Bei einer Jobmesse für Ukrainer Anfang Juni im Ludwig Erhard-Haus waren die meisten Interessenten Frauen.
Bei einer Jobmesse für Ukrainer Anfang Juni im Ludwig Erhard-Haus waren die meisten Interessenten Frauen. Berliner KURIER/Markus Wächter

Die große Flucht aus der Ukraine wegen des von Russland angezettelten Krieges schlägt sich jetzt in der Berliner Arbeitslosenstatistik nieder. Speziell bei den Frauen, die die Hauptgruppe der Flüchtlinge stellen: Waren im Mai insgesamt 76.723  Frauen in Berlin arbeitslos gemeldet, schoss die Zahl um 8400 auf 85.123 im Juli hoch. Das sind immer noch 4235 weniger als vor einem Jahr. Bei den Männern ist der Anstieg der Arbeitslosenzahl um 1578 gegenüber dem Mai auf 97.950 deutlich geringer, der Rückgang gegenüber Juli 2021 (minus 13.495) gleichzeitig viel größer.

17.500 Ukrainerinnen und Ukrainer suchen offiziell Arbeit

Der Anstieg ist damit zu erklären, dass aus der Ukraine geflüchtete Menschen seit dem 1. Juni Hilfen und Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) zu beantragen, dabei teilweise arbeitslos gemeldet werden. In Berlin wurden seitdem 17.549   Ukrainerinnen und Ukrainer als leistungsberechtige Erwerbsfähige in den Jobcentern registriert. In Brandenburg sind es aktuell 10.562.

Insgesamt waren im in Berlin Juli 183.078 Menschen arbeitslos, 7111 mehr als im Vormonat und 17.729 weniger als im Juli des vergangenen Jahre. Die Arbeitslosenquote beträgt 9 Prozent gegenüber 8,7 im Juni und 9,9 im Juli 2021. In Brandenburg waren im Juli 76.192 Menschen arbeitslos, 4176 mehr als im Juni und 1686 weniger als im Juli 2021. Die Arbeitslosenquote beträgt aktuell 5,7 Prozent  (Juni: 5,4. Juli 2021: 5,8).

Nachfrage nach Arbeitskräften hat in Berlin und Brandenburg zugelegt

Die Nachfrage nach Arbeitskräften und Auszubildenden bleibt  hoch. In Berlin haben Arbeitsagenturen und Jobcenter aktuell 21.211 offene Arbeitsstellen im Bestand. Im Vorjahresmonat waren es 18.280. In Brandenburg sind es aktuell 28.370 (Juli 2021: 23.823).

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In der Wirtschaft sieht man die Entwicklung als einigermaßen positiv an. Alexander Schirp, Vize-Hauptgeschäftsführer bei der Vereinigung der Unternehmensverbände von Berlin und Brandenburg (UVB):  „Trotz der andauernden Unsicherheiten infolge des Ukraine-Krieges, möglicher Energie-Engpässe und der Corona-Sommerwelle liegt die Arbeitslosigkeit weiterhin unter dem Niveau des Vorjahres." Es sei gelungen, dass In Berlin die  Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gegenüber Mai 2021 überdurchschnittlich um über 73.000 Menschen angestiegen sei, in Brandenburg um 15.200.

Brandenburg hat kaum noch junge Leute und deshalb zu wenige Lehrlinge

Sorgen macht dem UVB die Ausbildungslage in Brandenburg, wo Unternehmen und Handwerk häufig keine Lehrlinge mehr fänden. Das liege unter anderem daran, dass der Anteil  junger Menschen im klassischen Ausbildungsalter zwischen 15 und 24 Jahren auf nur noch acht Prozent gefallen sei – ein „historischer Tiefstwert“.

Ramona Schröder, Chefin der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit: „Berliner und Brandenburger Jugendliche können weiterhin aus einer Vielfalt von Berufen wählen, um in das Berufsleben zu starten. Mit Blick auf die aktuell noch offenen Ausbildungsstellen haben Jugendliche in Berlin eine Eins-zu-Eins-Situation und in Brandenburg gibt es mehr offene Ausbildungsstellen als Bewerberinnen und Bewerber.“

In Zahlen sieht das so aus: Während in Berlin aktuell 7317 betriebliche Ausbildungsstellen unbesetzt und 7449 Jugendliche unversorgt sind, stehen in Brandenburg aktuell 6936 Ausbildungsstellen lediglich 4235 Bewerber gegenüber, die noch keinen Ausbildungsvertrag haben. Rechnerisch können also – Stand jetzt – 2701 Stellen nicht besetzt werden.

Wer in Berlin keine Lehrstelle  findet, sollte mal im Speckgürtel suchen

Für Berliner Schulabgänger könnte sich der Blick über die Stadtgrenze in den Speckgürtel lohnen, um dort mit Kusshand genommen zu werden.

Schirp verlangte deshalb von Politik, Wirtschaft und Schulen Brandenburgs, den Fachkräftemangel offensiver zu bekämpfen, durch bessere Berufsorientierung, Wohnmöglichkeiten in der Nähe von Ausbildungsstätten und entsprechende Verkehrsangebote.  „Junge Menschen aus dem Ausland sollten zudem leichter in den Brandenburger Arbeitsmarkt einwandern können. Hierzu muss das Einwanderungsverfahren dringend vereinfacht, beschleunigt, digitalisiert und damit planbarer für Arbeitgeber gestaltet werden.“

Jugendliche, die noch keine Ausbildungsplatzzusage mit Beginn 2022 haben, können sich am 23./24. August 2022 im Kosmos Berlin, Karl-Marx-Allee 131A, zu den offenen Lehrstellen von voraussichtlich 50 Unternehmen informieren und bestenfalls einen Ausbildungsplatz ergattern.

Interessierte können sich unter www.lastminuteboerseberlin.de anmelden und erhalten ein Zugangsticket.