Von bösen Sätteln und guten Helmen

Macht Radfahren wirklich impotent?

Am 3. Juni ist Weltfahrradtag. Zeit für einen Faktencheck rund ums Rad.

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Wie sicher ist Radfahren in Berlin? Der ADFC macht jährlich den Check. 
Wie sicher ist Radfahren in Berlin? Der ADFC macht jährlich den Check. Volkmar Otto

Radfahren ist gesund und gut fürs Klima. Nur im Bett läuft es dann bei Männern nicht mehr? Ob da wirklich was dran ist und ob Helme das Unfallrisiko erhöhen – ein Rad-Check. 

Aufs Rad geschwungen und los geht’s. Zur Arbeit, zum Einkaufen, zur Party. Mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland nutzen das Fahrrad als Verkehrsmittel – mal mehr, mal weniger. Zum Weltfahrradtag (3. Juni) ist es an der Zeit, die Gültigkeit einiger Aussagen rund ums Radeln zu überprüfen.

Behauptung: Berlin ist die Fahrradhauptstadt Deutschlands

Wenn man morgens die Rad-Kolonnen auf dem Weg ins Büro sieht, könnte man meinen, Berlin sei die deutsche Fahrrad-Stadt schlechthin. Gefühlt nutzt jeder oder jede das Rad. Wie zufrieden Radfahrer allerdings mit der Radinfrastruktur in ihrer Stadt sind, fragt jedes Jahr der ADFC. Und hier landet Berlin auf den hinteren Plätzen. 2022 lag Bremen vorn in Sachen fahrradfreundliches Klima, auch in Frankfurt am Main und in Hannover fährt es sich gut, so die Teilnehmer der Studie. In den kleineren Städten liegt Münster immer wieder vorn. Berlin landete in der Klasse der Städte mit über 500.000 Einwohnern auf Platz neun von 14. Da ist noch Luft nach oben. Immerhin gibt es bereits über 20 Fahrradstraßen, das Radnetz soll weiter wachsen.

Behauptung: Radfahren macht impotent

Die Aussage ist so nicht allgemein haltbar, ein gewisses Risiko besteht aber: Ein falsch gewählter oder eingestellter Sattel und eine ungünstige Sitzposition können bei Männern zu (vorübergehenden) Erektionsproblemen führen. Idealerweise verteilt sich das Körpergewicht beim Sitzen auf den beiden Sitzbeinhöckern. Beim Radfahren kommt es jedoch vor, dass der Sitz konstant Druck auf den Damm (Perineum) ausübt, also auf den Bereich zwischen Hodensack und Anus. Das kann Nerven schädigen und den Blutfluss vorübergehend verlangsamen – und das kann wiederum zu einer erektilen Dysfunktion führen.

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Man solle einen Sattel wählen, der breit genug dafür ist, den Druck auf die Bereiche um die beiden Sitzbeinhöcker zu verteilen, rät der Urologe Stefan Staudte in der Sportärztezeitung. Außerdem sei ein Höhenunterschied zwischen hinterer Sitzfläche und Sattelnase wichtig.

Pop-up-Radwege sorgten in Berlin bei den einen für Lust und bei den anderen für Frust. Das Netz an Radwegen soll weiter ausgebaut werden.
Pop-up-Radwege sorgten in Berlin bei den einen für Lust und bei den anderen für Frust. Das Netz an Radwegen soll weiter ausgebaut werden.Berliner Kurier/Markus Wächter

Behauptung: In Deutschland werden immer mehr Räder geklaut

Die Statistik sagt deutschlandweit etwas anderes. 2022 wurden rund 266.000 Fahrräder gestohlen, so die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Zwar waren das knapp 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Doch wenn man die Zahlen langfristig betrachtet, stellt man fest: Noch vor 20 Jahren wurden deutlich mehr Drahtesel-Diebstähle angezeigt – nämlich rund 417.000. Und Mitte der 1990er waren es sogar fast doppelt so viele wie heute (1994: rund 530.000). Das Dunkelfeld ist allerdings groß. Betroffene zeigen den Diebstahl ihres Rads etwa nicht an, weil sie davon ausgehen, dass die Aufklärungs-Chance gering ist.

