Fehlendes Bein und kaputte Augen
Lass mal sehen, Puppe. Zu Besuch in einer der letzten Puppen-Kliniken Berlins
Renate Herrmann restauriert und repariert Puppen und Kuschel-Teddys aller Art.

Männer kommen mit Teddybären, die deutliche Kuschelspuren aufweisen. Kinder bringen ihre geliebten Begleiter und weinen, wenn Schnuffi, Karlchen oder Mia in der Klinik bleiben müssen. Frau Doktor pupp. Renate Herrmann tröstet dann und sagt, dass sie nur helfen kann, wenn der Patient da bleibt - in der Puppenklinik. In Berlin gibt es keine Handvoll solcher Kliniken mehr, die eigentlich Labor, Restaurationswerkstatt, Sammlerbörse und Archiv in einem sind. Puppen sammeln, das ist wohl ein aussterbendes Hobby. Dennoch hat Renate Herrmann in ihrer Klinik alle Hände voll zu tun.

Eine ganze Generation älterer Damen, die sich einst als kleine Mädchen nichts sehnlicher wünschten, als eine Puppe und selten eine bekamen, weiß nun nicht wohin mit all den gerüschten, porzellangesichtigen Lieblingen. Manchmal rufen sie dann, wie auch an diesem Vormittag, bei der Puppendoktorin Renate Herrmann an und fragen um Rat. Verkaufen? Verschrotten?
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Ganze Nachlässe herrenloser Puppen und Bären müssen irgendwo unterkommen. Die großen Sammlerbörsen, die es in Berlin einmal gab, sind längst passé. Renate Herrmann rät den Anrufern dann, die Käthe Kruse Puppen noch zu behalten. Vielleicht kommt sie ja wieder, die Sehnsucht nach etwas Feinem zum Liebhaben? Nach Steiff-Bären und Schildkröt-Puppen.
Derweil praktiziert Frau Puppendoktor einfach weiter. In einer Einfamilienhaussiedlung in Lichtenrade, weit ab vom Schuss und dennoch frequentiert. Aus ganz Deutschland kommen die Puppen zur Behandlung.

„Ich mache alles“, sagt Renate Herrmann an ihrem Arbeitstisch, der mit allerlei Arztbesteck, Pinseln und zig Aufsätzen für den Diamantbohrer ausgestattet ist. „Sogar Barbies“. Die alten Instrumente ihres Mannes, der einst Zahnarzt war, verwendet die Puppendoktorin nun für die Restauration alter und neuer Puppen. „Gerade die kaputt geliebten Tiere und Puppen seien schwer zu reparieren, man muss sie hinterher unbedingt wiedererkennen, auch der Geruch sei für Kinder wichtig“, weiß Renate Herrmann.
Puppen sammeln aus Leidenschaft
Zum Puppendoktern kam Renate Herrmann übrigens wegen ihrer eigenen Sammelleidenschaft. Ja, sie müsse bestimmt etwas aufholen, lächelt sie. Nach dem Krieg hatte sie lange keine eigene Puppe. Es gab ja nichts. Als einer ihrer späteren Puppen dann einmal bei einem Frisör zur Reparatur musste und der Klotz einfach rosafarbenen Lack auf die Gliedmaßen pinselte, war für Renate Herrmann klar: das kann ich besser.
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Sie besucht Kurse, lernt selber Puppen zu bauen. Die gelernte Schneiderin, die später an der Oper arbeitete und noch später am Zahnarztstuhl mit ihrem Mann, hat sich das Handwerk in allen Facetten erarbeitet. Seit mehr als 40 Jahren übt sie es mittlerweile aus.

In all der Zeit hat sich auch ein ganzes Arsenal an Ersatzteilen zusammengefunden. In Schubladen sind sie sortiert, all die Beine und Arme und auch die Augen. „Sie sind die Seele einer Puppe, die besten kommen aus Lauscha in Thüringen“, sagt die Doktorin. In einem anderen Fach finden sich Mama-Stimmen und Bären-Gebrumm. Kleine runde Döschen, die wenn man sie auf den Kopf stellt, Geräusche machen. In Vitrinen biegen sich die rosafarbenen Körper und Gelenke.
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Die Patienten und Patientinnen lagern geduldig in Körben mit einem Zettelchen am Körper. Hier müssen lose Gliedmaßen mit neuem Rundgummi aufgezogen werden, dort gesprungene Zelluloid-Teile gedichtet und ein Schaf, das als Schlafkissen dient, neu bezogen werden.
Im zerbombten Berlin 1945 den Teddy verloren
Wie wichtig die Puppen-Begleiter und Teddys manchmal sind, hat Renate Herrmann selbst erfahren. 1945 wurde die Wohnung der Familie an der Oberbaumbrücke von Bomben getroffen, alles brannte nieder. Ihren geliebten roten Teddy hat Renate Herrmann seitdem jahrzehntelang vermisst. „Ich habe seitdem immer nach einem solchen Teddy gesucht. Vor vier Jahren schaute er mir endlich in einer Trödelhalle in Thüringen entgegen.“

Renate Herrmann ist 82 Jahre alt, sie liebt ihre Arbeit, und denkt doch darüber nach, was wird, wenn sie die Arbeit einmal nicht mehr machen kann. Ihre Tochter wird die Klinik übernehmen, sagt Frau Doktor. Macht bloß nicht zu, sagen die Kunden. „Na, dann müsst ihr aber auch kommen“, ist Renate Herrmanns Antwort.
Wer sich selber auf den Weg machen will und eine Diagnose einholen möchte, der muss nach dem Schild an der Soldiner Straße 30 in Lichtenrade Ausschau halten. „Dr. pupp. R. Herrmann“ steht da. Und: „Fachärztin für schlackernde Glieder, lose Wimpern, gesprungene Köpfe, klemmende Augen, fehlende Gliedmaßen und zerbröselte Perücken.“ Die Praxis ist mittwochs von 10 bis 18 Uhr geöffnet oder nach Vereinbarung unter der Telefonnummer 745 85 03.
Mehr Informationen unter www.puppenklinik-renate.de