Mietendeckel-Urteil trifft Witwe aus Pankow hart: Stefanie U. (40) droht der Finanzkollaps!
Verwitwet, allein erziehend, nur noch ein Teilzeit-Job, und die Wohnung wird voraussichtlich wieder teurer.

Ungefähr 40.000 Berliner Haushalte könnten wegen der ihnen drohenden Nachzahlungen im Zuge des Scheiterns des Mietendeckels in eine finanzielle Schieflage geraten. Das ergab eine Schätzung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Berliner Regelung für grundgesetzwidrig erklärt hatte.
Die allein erziehende Witwe Stefanie U. (40) ist eine dieser Betroffenen. Durch den frühen Tod ihres Mannes ohnehin geschlagen, rechnet sie damit, dass von ihrem Gehalt künftig drei Viertel an den Vermieter gehen müssen, und sie hat den seit November eingesparten Mietanteil nicht vollständig zurücklegen können.
Stefanie U. hatte ihren Mann Neal im Mai 2018 an einen Gehirntumor verloren. Sie kehrte im August 2018 aus Hereford mit ihren in England geborenen Kindern nach Berlin zurück. Ein Jahr lang lebte sie mit Tochter und Sohn in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, bis im September 2019 an der Bornholmer Straße eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 90 Quadratmetern beziehen konnte.
1080 Euro warm zahlte sie im Monat Miete, der Mietendeckel habe ihr seit November 2020 eine Ersparnis von rund 260 Euro pro Monat gebracht.
Seit Januar 2021 aber ist sie ihre Arbeit als Projektassistentin bei einem Berliner Musikveranstalter los: „Der Vertrag war ausgelaufen, seit März 2020 war ich ohnehin wegen Corona in Kurzarbeit.“ Gut sei da nur gewesen, dass die Steuerfreibeträge für Alleinerziehende angehoben wurden. Jetzt ist sie Teilzeit-Sekretärin an einer Moabiter Schule.
Die Ersparnisse gehen zur Neige
„Meine Ersparnisse, mit deren Hilfe ich mich bislang durchgeschlagen habe, gehen zur Neige“, sagt Stefanie U., die in Großbritannien wie ihr Mann freiberuflich in Tourmanagement und -assistenz tätig war, unter anderem für Robbie Williams und Iron Maiden. „Die Arbeit konnte ich ohne meinen Mann, den ich acht Monate lang gepflegt hatte, nicht fortsetzen. Wenn ich auf Tour war, hatte er sich um die Kinder gekümmert, und umgekehrt.“
Sie hat jetzt Wohngeld beim Bezirksamt Pankow beantragt, weil ihr Gehalt auch zusammen mit dem Kindergeld und dem Unterhaltsvorschuss nicht mehr zum Leben reichen wird, ihre Eltern kleine Renten beziehen und sie nicht unterstützen können. Aus Großbritannien kann sie mit keiner Hilfe mehr rechnen: „Nach 18 Monaten läuft dort die Witwen- und Waisenrente aus.“
Ihr 14-jähriger Sohn und die elfjährige Tochter gehen auf eine bilinguale Gemeinschaftsschule, was für jedes Kind 100 Euro im Monat kostet. „Hätte ich sie nicht an diese Schule gegeben, wären sie in eine Willkommensklasse gekommen, weil sie englischsprachig aufgewachsen sind.“

Stefanie U.: „Meine Tochter spielt Schlagzeug, mein Sohn Gitarre, beide treiben Sport.“ Auch das kostet Geld. Die Mutter: „Ich fände es ungerecht, wenn sie Musikunterricht und Vereinssport aufgeben müssten. Sie sind mit dem Tod des Vaters und durch Corona schon genug gestraft.“ Beide Kinder gehen jetzt wieder zur Schule, das Lernen zu Hause, der zusätzliche Stromverbrauch und das Essen zu Hause hätten zusätzliche Löcher ins Budget der Familie gerissen, „Teenager haben einfach viel Hunger.“
In dieser Woche wird Stefanie U. mit ihrem Vermieter über ihre Miete sprechen.
