Leben im Kofferraum – über eine Berlinerin, die der Großstadt einfach davon fuhr
Sarah Kringe war in Berlin zehn Jahre lang Pressereferentin und hat dann das getan, wovon viele heimlich träumen. Sie hat ihre sieben Sachen gepackt und ist mit dem Bulli und ihrem Freund losgefahren. Über die wahren Abenteuer eines Van-Lifers jenseits der Instagram-Idylle hat sie ein Buch geschrieben.

Wie ist es, wenn man mit dem neuen Partner, den man eigentlich kaum kennt, in einen drei Quadratmeter großen VW-Bus zieht? Eine Pressereferentin aus Berlin und ein Skilehrer aus den österreichischen Bergen haben es gewagt und sind sieben Monate in einem umgebauten Transporter durch Europa gereist.
Aufbruch in den Traum vom Van-Life
Randvolle Tage als Pressereferentin bei den Grünen mitten im Berliner Polittrubel, eine Beziehung, die in die Brüche geht und tief im Bauch diese Sehnsucht nach Abenteuer. Als Sarah Kringe vor zwei Jahren eine Auszeit vom Job nimmt, ahnt sie nicht, dass ihr Leben bald in ganz anderen Bahnen verlaufen wird. Als sie in Österreich auf einer Reise zu sich selber einen Mann kennen lernt, fasst sie kurz drauf einen Entschluss und bricht alle Zelte in Berlin ab, um mit dem Skilehrer und Elektriker Mathias monatelang auf drei Quadratmetern im Kofferraum eines VW-Busses durch Europa zu fahren.

Früher nannte man es Camping, heute ist Van-Life ein Lebensstil, der junge Menschen nicht erst seit der Corona-Krise anzieht. Einfach losfahren, frei entscheiden, wo der nächste Stellplatz gesucht wird, arbeiten - das geht auch von unterwegs. Als Nomaden auf vier Rädern erfährt sich eine wachsende Community die Welt- wochen-, monate-, manchmal jahrelang.
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Instagram-Posts zeigen nicht die ganze Camper-Wahrheit
Auf Instagram finden sich dann Postings, die die Sehnsucht der Daheimgebliebenen anfeuern. Der Bus vor dem Lagerfeuer an einem einsamen See. Der Blick vom einsamen Berg in die Weite. Doch so easy und idyllisch wie auf den Bildern ist es nicht immer, wie Sarah Kringe erleben wird. Über ihre Erfahrungen auf dem Roadtrip einmal längs durch Europa hat sie ein witziges Buch geschrieben, welches einen ehrlichen Einblick in das Camperleben gibt. Trotz aller Widrigkeiten, die dem frischverliebten Paar begegnen, taufen sie ihren Weg die „Happy Road“.

Auf langen Fahrten in Schweden sitzt Sarah mit dem Laptop auf dem Schoß auf dem Beifahrersitz und hält ihre Abenteuer fest. Sie berichtet von ukrainischen Grillpartys, bei denen ein fieser Schnaps kredenzt wird, wildgewordenen montenegrinischen Schafherden und davon, wie ein Bär versuchte, ihr Nummernschild zu stehlen. Vom Bus, der bei minus 12 Grad im Graben feststeckt, den magischen Polarlichtern in Norwegen und immer wieder von den Menschen, die ihnen auf der Tour freundlich begegnen.
Hier gibt es die besten Wohnmobil-Stellplätze
Der beste Stellplatz auf der sieben Monate langen Tour? „Den gab es in der finnischen Wildnis. Wir fanden eine schon eingeheizte Outdoorsauna am See vor und vom Solarpaneel auf der Schutzhütte baumelt ein USB-Kabel zum Handyladen“, sagt Sarah Kringe. Weil sich die Reisenden entschieden haben, im Herbst in Richtung Norden zu fahren, haben sie die bestens ausgestatteten skandinavischen Rastplätze oft für sich allein.
Dass es aber auch Orte gibt, die nichts mit der Instagram-Idylle zu tun haben, zeigt sich an einem See in Rumänien. Voller Müll und toter Fische am Ufer haben sich dennoch jede Menge Menschen eingefunden, um Party zu machen. Augen zu und durch heißt es da, und am nächsten Morgen schleunigst weiter. „Auf Instagram sieht man nicht, wie es riecht“, sagt Sarah Kringe. Auch am rumänischen Schmuddelsee ließe sich mit dem geschickt gewählten Bildausschnitt Idylle simulieren, ist sie sicher. Auch schlechte Stimmung in beengten Verhältnissen, mieses Wetter, eine Blasenentzündung und kein Klo in der Nähe können aus dem Traum vom unabhängigen Van-Life schnell eine krampfige Veranstaltung werden lassen. Doch was Sarah und Mathias von der Tour mitnehmen ist ein tieferes Verständnis für sich und den jeweils anderen, sowie viel Gelassenheit.

Ausrüstung: das braucht man unbedingt für die Wohnmobil-Tour
Was man unbedingt dabei haben sollte, wenn man die Tour seines Lebens wagt? „Gummistiefel habe ich sehr geschätzt“, sagt Sarah Kringe. Morgens schnell auf taunasser Wiese in die Stiefel schlüpfen sei allemal besser als den ganzen Tag mit nassen Schuhen umherzulaufen. Ansonsten gilt: Man nimmt wohl immer zu viel mit, denn weniger ist unterwegs mehr. Anstelle des riesigen, teuren Vorzelts, das gekauft wurde, um mehr trockenen Stauraum, in dem man auch aufrecht stehen kann, zu haben, erweisen sich zwei Bambusstangen und eine Plane aus dem litauischen Baumarkt als praktikabler.
Als Sarah und Mathias nach sieben Monaten wieder nach Deutschland zurück kehren, ist klar: ihre junge Beziehung hat die Bewährungsprobe bestanden. Sie wollen auch weiterhin gemeinsam durchs Leben rollen. Nächstes Ziel: ein Winter in Marokko, dann irgendwann der Pamir-Highway. Wenn man sein Zuhause mitnehmen kann, gehört einem eben fast die ganze Welt. Das Leben in einer Großstadt wie Berlin aber kann sich Sarah Kringe nicht mehr vorstellen.

Sarah Kringe „Happy Road“, erschienen im Wenn Nicht Jetzt Verlag, 19,95 Euro.