Radfahren am Times Square in New York. 
Radfahren am Times Square in New York.  Angela Weiss/ AFP

Mit keinem Fortbewegungsmittel fühlt sich eine Stadt unmittelbarer an, als mit dem Fahrrad, das gilt für New York wie für Berlin. Reisen, sich aber nicht als Tourist fühlen? Hinter dem Lenker und an den Pedalen ist sie ganz nah, die Energie der Stadt und ihr Sound sowieso.

Radfahren in New York 

Die Second Avenue runter. Oben die Türme. Unten der nächste Autofahrer, der dich schneiden könnte. Brems! Hinter dem Linksabbieger vorbei, durch die sich stauenden Taxen, den Geruch von Pizza und Kaffee in der Nase, ständiges Hupen und Sirenen im Ohr. So fühlt sich New York vom Fahrrad aus an - zumindest im vollen Manhattan. Und so stressig es auch klingen mag: Es gibt kaum eine schönere Art, die US-Metropole zu erkunden.

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In Berlin klänge das Intro so: Die Schönhauser runter, da, ein Baugerüst, weich aus. Folge den Schlenkern des aufgemalten Radwegs. Aus der Querstraße kommt einer. Brems! Beim Abbiegen am Rosenthaler Platz den Geruch von Döner in der Nase, das Rattern von Rollkoffern im Ohr. Berlin vom Fahrrad aus ist die volle Dröhnung Großstadt. Ein Guide für Mutige, der für Radler in New York aufgeschrieben wurde, er gilt für Berlin ebenso.

Transformation zur Fahrradstadt 

Aber New York ist doch keine Fahrradstadt! Ach ja? Vor einigen Jahren mag das noch gestimmt haben. In Zeiten um die Jahrtausendwende, in denen man im Fernsehen todesmutige Fahrradkuriere zwischen den Wolkenkratzern hin- und herrasen sah. Doch es hat sich etwas verändert: die Einrichtung eines umfassenden Radfahrkonzeptes mit bislang über 2300 Kilometern markierter Wege in New York.

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In Berlin definiert der Radverkehrsplan ein ebenso engmaschiges Radverkehrsnetz mit einer Länge von insgesamt 2.371 Kilometern. Davon sollen 865 Kilometer besonders ausgebaut werden.

U-Bahn ist im Sommer keine Alternative 

„Ich fahre seit über 20 Jahren in New York Rad und habe die ganze Transformation miterlebt“, sagt Andree Sanders, die Kindern und Erwachsenen das Fahrradfahren in New York beibringt.

Früher habe sie ihr Bike noch zum Park geschoben, um dann dort sicher fahren zu können, erzählt sie. Mittlerweile aber sei das Radeln überall in der Stadt möglich. Und das auch ohne eigenes Zweirad: Der Anbieter Citybike hat in weiten Teilen New Yorks eine moderne Flotte an normalen und elektrischen Leih-Fahrrädern, mit denen man einfach von Station zu Station fahren kann.

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Auch in Berlin sind wir mit dem Ausbau von Radschnellwegen, Pop up Radwegen und immer mehr Lastenrädern auf den Straßen mitten drin in der Transformation. Besonders im Sommer aber ist hier wie dort die U-Bahn die zweitbeste Alternative.

Risiko im Straßenverkehr 

Natürlich gibt es im Straßenverkehr ein Risiko - das gilt besonders für eine Millionenstadt wie New York im Autoland USA. 2020 starben 28 Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer in New York im Straßenverkehr - und zum großen Teil waren unaufmerksame Autofahrerinnen und Autofahrer schuld. In Berlin kamen im selben Jahr 17 Radfahrer im Straßenverkehr ums Leben.

Großer Kritikpunkt in Berlin wie in New York dabei ist, dass viele Fahrradwege von den Straßen noch immer nicht baulich abgetrennt und damit vor den Autos geschützt sind - 2021 gab es in New York mehr als 900 Kilometer dieser getrennten Radspuren.

Radfahren in Berlin geht auch entspannt. 
Radfahren in Berlin geht auch entspannt.  imago/Seeliger

Hier also ein paar Tipps zum sicheren Fahren vom Radprofi in New York. Sie gelten auch in Berlin:

1. Glauben Sie niemals, dass Sie eine gleichberechtigte Verkehrsteilnehmerin oder Verkehrsteilnehmer sind. Fakt ist: Für einige Autos - je größer desto eher - werden Sie immer Luft sein. Heißt also, auch bei Grün stets auf Abbieger zu achten. Und ein Helm ist natürlich Pflicht.

2. Schalten Sie ihren Kopf schon vor dem Losfahren ein, rät Expertin Sanders: „Wenn ich eine Route plane, möchte ich herausfinden, was für mich der sicherste Weg ist, um von Punkt A nach Punkt B zu gelangen“. Heißt: Möglichst immer auf den grün eingefärbten Fahrradwegen fahren. Die berücksichtigen Google Maps und andere Apps bereits. Auch in Berlin.

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3. Keine Musik - oder zumindest nicht direkt auf den Ohren. Eigentlich sollte diese Regel quasi überall gelten, doch in New York kommt ihr eine besondere Bedeutung zu. Im Metropolen-Verkehr sind Sie nicht nur Tourist oder Pendler, sondern auch Beobachter und Jäger: Sie scannen ihre Umgebung ohne Pause und versuchen mögliche Gefahren so früh wie möglich zu erkennen. Dafür brauchen Sie alle Sinne.

4. Natürlich gilt: Je wilder, desto riskanter. Deshalb lassen Sie es langsamer angehen, wenn Sie sich nicht sicher fühlen. Sanders: „Es geht darum, präsent zu sein und zu wissen, dass man die Kontrolle hat, wenn man Fahrrad fährt. Genau wie beim Autofahren. Sie haben die Kontrolle. Es liegt an Ihnen, wie schnell Sie radeln möchten.“

Radfahrsaison in Berlin beginnt 

Radler werden Teil der Energie, diesem Inbegriff der Stadt, heißt es über New York. Hinter dem Lenker sind Sie mehr New Yorker als je im MoMA, dem Central Park oder auf der Fähre nach Staten Island. Sanders betont: „Es ist eine viel flüssigere Art, sich in der Stadt fortzubewegen, und es ist die schnellste Art, sich in der Stadt fortzubewegen.“

Für Berlin hieße das: hinter dem Lenker auf der Beusselstraße fühlst du dich mehr als Berliner als im Bodemuseum oder am Brandenburger Tor. Na, lockt die Straße? Die Tage werden länger, die Sonne wärmt, die Radfahrsaison ist eröffnet.