darüber gibt es im Berliner Senat Streit. Die SPD will zur Entlastung der Notfallsanitäter, dass in Ausnahmesituationen auch andere Angehörige der Feuerwehr, etwas weniger qualifizierte Rettungssanitäter, am Steuer von Notarztfahrzeugen, Notfalltransportern oder Intensivtransportwagen Platz nehmen dürfen. Gesundheitssenatorin Gote von den Grünen lehnt das mit Verweis auf das Patientenwohl ab. Abstriche bei der medizinischen Versorgung seien mit ihnen aber nicht zu machen.
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Ja, wir sind wohl schon im Wahlkampfmodus. Die CDU will Ähnliches wie die SPD. „Notarzteinsatzfahrzeuge“ (NEF, Kleinbusse mit Notarzt und Sanitäter) sollen für maximal sechs Monate mit erfahrenen Rettungssanitätern statt mit besser qualifizierten Notfallsanitätern besetzt werden können, um wenigstens hier für mehr einsatzbereite Fahrzeuge zu sorgen.
Obwohl die Zustände spätestens seit der „brennenden Tonne“ 2018 bekannt sind, legen die Parteien erst jetzt, vor der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl, Positionspapiere mit Änderungsvorschlägen vor oder holen sie aus der Ablage: Die SPD, die Grünen und auch die FDP verschickten am Montag ein Positionspapier.
Die DFeuG hat sich den Forderungen von „Berlin brennt“ übrigens nicht angeschlossen. Es sei nicht hilfreich, wieder 24-Stunden-Dienste einzuführen und das System einzustellen, in dem bei einem Notruf der Anrufer abgefragt wird, was vorliegt.