Mehrere hundert Beschäftigte von Galeria Karstadt Kaufhof versammelten sich mit Mitarbeitern von Ikea und Thalia vor der von der Schließung bedrohten Filiale in der Wilmersdorfer Straße.
Mehrere hundert Beschäftigte von Galeria Karstadt Kaufhof versammelten sich mit Mitarbeitern von Ikea und Thalia vor der von der Schließung bedrohten Filiale in der Wilmersdorfer Straße. GL

Es war laut in der Wilmersdorfer Straße: Die Trommelgruppe „terra brasilis“ aus der ufa-Fabrik heizte am Mittwoch wie schon bei anderen Aktionen der Gewerkschaft ver.di den mehreren hundert Warnstreikenden von Galeria Kaufhof, Ikea und Thalia ein. Die Sonne schien, etliche wippten im Takt mit, aber fröhlich war die Stimmung nicht. Während die Mitarbeiter des schwedischen Möbelhauses für einen neuen Tarifvertrag kämpfen, die Buchhändler um eine Rückkehr in den Tarifvertrag, geht es bei den Kaufhaus-Mitarbeitern um mehr: Ihre Arbeitsstellen an sich.

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Deshalb wurde vor der Galeria Karstadt Kaufhof-Filiale demonstriert, die nach außen hin immer noch Karstadt heißt, und deren Schließung bevorsteht. So wie die der Filiale am Leopoldplatz. Sie gehören zu den bundesweit 47 von 129 Filialen der insolventen Kaufhaus-Kette, die aufgegeben werden sollen. 

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Tarifverhandlungen für Galeria-Mitarbeiter stecken fest

Conny Weißbach, Fachbereichsleiterin Handel bei ver.di Berlin-Brandenburg, fasste gegenüber dem KURIER die Forderungen zusammen: Erhaltung der beiden Filialen (insgesamt gibt es in Berlin zehn), bei Umbauten Rückkehrrecht der Beschäftigten ins jeweilige Haus und für alle Galeria-Leute keine weitere finanzielle Verschlechterung. Gegenwärtig stecken die Tarifverhandlungen für die 17.000 Beschäftigten bundesweit fest.

Sie verdienen ohnehin schon nur 85 Prozent des im Flächentarifvertrag vereinbarten Lohns, in der Regel um die 2500 Euro brutto. Die Gewerkschafterin: „Die Beschäftigten verzichten seit vielen Jahren auf bis zu 5500 Euro jedes Jahr und leisten damit einen großen finanziellen Beitrag für die Sanierung von Galeria. Dass die Arbeitgeber jetzt schon wieder Lohnverzicht fordern, treibt sie auf die Straße, sie sind wütend und enttäuscht.“

Kampfbereit vor der Galeria-Filiale Wilmersdorfer Straße, in der sie seit Jahrzehnten arbeiten: Die Verkäufer Olaf Rebhan (l.) und sein Kollege Andreas Werner, der hier dem Betriebsrat vorsitzt.
Kampfbereit vor der Galeria-Filiale Wilmersdorfer Straße, in der sie seit Jahrzehnten arbeiten: Die Verkäufer Olaf Rebhan (l.) und sein Kollege Andreas Werner, der hier dem Betriebsrat vorsitzt. GL

Die Gewerkschaft verlangt unter anderem die Anerkennung der regionalen Flächentarifverträge des Einzelhandels sowie den Insolvenzschutz für Zeitgutschriften und Zahlungsansprüche, die nicht mit der monatlichen Vergütung fällig sind.

Hoffnung auf einen neuen Mietvertrag an der Wilmersdorfer Straße

Weißbach hat Hoffnung, dass es noch zu einem günstigeren Mietvertrag kommen könnte. Charlottenburg-Wilmersdorfs Bürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne) habe entsprechende Verhandlungen mit dem Vermieter an der Wilmersdorfer Straße – einem Immobilienfonds – sowie dem bei Galeria eingesetzten Sachwalter angestoßen:  „Gegenwärtig gilt hier noch ein Dach- und Fach-Vertrag, bei dem der Mieter nicht nur Miete zahlt, sondern auch für die Unterhaltung des Gebäudes.“ Ob das reichen wird, den befürchteten Umbau in ein Luxus-Wohnhaus zu verhindern, ist aber fraglich.

Andreas Werner (57) ist der Betriebsratsvorsitzende in der Filiale, hat 1982 hier seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann begonnen. Damals war es noch Hertie. Er sagt, dass die Situation für die Kaufhäuser schwieriger würden. „Sie müssen anders aufgestellt werden, das kostet Geld.“

Gruppenbild mit Pappkameradin: Susanne Urbansky (l.) und Vize Anya Sever streiten für die Erhaltung von Galeria am Leopoldplatz.
Gruppenbild mit Pappkameradin: Susanne Urbansky (l.) und Vize Anya Sever streiten für die Erhaltung von Galeria am Leopoldplatz. GL

Das Sortiment müsse regionaler werden („man braucht in Berlin nicht so viele Bergstiefel wie in einer Münchener Filiale, dafür fehlen hier Fanartikel-Shops zum Beispiel von Union und Hertha“); es müsste Platz geschaffen werden, wo die Kunden sich mal hinsetzen können, ihre Handys laden oder Männer ins Gespräch kommen, während die Frauen in die Umkleide verschwinden. Es sei auch nicht gut, dass es seit Corona kein Restaurant mehr gebe.