2022 mehr Fahrraddiebstähle in Berlin

In Berlin allerdings sind die Zahlen 2022 deutlich gestiegen. Insgesamt wurden im Jahr 2022 in Berlin 26.576 Fahrräder gestohlen und damit 13,6 Prozent mehr als im Vorjahr. In bestimmten Bezirken kommen Räder besonders oft weg: Den mit Abstand höchsten Wert bei den Diebstählen erreicht der Bezirk Mitte. Dort gab es 2022 insgesamt 4399 Anzeigen wegen gestohlener Räder. Gefolgt wird der Spitzenreiter vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg: Dort wurden 3972 Fahrräder entwendet. Auf den unrühmlichen dritten Platz kommt Pankow mit 3812 als gestohlen gemeldeten Rädern.

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Was ebenfalls recht kontinuierlich steigt, ist die Summe der Versicherungsleistungen für geklaute Räder. Laut Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) haben die Versicherer 2022 so viel wie nie zuvor für gestohlene Fahrräder an die Versicherten ausgezahlt; rund 140 Millionen Euro waren es. Durchschnittlich je 970 Euro Schaden – ebenfalls ein Höchststand. Diebe hätten es auf hochwertige Rennräder, E-Bikes oder Mountainbikes abgesehen, um sie weiterzuverkaufen, erklärt der GDV.

Behauptung: Gibt es einen Radweg, muss man diesen benutzen

Falsch. Radfahrerinnen und Radfahrer müssen grundsätzlich am rechten Rand der Fahrbahn fahren. Eine Pflicht für die Nutzung eines (von der Fahrbahn abgesetzten) Radwegs gilt nur dann, wenn dieser mit einem der drei blauen Radweg-Schilder gekennzeichnet ist, sagt die Straßenverkehrsordnung (StVO). Ist dieser allerdings nicht angemessen beschaffen, kann man auf die Fahrbahn ausweichen. Bei einem Radweg ohne Schild haben Radlerinnen und Radler immer die Wahl. 

Gibt es ein Schild, muss man den Radweg nutzen. Sonst ist auch das Fahren auf der Fahrbahn erlaubt. 
Gibt es ein Schild, muss man den Radweg nutzen. Sonst ist auch das Fahren auf der Fahrbahn erlaubt. Benjamin Pritzkuleit

Behauptung: Fahrradhelme erhöhen das Unfallrisiko

Die Annahme hinter der Behauptung: Wer einen Helm trägt, fährt riskanter und baut eher einen Unfall. Einzelne Studien unterstützen diese These zwar. Doch haben diese häufig methodische Schwächen – etwa bei Versuchsaufbau oder Vergleichsgruppen. Eine Untersuchung aus Frankreich etwa kam zu dem Ergebnis, dass Männer mit Helm etwas schneller fahren als ohne.

Hier trugen aber nur sehr wenige Fahrer überhaupt einen Helm. Zudem war die Durchschnittsgeschwindigkeit der Fahrer ohne Helm unrealistisch niedrig. Andere Forschende legten in einem Artikel dar, warum die französische Studie die erhobenen Daten unangemessen interpretiere.

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Dass gut sitzende Fahrradhelme effektiv vor Verletzungen des Kopfes schützen, ist hingegen wissenschaftlich unstrittig. Eine große Überblicks-Studie im Auftrag der Verkehrsministerien von Baden-Württemberg und Thüringen (2017) zeigte unter anderem, dass Helme 20 Prozent aller leichten und 80 Prozent aller schweren Kopfverletzungen verhindern können.

Behauptung: Wer betrunken Rad fährt, verliert den Führerschein

Die Promillegrenze beim Radfahren ist im Vergleich zum Autofahren recht hoch angesetzt: Theoretisch erlaubt sind bis zu 1,6 Promille. Im Auto liegt die Grenze bei 0,5 Promille. Wer betrunken auf dem Rad erwischt wird, dem drohen Punkte in Flensburg, eine medizinisch-psychologische Untersuchung und Geldstrafen. Auch der Verlust der Fahrerlaubnis ist möglich. Baut man auf dem Rad einen Unfall oder fährt Schlangenlinien ist schon ab einem Blutalkoholwert von 0,3 Promille mit empfindlichen Sanktionen zu rechnen.