Nach der Massenparty auf dem Landwehrkanal: Teilnehmer sollen sich in Isolation begeben
Unzählige hatten am Pfingstwochenende auf dem Wasser gegen das Clubsterben demonstriert. Jetzt bitten verschiedene Parteien aus der Szene darum, dass die Teilnehmer ihre Sozialkontakte einschränken.

Sind die Konsequenzen der Mega-Party auf dem Landwehrkanal doch weitreichender als gedacht? Am Sonntag hatten im Rahmen einer Protest-Aktion gegen das Clubsterben unzählige Menschen auf Booten und an Land demonstriert, das Event geriet außer Kontrolle (KURIER berichtete). Nun rufen mehrere Parteien aus der Club-Szene die Teilnehmer dazu auf, sich in Isolation zu begeben.
„Um das Risiko einer Ausbreitung einer möglichen Infektion zu unterbinden, bitten wir alle Teilnehmer der Demo, ihre sozialen Kontakte in den nächsten 14 Tagen auf ein Minimum einzuschränken“, heißt es etwa in einer Stellungnahme der Berliner Clubcommission. Und auch auf der Facebook-Seite „Rebellion der Träumer“, auf der die Protest-Aktion angekündigt wurde, heißt es, „man bitte alle Teilnehmer, die in größeren Menschenmengen unterwegs waren, ihre Sozialkontakte in den nächsten sieben bis zehn Tagen weitestmöglich zu reduzieren“.
Sorgt das aus dem Ruder gelaufene Event für eine neue Berliner Corona-Welle? Darüber lässt sich im Moment nur spekulieren. Fakt ist: Das Ziel, positive Werbung für die Berliner Club-Szene zu machen, wurde weit verfehlt. „Ich bin entsetzt über die Bilder vom Wochenende in Berlin. Die Partyszene und die Clubs waren die Hotspots in Berlin zu Beginn der Ausbreitung des Coronavirus“, sagt Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). „Ich habe Verständnis für die schwierige wirtschaftliche Lage der Clubs. Aber das, was am Wochenende auf dem Landwehrkanal passierte, ist in Pandemiezeiten grob fahrlässig.“ Es sei keine Zeit für Partys - und das Virus eine Gefahr für die Gesundheit aller.
Die Initiatoren, zu denen unter anderem das „Kater Blau“, der „Salon zur wilden Renate“ und die Initiative „Rummels Bucht“ gehörten, unterschätzten den Zulauf gewaltig. „Keine der organisierenden Personen hat mit dieser Größenordnung gerechnet“, heißt es bei „Rebellion der Träumer“. Auch der Club „Kater Blau“ meldete sich zu Wort: „Die Szenen, die bei den meisten Menschen hängen bleiben, helfen der Clubkultur in Berlin nicht. Sie schaden. Viele unglückliche Faktoren kamen dabei gestern zusammen. Aber um das hier ganz klar zu sagen: die Verantwortung tragen im Wesentlichen natürlich die Mitwirkenden der Demo.“

Denn trotz der Aufforderung der Organisatoren, Masken zu tragen und Abstand zu halten, feierten viele weiter, bis Polizei und Veranstalter das Event um 17.35 Uhr beendeten. Aus Sicht der Polizei zeichnen sich keine Konsequenzen ab. „Die Veranstaltung war angemeldet und wurde nach Rücksprache mit den Kollegen vom Anmelder beendet“, sagte ein Sprecher dem KURIER. Die Teilnehmer seien aufgefordert worden, sich zu entfernen. „Sie sind der Aufforderung nachgekommen. Erst, wenn Anweisungen nicht befolgt werden, stellen wir die Personalien fest.“
Trotzdem wirft die ganze Aktion ein schlechtes Licht auf ein gutes Anliegen. Wütend ist man etwa bei der Berliner Clubcommission. „Das Ganze war eine Idee, die sich erst mal nett anhört: Maximal 100 Leute, verteilt auf viele Boote“, sagt Sprecher Lutz Leichsenring dem KURIER. „Dass es in dieser Art und Weise ausgeartet ist, konterkariert alle Bemühungen, auf die Situation der Clubszene aufmerksam zu machen.“ Seit Beginn der Corona-Zeit läuft die Kampagne Unitedwestream, die Live-Übertragungen aus den Clubs realisiert. „Wir hoffen, dass die Teilnehmer die Situation reflektieren und sich in Isolation begeben und sich bewusst sind, dass sie sich und andere gefährden.“
Dass es in dieser Art und Weise ausgeartet ist, konterkariert alle Bemühungen, auf die Situation der Clubszene aufmerksam zu machen. Wir hoffen, dass die Teilnehmer die Situation reflektieren und sich in Isolation begeben und sich bewusst sind, dass sie sich und andere gefährden.
Lutz Leichsenring, Sprecher der Berliner Clubcommission
Auch in der Politik kam die Protest-Aktion nicht gut an. Man habe in den letzten Wochen konkret darüber diskutiert, wie man gerade Open Air wieder Veranstaltungen zulassen könnte, sagt Georg Kössler, clubpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Die Demo am Sonntag habe diesen Plänen erst mal einen Dämpfer verpasst: „Sie hat gezeigt: Man kann in Berlin offensichtlich nicht eine Bühne öffnen und erwarten, dass nur 150 Leute kommen.“ Christian Goiny, der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, betont: „An der Größenordnung der Veranstaltung gibt es nichts zu bemängeln – der Senat hat beschlossen, dass Demonstrationen stattfinden dürfen.“ Es stelle sich grundsätzlich die Frage, „wie man es in Zukunft schafft, dass die Abstandsregeln eingehalten werden.“
Die Aufhebung des Demonstrationsverbotes war auch der Grund für die Demo. Sie ist nur eine von vielen in der Stadt. Erst am Dienstag waren eine Menschenkette gegen die Abwrackprämie, eine Demo für sicheren Radverkehr auf dem Tempelhofer Damm, eine Demonstration der Initiative „Schulen Auf in Berlin! - Eltern in der Krise“ für eine Öffnung der Bildungseinrichtungen und verschiedene Aktionen zum Internationalen Hurentag geplant.
Update: In diesem Artikel wurde ursprünglich das „Sisyphos“ als einer der Clubs genannt, die zu der Demonstration aufriefen. Die Betreiber teilten dem KURIER am Mittwoch aber mit: „Das Sisyphos war nicht an Planung und Durchführung der Wasserdemo beteiligt. Es gab im Vorfeld eine Anfrage, die zu keinem Ergebnis führte. Warum wir bei Facebook als Mitveranstalter genannt wurden, können wir nicht nachvollziehen.“