Sozialistisches Blatt in Kapital-Krise

Neues Deutschland: DDR-Zeitung kämpft ums Überleben

Die Zeitung nd steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Einzelverkauf wird eingestellt, Personal abgebaut.

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Das Verlagshaus der Tageszeitung nd am Franz-Mehring-Platz 1
Das Verlagshaus der Tageszeitung nd am Franz-Mehring-Platz 1Jürgen Ritter/imago

Sie ist schon 77 Jahre alt und hatte zu DDR-Zeiten eine Auflage von bis einer Million Exemplaren. Doch jetzt ist das Neue Deutschland, das sich nur noch nd nennt, in schweren Turbulenzen. Das Geld geht aus, im vergangenen Jahr wurden große Verluste verbucht.

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Zu DDR-Zeiten war das Neue Deutschland das Zentralorgan der SED. Was in der DDR passierte oder – korrekter – passieren durfte, wurde hier offiziell verkündet. Inklusive seitenlanger Reden von SED-Parteitagen, die ungekürzt im Wortlaut wiedergegeben wurden, gerne ergänzt um Bemerkungen zu Länge und Intensität des Beifalls.

Neues Deutschland: 635.000 Euro Miese in einem Jahr

Die Zeitung versteht sich bis heute als sozialistisch. Die aus dem Blatt Neues Deutschland hervorgegangene Tageszeitung nd steckt nun offenbar aber in einer schweren kapitalistischen Krise. Da die Einnahmen rund 400.000 Euro geringer und die Kosten rund 200.000 Euro höher ausgefallen sind als erwartet, hat sich aktuell ein Fehlbetrag von rund 635.000 Euro für das vergangene Jahr angehäuft. Das berichtete das in Berlin erscheinende nd am Wochenende online.

Immer weniger Leser, immer weniger Geld: Es wird einsam um das Neue Deutschland.
Immer weniger Leser, immer weniger Geld: Es wird einsam um das Neue Deutschland.Ipon/imago

Die Lage sei dramatisch, heißt es. Erste Konsequenz, die wie das Anfang vom Ende klingt: Der Einzelverkauf am Kiosk wird aus Kostengründen zum 1. August eingestellt. Nur die Wochenendausgabe solle dann dort noch erhältlich sein. Und: In einigen Regionen werde die Zeitung aus Kostengründen ab Januar 2024 nur noch per Post und nicht mehr durch Boten zugestellt, heißt es.

Jetzt sollen die alten Genossen das nd retten

Bis Ende des Jahres werden zudem vier Vollzeitstellen gestrichen, darunter zwei in der Redaktion, wird weiter verkündet. Was es noch schlimmer macht: In der Buchhaltung, die vor anderthalb Jahren ausgelagert worden sei, gebe es zudem Probleme. Es seien Buchhaltungsfehler entdeckt worden. Die Bilanz für 2022 habe vom Steuerprüfer noch nicht abschließend bestätigt werden können.

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Das nd wird seit dem 1. Januar 2022 von einer Genossenschaft herausgegeben, mit Sitz an der alten Adresse, im DDR-Plattenbau am Franz-Mehring-Platz 1 in Berlin-Friedrichshain. Im ersten Quartal 2023 hat die Zeitung 12.309 Abonnenten gemeldet, von denen 2569 Digitalabos abgeschlossen hatten.

Das Titelblatt der Zeitung Neues Deutschland vom  28. November 1958, gesehen im Alliierten Museum in Berlin-Zehlendorf.
Das Titelblatt der Zeitung Neues Deutschland vom 28. November 1958, gesehen im Alliierten Museum in Berlin-Zehlendorf.eventfotografen.de/imago

Die Genossenschaft plant nun eine Kampagne zur Rettung des nd. Die Belegschaft rief in einer Erklärung im Internet dazu auf, Genossenschaftsanteile zu zeichnen, um die Zeitung zu retten. Derzeit gebe es knapp 900 Genossen, die die Zeitung tragen. Erforderlich wären jedoch mindestens doppelt so viele. Durch die angekündigten Sparmaßnahmen würden 2024 voraussichtlich rund 700.000 Euro weniger ausgegeben.

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