Nach 111 Jahren: Das Studio Babelsberg verliert seine Unabhängigkeit. Werden jetzt Wohnungen auf dem Studiogelände gebaut?
Kleinanleger schlagen Alarm. Die Gesellschaft sei jetzt „von Wohl und Wehe der Amerikaner“ abhängig. Befürchtet wird, das leer stehende Hallen abgerissen werden.

Vor zwei Wochen hat das Studio Babelsberg noch groß gefeiert. Seinen 111. Geburtstag. Mit 555 geladenen Gästen in Clärchens Ballhaus. Jetzt die Hiobsbotschaft: Die legendären Filmstudios verlieren ihre Selbstständigkeit. Die Filmproduktionsstätte Studio Babelsberg gibt ihre Leitung in die Hände eines Mehrheitsaktionärs, der zu einer US-Gruppe gehört, ab. Jetzt geht die Angst um, dass Teile des 173.000 Quadratmeter großen Geländes auch dafür genutzt werden könnten, um Wohnungen und Büros zu bauen.
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Seit 1912 wurden in Babelsberg mehr als 4000 Filme gedreht, darunter Klassiker wie „Metropolis“ oder „Der blaue Engel“. In der DDR entstanden hier legendäre Filme wie „Die Legende von Paul und Paula“, „Die Geschichte vom kleinen Muck“ und „Spur der Steine“. Nach der Wende wurde die Erfolgsgeschichte forterzählt. „Matrix: Resurrections“, „Bridge of Spies“ oder „Der Vorleser“: Viele erfolgreiche Serien und Filme sind in den letzten Jahren im Studio Babelsberg entstanden. Bei der Feier in Clärchens Ballhaus war auch Tom Tykwer dabei, der in Babelsberg seine Serie „Babylon Berlin“ dreht.
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Studio Babelsberg will Filmstandort ausbauen
Vor zwei Jahren gab es schon einmal Gerüchte, dass das Studio Babelsberg verkauft werden könnte. Damals sagte Ufa-Geschäftsführer Joachim Kosack zu möglichen Investoren: „Wenn das weiterhin Menschen sind, die mit Verve und Haltung ihr Geschäft betreiben, wie wir es aktuell vom Studio Babelsberg kennen, dann muss es nicht zwangsläufig schlecht sein“.
Klar ist jetzt: Die Filmproduktionsstätte Studio Babelsberg wird jetzt von einer Firma geleitet, die zu einer US-Gruppe gehört. Eine außerordentliche Hauptversammlung stimmte am Freitag mit großer Mehrheit für einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, wie die Studio Babelsberg AG mitteilt. Das Studio Babelsberg ist nach eigenen Angaben das älteste Großatelier-Filmstudio der Welt. Es gehört inzwischen zur Cinespace-Gruppe, einem internationalen Betreiber von Filmstudios.
Das Studio Babelsberg sieht trotz des Verlusts der Eigenständigkeit neue Chancen. Das Ziel sei, insbesondere die Marktposition im Bereich der Spielfilmproduktion in Kombination mit den Erfahrungen der Cinespace Studios im Bereich Streaming und Fernsehen zu nutzen, sagt der Co-Vorsitzende Andy Weltman. „Wir freuen uns auf dieses nächste Kapitel, in dem wir unsere Beziehungen zu lokalen deutschen Produktionen ausbauen und weiterhin ein führender internationaler Standort für Kreative in der TV- und Filmindustrie bleiben werden.“
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Im Beherrschungsvertrag ist festgelegt, dass das Studio seine Leitung der Kino Bidco GmbH – der Eigentümerin – unterstellt. Diese ist eine 100-prozentige Tochterfirma der Cinespace Studios, die wiederum von Fondsgesellschaften der TPG Real Estate Partners (TREP) gehalten werden, einer Plattform für Immobilieninvestments. Kino Bidco kann dem Vorstand von Studio Babelsberg bindende Weisungen hinsichtlich der Leitung erteilen. Cinespace ist laut Studio Babelsberg zweitgrößter unabhängiger Studiobesitzer weltweit mit fast 100 Studios in den USA, Kanada und Europa und Produktionsmietern wie Apple, Amazon und Netflix.

Der Vertrag wird mit Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts Potsdam wirksam. Die Aktionäre von Studio Babelsberg können ihre Aktien gegen eine Barabfindung von 3,65 Euro pro Aktie an die Kino Bidco veräußern.
Kleinanleger befürchten, dass auf dem Studiogelände Wohnungen und Bürokomplexe gebaut werden
Der Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) in Berlin, Michael Kunert, hat Bedenken: „Ich kann nach wie vor nicht erkennen, dass der Beherrschungsvertrag zum Wohle der Gesellschaft ist“, sagte Kunert. Studio Babelsberg verliere nach 111 Jahren seine Unabhängigkeit. Die Gesellschaft sei „von Wohl und Wehe der Amerikaner“ abhängig. Er hoffe, dass der Standort erhalten bleibe.
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Die SdK befürchtet nun, dass für den Mutterkonzern leer stehende Hallen eine Verlockung sein könnten, sie abzureißen und lukrativere Objekte wie Wohnungen oder Bürokomplexe an ihrer Stelle zu errichten, erklärte Kunert schon im Vorfeld der Hauptversammlung.
Die Brandenburger Landesregierung hofft auf Sicherheit: „Entscheidend ist für die Landesregierung, dass die rund 100 Arbeitsplätze am Standort Babelsberg erhalten bleiben“, sagt Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). „Gewinne sollten nicht nur abfließen, sondern auch in die Entwicklung der Studios gesteckt werden.“ Er setze auch darauf, dass die neuen Mehrheitsgesellschafter Synergien mit Cinespace nutzten und den Standort Babelsberg dauerhaft sicherten.