Happy End nach 17 Jahren

Nach KURIER-Bericht: Unfallopfer Nadine Engel findet endlich ihren Lebensretter

Nachdem Nadine Engel 17 Jahre nach ihrem schweren Unfall über den KURIER eine Suche startete, begegnete sie ihrem Helfer jetzt ein zweites Mal

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Nadine Engel vor 17 Jahren im Krankenhaus. Sie hält das Baby einer Freundin ihrer Mutter im Arm. 
Nadine Engel vor 17 Jahren im Krankenhaus. Sie hält das Baby einer Freundin ihrer Mutter im Arm. Privat

Nomen est omen... Nadine Engel (28) hatte vor 17 Jahren wahrhaftig einen Engel an ihrer Seite, der sie beschützte. Michael Berg (62) rettete ihr 2004 bei einem schweren Verkehrsunfall das Leben. Weil sie ihrem damaligen Lebensretter unbedingt noch einmal begegnen wollte, suchte sie ihn mit Hilfe des KURIER. Als Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft Berlin davon erfuhren, halfen sie bei der Recherche. Was für ein Happy End!

Es war Nadine Engels größter Wunsch, ihrem Lebensretter nach so langer Zeit noch einmal Danke zu sagen. Vor wenigen Tagen hat er sich erfüllt. „Wir haben zusammen telefoniert und ich habe mich sehr gefreut, weil ich die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hatte, dass ich ihn noch einmal finden werde“, sagt die junge Frau. Vor der KURIER-Berichterstattung hatte sie schon eine Suche bei Facebook gestartet. Obwohl der Beitrag mehrfach geteilt worden ist, kam keine Resonanz. Dann gab es doch noch die überraschende Wende.

Er konnte sich noch an so viele Details ihres Unfalls erinnern

Nadine Engels Lebensretter Michael Berg. Nach 17 Jahren sind sie wieder in Kontakt. 
Nadine Engels Lebensretter Michael Berg. Nach 17 Jahren sind sie wieder in Kontakt. Privat

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Ihre erneute Begegnung nach 17 Jahren geschah unverhofft: Nachdem die Mitarbeiter der Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft Berlin von der Suche über den KURIER erfuhr, zögerten sie nicht lange. Sie ließen sich die Akte über den Unfallhergang aus einem Archiv zusenden, um an die Daten des Zeugen zu kommen. Somit erhielt Nadine Engel die Chance, noch einmal Kontakt mit ihrem Lebensretter aufnehmen zu können. „Wenn jemand so ein schweres Erlebnis hatte, versucht man zu helfen“, betont der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. 

Der Unfall ereignete sich am 7. Juni 2004. Nadine Engel war mit ihrem Fahrrad in Reinickendorf unterwegs. Als sie aus der Gotthardstraße kommend die Scharnweberstraße in Richtung Kapweg überqueren wollte, übersah sie ein Fahrer der Berliner Stadtreinigung (BSR) beim Rechtsabbiegen und überfuhr sie. Das zu dem Zeitpunkt elfjährige Mädchen geriet unter das Müllauto. Wie durch ein Wunder überlebte es den Unfall schwer verletzt. Doch da gleich mehrere Organe verletzt waren, musste Nadine Engel notoperiert werden und insgesamt 29 weitere Eingriffe über sich ergehen lassen. Noch bis heute hat sie mit Folgeschäden zu kämpfen und ist zu 30 Prozent gehbehindert.

Er war damals der Erste, der sich am Unfallort um sie kümmerte

Michael Berg war es, der sich damals am Unfallort als Erster um sie kümmerte. Er war durch Zufall vor Ort, weil er seine damalige Frau von der Arbeit abholen wollte. Auch ihn hat das schreckliche Ereignis bis heute nicht losgelassen. Er sagt: „Mich hat der Anruf sehr aufgewühlt und ich hatte ein ähnliches Gefühl, als wäre es noch gar nicht so lange her gewesen.“ Vor 17 Jahren habe er so eine Art Eingebung gehabt: Er sei schon auf die Straße gelaufen, bevor der LKW das Mädchen überfuhr.

Als Nadine dann am Boden lag und er ihre lauten Schreie hörte, sei es ihm durch Mark und Bein gegangen. Dass sie den Unfall überhaupt überlebt habe, sei ein Wunder gewesen. „Ihr Fahrrad hatte sich einmal um sie herumgewickelt und ich hatte Schwierigkeiten, sie aus dem Wust von Blech zu befreien. Sie hat mir so leid getan“, erinnert er sich. Zum Glück sei gerade ein Rettungswagen am Unfallort vorbeigefahren, der nicht im Einsatz war. Die Sanitäter hätten das schwer verletzte Mädchen schnell versorgt und in die Klinik gebracht. 

Nadine Engel.&nbsp;„Sie ist eine Kämpferin und beschreitet tapfer ihren Weg. Das imponiert mir“, sagt ihr Lebensretter.<br>
Nadine Engel. „Sie ist eine Kämpferin und beschreitet tapfer ihren Weg. Das imponiert mir“, sagt ihr Lebensretter.
Privat

Michael Berg hatte ihr noch eine Fee aus Porzellan ins Krankenhaus gebracht und sich nach ihr erkundigt. Die Fee hat Nadine Engel heute noch in einem Regal in ihrer Küche stehen. „Das hat mich sehr berührt“, sagt ihr Lebensretter. Dass sich Nadine Engel nach 17 Jahren bei ihm wieder gemeldet hat, sei etwas Besonderes.  Zuletzt hatte er sie als kleines Mädchen bei der Verhandlung im Amtsgericht Tiergarten gesehen. Er musste dort damals als Zeuge aussagen. Am 19. Januar wurde der Unfallgegner wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 120 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt. 

Lebensretter: „Die Strafe ist viel zu milde ausgefallen.“

„Die Strafe ist viel zu milde ausgefallen“, findet Michael Berg, selbst Vater von drei Kindern. Bis heute sei ihm nicht klar, warum der Lkw-Fahrer Nadine nicht gesehen hat. „Ich habe schon auf der Straße gestanden und mit den Armen gerudert und er ist einfach losgefahren“, sagt er. 

Nadine sagt: „Erstaunlich ist, dass sich Michael Berg noch an so viele Details meines Unfalls erinnern kann, als wäre es erst gestern gewesen“, sagt sie. Das helfe ihr sehr, das Geschehen noch einmal zu verarbeiten. Michael Berg freut es sehr, dass es der jungen Frau heute gut geht. „Als ich gehört habe, dass sie Mutter von zwei Kindern ist, war ich sehr gerührt“, so Berg.

Er hatte damals mitbekommen, dass eine Ärztin befürchtete, dass Nadine wegen einer Beckentrümmerfraktion und Schädigung ihrer Gebärmutter keine Kinder mehr bekommen kann. „Sie ist eine Kämpferin und beschreitet tapfer ihren Weg. Das imponiert mir“, sagt der Lebensretter. Schon bald wollen Michael Berg und Nadine Engel ihr Gespräch fortsetzen, denn sie verbindet noch etwas: Beide leben nicht mehr in Berlin, sondern im Norden, in Schleswig Holstein. Sie in Eckernförde, er in Pinneberg.