Mehr Neubau und weniger Geschäftsführer

Mieterschutz-Hammer! Landeseigene Wohnungsunternehmen sollen entmachtet werden

Ex-Staatssekretär Andrej Holm und der frühere Chef der Wohnraumversorgung Berlin Jan Kuhnert schlagen vor, die sechs städtischen Gesellschaften unter dem Dach einer Holding zusammenzuführen.

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Mehr Neubau als Ziel. Die landeseigenen Unternehmen sollen noch mehr Wohnungen errichten, wie hier die Howoge an der Rathausstraße in Lichtenberg.<br>
Mehr Neubau als Ziel. Die landeseigenen Unternehmen sollen noch mehr Wohnungen errichten, wie hier die Howoge an der Rathausstraße in Lichtenberg.
Alexander Rentsch

Die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen mit ihren rund 336.000 Wohnungen sollen so umorganisiert werden, dass der Neubau verstärkt, der Service für die Mieter verbessert und die Mietermitbestimmung ausgebaut werden. Das geht aus einem Konzept von Ex-Staatssekretär Andrej Holm und dem früheren Vorstandsmitglied der Wohnraumversorgung Berlin Jan Kuhnert hervor, das der Berliner Zeitung vorliegt.

Holm und Kuhnert schlagen für die nächste Wahlperiode vor, eine Anstalt öffentlichen Rechts zu gründen, die die bisher von der Senatsverwaltung für Finanzen und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wahrgenommene Steuerung der landeseigenen Wohnungsunternehmen bündelt. Damit solle der Wille des Gesellschafters, also des Senats, besser umgesetzt werden, schreiben sie. Zugleich soll der Aufwand von Verwaltung und Parlament zur Steuerung der Unternehmen reduziert und ein effektives Controlling der sechs Gesellschaften eingerichtet werden. Die Studie versteht sich nach Angaben der Verfasser als Diskussionsvorschlag für ein schrittweises Vorgehen – vom Aufbau einer Managementeinrichtung, die die landeseigenen Unternehmen steuert, bis zur Zusammenfassung der Unternehmen in Gestalt einer Holding.

Neubau soll deutlich verstärkt werden

Die Zahl der jährlich neu errichteten Wohnungen muss nach Ansicht von Holm und Kuhnert von bisher rund 3500 (von 2017 bis 2019) auf mindestens 7000 verdoppelt werden, um das Ziel von rund 100.000 Wohnungen in der Hand gemeinwohlorientierter Vermieter bis zum Jahr 2030 zu schaffen. Ziel der Straffung der Entscheidungsprozesse sei „die Erhöhung der künftigen Neubauleistungen durch Ausschöpfung organisatorischer und finanzieller Vorteile des Zusammenführens von bisher sechs parallelen Organisationen“, schreiben Kuhnert und Holm.

Während die Steuerung der Unternehmen zentralisiert werden soll, wollen Kuhnert und Holm die Verwaltung mit Ansprechpartnern vor Ort dezentralisieren – um den Wünschen der Mieter entgegenzukommen. Dazu gehört, dass Aufgaben, die an andere Firmen ausgelagert wurden, wie Hausmeistertätigkeiten, wieder selbst erbracht werden. Bisherige Verträge mit den Fremdfirmen seien baldmöglichst aufzuheben, schreiben Kuhnert und Holm. Dem Personal solle die Übernahme durch die Holding angeboten werden.

Am Führungspersonal soll künftig gespart werden

Am Führungspersonal soll dagegen gespart werden. Für eine Holding des Landes Berlin mit künftig vielleicht 400.000 Wohnungen seien „keine 12 Mitglieder der Leitungsebene erforderlich“, so Holm und Kuhnert. Sechs Vorstandsposten würden ausreichen, je einer für Finanzen, Technik (Neubau/Instandhaltung), Wohnungsverwaltung, Personal, Kommunikation und Mieter-Angelegenheiten. Bisher wird jede der sechs landeseigenen Gesellschaften von zwei Führungskräften geleitet.

Für die Beteiligung der Mieter sind vier Ebenen vorgesehen: Von Haus- und Siedlungsbeiräten auf unterster Ebene über Mieterbeiräte auf Quartiersebene, Mieterräte auf bisheriger Unternehmensebene bis zur Mietervertretung im Aufsichtsgremium der künftigen Holding. Die Interessen der Mitarbeiter sollen von einem Konzernbetriebsrat vertreten werden. Die Rechte der bisherigen Betriebsräte bleiben aber bestehen.

Berliner Mieterverein äußert sich zurückhaltend

Warum Holm und Kuhnert für eine stärkere Steuerung der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) plädieren, erklären die beiden mit folgenden Worten: „Das wiederholte Unterlaufen von politischen Beschlüssen zu Mietverzichten, der Widerstand der Geschäftsführungen gegen höhere WBS-Quoten bei der Wiedervermietung, gegen eine Erhöhung des Anteils von Sozialwohnungen an Neubauprojekten sowie gegen stärkere Beteiligungsrechte der Mieter*innen zeigen, dass die LWU sich von den politisch formulierten Anforderungen an eine öffentliche Wohnungswirtschaft überfordert fühlen.“ Mit WBS-Quote ist der Anteil von Inhabern eines Wohnberechtigungsscheins gemeint.

Die landeseigenen Unternehmen äußerten sich zurückhaltend. Die Studie sei bisher nur „auszugsweise“ bekannt, sagte Ingo Malter, Geschäftsführer der Stadt und Land. Sie werde gerade ausgewertet. Ad hoc lasse sich sagen, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen „deutlich leistungsfähiger“ seien als dargestellt. „Die sechs Unternehmen zusammen sind derzeit der größte Projektentwickler Deutschlands im Sektor Wohnungsbau“, so Malter. „Wir sind der festen Überzeugung, über das derzeitige Leistungsvolumen hinaus zur Beseitigung der Wohnungsknappheit in Berlin beitragen zu können, wenn Aspekte wie Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und Wirtschaftlichkeit der einzelnen Projekte stärkere Berücksichtigung in der Debatte finden.“

Der Berliner Mieterverein (BMV) äußert sich zurückhaltend. Die Studie weise „auf diverse Defizite hin, die aktuell bei der politischen Steuerung der sechs städtischen Wohnungsunternehmen bestehen“, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Der Vorschlag, die Unternehmen in einer Anstalt öffentlichen Rechts zusammenzuführen, stellt allerdings noch keine Antwort auf das Bedürfnis nach einer verbraucherfreundlicheren Bewirtschaftung dar.“ Richtig sei aber, dass nach dem vorgeschlagenen Modell aus rechtlichen Gründen die Stärkung von Mietermitwirkung und Mietermitbestimmung leichter wäre.