Zum gescheiterten Mietendeckel sagt sie, es sei gut gewesen, dass Rot-Rot-Grün wenigstens etwas versucht hätten, um Mieten zu begrenzen: „Wenn man nichts macht, wird auch nichts passieren.“ Am Ende sei aber das geschehen, was immer geschehe: „Die kleinen Bürger sind die Leidtragenden.“ CDU und FDP hätten sich mit ihrer Klage als Wirtschaftsparteien erwiesen, die nicht ans Soziale dächten.
Wie der Senat auf 40.000 Betroffene kommt
Jetzt ist die Berliner Politik am Zuge. Sie kann bislang nur mit Schätzungen aufwarten, wie viele Menschen ohne Mietendeckel finanziell Probleme bekommen werden. In der Verwaltung von Bausenator Sebastian Scheel (Linke) kalkuliert man auf der Grundlage des Mietspiegels 2019, dass 340.000 Berlinerinnen und Berliner ihre Miete wegen des Deckels haben kürzen können. Man gehe davon aus, dass jeder Zehnte, also 34.000, in Not geraten könnten, wenn sie auf einen Schlag den Absenkungsbetrag zurückzahlen müssten.
Dazu kämen rund zehn Prozent der vielleicht 57.000 Mieter, die nach einer mit vielen Unbekannten gespickten Schätzung in die gleiche Not kämen: Sie haben während der Gültigkeit des Mietendeckels einen Mietvertrag über die zulässige Miete abgeschlossen und darüber hinaus einen Vertrag über die Miete, die beim Auslaufen oder dem Verbot des Deckels fällig wird, eine sogenannte Schattenmiete. Damit umschifften Vermieter die Vorschrift des Mietendeckels, die Miete auf Stand 2019 einzufrieren.
Zusammen wären es nach der „Arbeitshypothese“ des Senats also rund 40.000 Menschen, die auf Hilfe des Staats angewiesen sein dürften. Auf wie viel Geld das pro Wohnung hinauslaufen wird, ist bislang nicht geklärt. Wieviel Geld der Hilfsfonds umfassen müsste, ist unklar.
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Senat will Mieter unterstützen, CDU fordert Hilfsfonds
Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte schon im Januar einen Antrag auf einen entsprechenden Fonds zur Unterstützung solcher Mieter gestellt, der zehn Millionen Euro umfassen sollte. Er wurde von der Mehrheit im Berliner Parlament aber abgelehnt. Iris Spranger, baupolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sagte dem Berliner KURIER, sie glaube, zehn Millionen Euro würden „eher nicht reichen".
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Genaue Zahlen sollten aber erst am Dienstag im Senat auf Grundlage der Schätzungen aus dem Bauressort beraten werden. Wichtig, so Spranger, sei es, dass der Zugang zu den Hilfsgeldern ohne bürokratischen Aufwand möglich sei. Es werde aber eine Bedürftigkeitsprüfung geben, „Die Berlinerinnen und Berliner sollen wissen, dass wir sie auf keinen Fall im Stich lassen", sagte die SPD-Abgeordnete.
Deckel-Pleite könnte noch viel teurer werden
Der gescheiterte Mietendeckel könnte für die rot-rot-grüne Landesregierung aber auch noch teurer werden. Der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Gräff, sagte dem KURIER, man prüfe, ob nicht alle betroffenen Mieter entschädigt werden müssten - unabhängig davon, wie bedürftig sie sind. Da die Regierungskoalition sehr genau gewusst habe, dass sie ein hoch unsicheres Gesetz verabschiede, stelle sich die Frage, ob er für die Schäden dieses Staatsversagens nicht auch haftbar sei, erklärte Gräff. Dass sich die Landesregierung ihrer Sache nicht sicher war, zeigten schon allein die Äußerungen der damaligen Bausenatorin Karin Lompscher (Linke), die dazu riet, die eingesparte Miete erst einmal auf die Seite zu legen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte das Gesetz zum Mietendeckel in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss mit der Begründung gekippt, dass Regelungen auf Landesebene hierzu unzulässig seien. Das Gesetz sah eine Senkung der Nettokaltmiete vor, wenn sie um mehr als 20 Prozent über einem vom Senat festgelegten Preistabellenwert lag.