15.000 Menschen protestieren für George Floyd

Mega-Demo in Mitte: Berlin steht zusammen im Kampf gegen Rassismus

Laut Polizei verlief die Versammlung, die den Alexanderplatz aus allen Nähten platzen ließ, störungsfrei.

Teilen
Teilnehmer der „Silent Demo“ am Samstag am Alexanderplatz
Teilnehmer der „Silent Demo“ am Samstag am AlexanderplatzFoto: Markus Schreiber/AP/dpa

Berlin macht sich stark im Kampf gegen Rassismus: In Gedenken an den Afroamerikaner George Floyd, der bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis getötet wurde, trafen sich weit über 10.000 Menschen am Alexanderplatz bei einer Schweige-Demo. Der Andrang war so groß, dass Sicherheitskräfte den Platz abriegeln mussten.

Die Demonstranten waren aufgefordert, in schwarzer Kleidung zu erscheinen. Man wollte still („silent“) an den Tod von Floyd erinnern. In vielen deutschen Städten waren zeitgleich ähnliche Demos geplant. Offiziell waren 1500 Teilnehmer für die „Silent Demo“ am Alexanderplatz angemeldet. Der Facebook-Veranstaltung hatten am Vormittag bereits rund 8500 Menschen zugesagt, aber es wurden weit mehr.

Tausende Menschen fluteten am Sonnabend den Alexanderplatz.
Tausende Menschen fluteten am Sonnabend den Alexanderplatz.Foto: Berliner KURIER / Sabine Gudath

Schon in der Mittagszeit strömten immer mehr Teilnehmer zum Alexanderplatz, aus Straßenbahnen und S-Bahnen, über Kreuzungen und Seitenstraßen. Die Teilnehmer: Hauptsächlich junge Berliner, in schwarz gekleidet, mit Plakaten. Mit klaren Botschaften. „Alle schwarzen Leben zählen“, „Zu viel Blut, zu viele Tränen“, „Rassismus tötet“. Auch der Spruch „Ich kann nicht atmen“, mit dem George Floyd um sein Leben flehte, als der inzwischen entlassene und unter Mordanklage stehende Polizist Derek Chauvin auf seinem Nacken kniete, war zu lesen.

Klare Botschaften: Auf Plakaten wehrten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gegen Rassismus.
Klare Botschaften: Auf Plakaten wehrten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gegen Rassismus.Foto: Berliner KURIER / Sabine Gudath

Eine Teilnehmerin der Demo zeigte ein Plakat: „Ich bin nicht schwarz, aber ich sehe euch. Ich bin nicht schwarz, aber ich höre euch. Ich bin nicht schwarz, aber ich kämpfe für euch.“ Zentrales Element der Aktion: Gemeinsam schwiegen die Teilnehmer für acht Minuten und 46 Sekunden. Die Zeit, die Floyd um sein Leben kämpfte.

Auch das derzeit wohl wichtigste Mode-Accessoire, die Mund-Nasen-Maske, hatten die meisten dabei. „Es ist gut, dass von vielen auf ausreichend Abstand und das Tragen von Mundschutz geachtet wird“, schrieb die Polizei auf Twitter. Schnell platzte der Alex aus allen Nähten. „Der Alexanderplatz ist schwarz“, hieß es. Um den Abstand zu gewährleisten, musste zunächst der Verkehr eingeschränkt, der Zugverkehr eingestellt und der Platz abgeriegelt werden. „Damit Sie bei der Versammlung auch weiter ausreichend Abstand zueinander halten können, haben wir die umliegenden Straßen für den Verkehr gesperrt“, verkündete die Polizei und bat darum, nicht mehr zu kommen. Man fürchtete offenbar eine Massenpanik. Ein Hubschrauber beobachtete alles von oben.

Laut Schätzungen der Polizei waren es rund 15.000 Menschen, die sich zum Alexanderplatz bewegten, sagte Polizeisprecherin Anja Dierschke auf KURIER-Nachfrage. Zwischenfälle gab es trotz der Menge nicht. „Die Kundgebung verlief weitestgehend störungsfrei. An einer Baustelle neben der Primark-Filiale kippten Teilnehmer einen Zaun um, um sich auf einen Baucontainer zu setzen. Außerdem versuchten Demonstranten, sich Zugang zu Dächern zu verschaffen.“ Sie kletterten unter anderem auf das Haus der Statistik. Gegen 17 Uhr sei ein Abstrom der Teilnehmer zu spüren gewesen, die Anmelderin habe noch einen Marsch zum Strausberger Platz veranstalten wollen.

Nach der friedlich verlaufenen Demonstration gegen Rassismus am Berliner Alexanderplatz kam es am Samstag laut Polizei zu einem Gewaltausbruch. Aus einer größeren Gruppe heraus wurden vor dem Berolinahaus Steine und Flaschen auf Polizisten und Passanten geworfen, wie eine Sprecherin vor Ort sagte. Dabei wurde auch ein Pressefotograf von einer Flasche getroffen. Er erlitt eine Kopfplatzwunde. Es sei kein gezielter Angriff gewesen, sagte eine Polizei-Sprecherin. Polizisten leisteten Erste Hilfe und riefen einen Rettungswagen. Es gab laut Polizei auch vereinzelt verletzte Polizisten und Festnahmen, wie die Polizei per Twitter mitteilte. Zu genauen Zahlen gab es zunächst keine Angaben.

Gemeinsam schwiegen die Demo-Teilnehmer für acht Minuten und 46 Sekunden - die Zeit, in der George Floyd um sein Leben kämpfte.
Gemeinsam schwiegen die Demo-Teilnehmer für acht Minuten und 46 Sekunden - die Zeit, in der George Floyd um sein Leben kämpfte.Foto: Berliner KURIER / Sabine Gudath

Die Demonstration sorgte im Netz für Anerkennung für die Berliner, aber angesichts der aktuellen Lage auch für Kritik. Auf Twitter meldete sich etwa Bodo Pfalzgraf, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, zu Wort. „Sind die Abstandsregeln heute ausgesetzt, Herr Innensenator?“, schrieb er. „Das bekommen Sie mit schwachen Coronaregeln und ohne Unterstützung von Bund und Ländern dauerhaft nicht in den Griff. Hauptsache wir tragen beim Friseur alle eine Maske.“ Ein Twitter-Nutzer schrieb: „Bei Demonstranten gegen „Rechts“ macht Corona im Übrigen eine Ausnahme. Glaubt man zumindest in Berlin.“

Rund 800 Polizisten waren in der Hauptstadt im Einsatz. Insgesamt waren stadtweit 32 Versammlungen geplant, sagte die Polizeisprecherin. Darunter sind Proteste gegen die Corona-Maßnahmen und ein rechtsextremer Aufmarsch durch das Regierungsviertel. Zusätzlich wollte der für seine veganen Rezepte bekannte Koch Attila Hildmann, der in jüngster Zeit vor allem mit Verschwörungstheorien aufgefallen war, mit einem Autokorso vom Olympiastadion zur Museumsinsel fahren. Eine Kundgebung der rechtsextremen NPD am Potsdamer Platz trug das Motto „White Lives Matter“ und richtete sich damit direkt gegen die Anti-Rassismus-Demo am Alex. Gegen den Aufmarsch der Berliner in Mitte kam diese Partei aber nicht an: Gerade zehn Demonstranten versammelten sich an der Leipziger Straße. Ein klarer Sieg im Kampf gegen Rassismus.