Anna Maria Mühe (l.) und Nadine Schori in einer Szene aus „Stolz und Vorurteil *oder so“, das jetzt in Berlin Premiere feierte.
Anna Maria Mühe (l.) und Nadine Schori in einer Szene aus „Stolz und Vorurteil *oder so“, das jetzt in Berlin Premiere feierte. imago/Future Image

Anna Maria Mühe steht auf der Theaterbühne. Es ist ihr erstes Mal. Mit 37 Jahren. 2002 debütierte sie im Kino – mit „Große Mädchen weinen nicht“. Jetzt hat sie eine Rolle in der Komödie am Kurfürstendamm im Theater am Potsdamer Platz ergattert.

Ihre Eltern Ulrich Mühe und Jenny Gröllmann (beide tot) waren schon zu DDR-Zeiten namhafte Theaterschauspieler. Entsprechend groß ist das Interesse an Annas Bühnendebüt. Zur Premiere von „Stolz und Vorurteil *oder so“ (Regie Christopher Tölle) nach dem Roman der britischen Schriftstellerin Jane Austen (1813) haben sich alle gefühlt 57.000 Schauspieler von Berlin am Potsdamer Platz angekündigt.

Eine aufgekratzte Katja Riemann ist unter den Gästen, Anja und Gerit Kling, Hannah Herzsprung, Angelika Mann, Oliver Mommsen, Axel Pape und viele andere sind gekommen. Mühe spielt mehrere Rollen auf einmal, so wie ihre vier Kolleginnen, die schräge Birthe Wolter, Nadine Schori, Johanna Asch und Mackie Heilmann.

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Anna Maria Mühe lässt sich im Stück von Birthe Wolter die Hand küssen. Alle Schauspielerinnen spielen mehrere Rollen.
Anna Maria Mühe lässt sich im Stück von Birthe Wolter die Hand küssen. Alle Schauspielerinnen spielen mehrere Rollen. imago/Future Image

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Im Stück von Isobel McArthur geht es wie im Roman von Jane Austen zunächst um die berühmte gute Partie, die geplante Heirat einer der fünf Töchter einer gewissen Familie Bennet mit einem reichen Kerl. Anna Maria Mühe ist Elizabeth, die lieber Romane liest als mit Schnöseln rumzumachen, die nur vermögend sind, obwohl sie natürlich gern flirtet.

Anna Maria Mühe singt und flirtet

In dem Spiel, das nun folgt, ringt die weibliche Selbstbestimmung mit dem verständlichen Wunsch nach wirtschaftlicher Sorglosigkeit. Zumindest bei Austen. In der Adaption von Isobel McArthur steht dieser Konflikt Kopf.

Hier gibt es Slapstick- und Karaoke-Einlagen, gedankenlose Popsong-Arien, Parodien auf den Geschlechterkampf und lesbische Techtelmechtel. Auf der Bühne des Potsdamer-Platz-Theaters sehen wir keine Darstellerinnen, die Schwestern spielen, sondern eine hysterische Girlgroup als Naturgewalt: schrill, laut, frech und über die Maßen grotesk. Ihre Hymne heißt: „Girls Just Want to Have Fun“, ihre Losung: Die Ehe ist bei Licht betrachtet schlicht und schlecht dämlich.

Die Schauspieler Oliver Mommsen und Gerit Kling begrüßen zur Premiere in Berlin Komödien-Intendant Martin Woelffer (Mitte).
Die Schauspieler Oliver Mommsen und Gerit Kling begrüßen zur Premiere in Berlin Komödien-Intendant Martin Woelffer (Mitte). imago/Photopress Müller

Und so prunkt auf der Bühne ein drehbarer, nach allen Seiten hin offener Stahlskelettwürfel, der mittig platziert und ironisch mit Blumen behangen ist. Auf dieser Bühne hat jedes Girl seine eigene Rollkiste. Die von Anna Maria Mühe ist die mickrigste. Es ist wie ein Omen: Sie selbst wirkt auch wie geschrumpft. Ihre Gesten sind klein, die Stimme viel zu fein, trotz Nackenbügel-Headset-Mikrofon und Verstärker. Gegen ihre vier Mitspielerinnen, unübersehbar geübte Rampensäue, stinkt die Filmschauspielerin nicht an.

„Ich brauchte meine Zeit, um mich das zu trauen“, sagt Anna Maria Mühe

Auf der Leinwand wirkt die Mühe oft überlebensgroß, hier seltsam eingelaufen. Aber mutig ist sie, das muss man sagen. Und dem Publikum gefällt’s. Für die meisten ist diese Premiere am Sonntagabend in Berlin eine knallige Sache, eine Brautrevue mit einem Ensemble zum Verlieben: burlesk, grell, popromantisch und immer wieder genial doof.

Auch beim Debüt von Anna Maria Mühe: Multi-Entertainer Bürger Lars Dietrich und Hannah Baus
Auch beim Debüt von Anna Maria Mühe: Multi-Entertainer Bürger Lars Dietrich und Hannah Baus imago/Photopress Müller

Am lautesten kreischte auf den Sitzen im Saal Katja Riemann. Gayle Tufts juchzte schon in der Pause: „Ich bin begeistert.“ Gerit Kling allerdings fand den Abend schrecklich, sie gehörte zu den wenigen, die Kritik äußerten. Wie Evelyn Bresser, die fragte: „Die Schauspielerinnen können viel, vor allem in viele Rollen schlüpfen. Aber reicht das?“

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„Ich brauchte meine Zeit, um mich das zu trauen“, sagte Anna Maria Mühe vor einigen Tagen dem Inforadio. „Und jetzt habe ich das Gefühl, jetzt kann ich mich von dem Druck, den es da vielleicht gibt – auch mit dem Namen –, ein bisschen freistrampeln und mache mein Debüt an der Komödie.“

Am Ende rutschte die Inszenierung in ein Taschenlampenkonzert ab. Hunderte holten ihre Smartphones raus und reckten sie in die Höhe. Dann folgte ein Grollen, und fast alle im Saal standen auf. Der Schlussapplaus wollte und wollte nicht enden. Alles richtig gemacht? Alles richtig gemacht –*oder so.

Karten für „Stolz und Vorurteil *oder so“ gibt es ab 18,50 Euro im KURIER-Ticketshop.