Olaf Rebhan (64), sein Kollege gleichfalls aus der Haushaltswarenabteilung und seit 30 Jahren im Unternehmen, sieht am Personalmangel eine Ursache für die Schwierigkeiten des Konzerns: „Zeitweise bin ich auf zwei Etagen für Auskünfte zuständig und kann nicht alles wissen. Wirkliche Beratung kann kaum noch stattfinden.“

Weniger Mitarbeiter + wenige Beratung = weniger Kundschaft

Das führe zu einer Abwärts-Spirale, weil Beratung und Hilfe eigentlich ein Wesensmerkmal eines Kaufhauses sei. Fest angestellte Verkäufer stellten ohnehin nur noch die Hälfte der 103köpfigen Belegschaft, neben Studenten oder Vorruheständlern.

Susanne Urbansky (58), die Betriebsratsvorsitzende des Kaufhauses am Leopoldplatz und seit 40 Jahren dabei, anwortet auf die Frage, woran es im Unternehmen hapert: „Am Management.“ Trends würden häufig verschlafen. Als Extrembeispiel fällt ihr sofort ein, dass  sogenannte Snake-Boards erst ein Jahr nach Beginn des Hypes um sie im Konzern angeboten wurden.

Die Trommler-Truppe terra brasilis begleitet immer wieder einmal ver.di-Kundgebungen.
Die Trommler-Truppe terra brasilis begleitet immer wieder einmal ver.di-Kundgebungen. GL

Bei der Mode, wirft eine Kollegin ein, würde zu viel von gleichen Textilien eingekauft, es mangele an einem breiten Angebot. Urbansky: „Die Möglichkeiten bei der Übernahme von SportScheck wurde nicht für ein gutes Angebot an Sportkleidung genutzt. Dafür haben wir ein 2,40-Meter-Regal mit Salz- und Pfeffermühlen von fünf bis 60 Euro. Das braucht kein Mensch.“

Senat soll im Kampf um die Galeria-Arbeitsplätze aktiv werden, fordert die Gewerkschaft

Sie bewegt vor allem aber, das die Arbeitsplätze ihrer 80 Kollegen in Wedding gesichert werden, auch wenn das Gebäude wie geplant umgebaut wird. „Die Eigentümer, Signa und die Bayerische Versicherungskammer, müssen sich an die Absichtserklärung („Letter of Intent“, d. Red.) von 2020 halten, dass die Kollegen während der Arbeiten in anderen Häusern unterkommen und danach zurückkehren können.“

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Dieser Letter of Intent müsse dringend aktualisiert werden, verlangt ver.di – Galeria-Eigentümer Signa hatte vom Senat durch die Vereinbarung die Erleichterung mehrerer Bauvorhaben beispielsweise am Kudamm erhalten, wenn er dafür vier von Schließung bedrohte Galeria-Warenhäuser und deren Arbeitsplätze weitere drei bis zehn Jahre erhält. Conny Weißbach: „Wir brauchen eine Neuauflage dieser Vereinbarung und fordern den Senat auf, sofort aktiv zu werden.“

Conny Weißbach, Fachbereichsleiterin Handel bei ver.di Berlin-Brandenburg.
Conny Weißbach, Fachbereichsleiterin Handel bei ver.di Berlin-Brandenburg. GL

Dass es am Leo weitergehen könnte, dafür sieht die ver.di-Frau ganz gute Chancen: „Der zuständige Stadtrat Ephraim Gothe hat gut verhandelt.“ So müsse nach dem Umbau auf 3800 Quadratmetern weiter Kaufhausbetrieb möglich sein.

Der Galeria-Vorstand hatte im Vorfeld die Warnstreiks kritisiert, die laut Konzern insgesamt 22 Filialen in fünf Bundesländern betrafen, aber nicht zu Schließungen geführt hätten. „Die geplanten Streikmaßnahmen sind offensichtlich rechtswidrig und drohen ruinöse Schäden zu verursachen, für die Sie haftbar zu machen wären“, schrieben Konzernchef Miguel Müllenbach und der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz an die ver.di-Spitze. Sie erinnerten daran, dass sich Galeria nach wie vor in einem Insolvenzverfahren und einer „existenziellen Krisensituation“ befinde.

Galeria hat schon hunderte Millionen Euro Staatshilfe bekommen

Bereits im April 2020 - im ersten Corona-Lockdown - hatte der Konzern Zuflucht in einem „Schutzschirmverfahren“ gesucht: Bis Ende September 2020 dauerte das Insolvenzverfahren an, es wurden 40 Filialen geschlossen und etwa  4000 Stellen gestrichen. Dafür wurde das Unternehmen über zwei Milliarden Euro los. 

Dennoch blieb die Lage prekär: Vor gut zwei Jahren wurde wieder um staatliche Hilfe gebeten. Der „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ pumpte in zwei Hilfsaktionen insgesamt 680 Millionen Euro hinein.

Eine falsche Prozentangabe bei den Löhnen wurde korrigiert.