Kommt jetzt das 29-Euro-Ticket? Immer mehr Politiker und Experten fordern Billig-Öffi-Ticket für immer
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch erwartet vom Bund rasche Vorschläge für eine Anschlusslösung, weniger Schwarzfahrer ertappt

Was kommt nach dem 9-Euro-Ticket: Zurück zu früher, zu teuren Tickets und einem undurchdringlichem Tarif-Dschungel? Immer mehr Experten und Politiker fordern eine Kehrtwende im Nahverkehr. Jetzt wird ein 29-Euro-Ticket ins Gespräch gebracht.
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Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch erwartet vom Bund rasche Vorschläge für eine Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket. „Ich sehe Herrn Minister Wissing in der Pflicht, den Ländern ein Angebot für ein vergünstigtes bundesweites ÖPNV-Nachfolgeticket zu machen“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag.
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Verkehrsminister Wissing: Tarifdschungel muss gelichtet werden
„Die Bürgerinnen und Bürger haben uns in beeindruckender Weise gezeigt, dass sie den ÖPNV nutzen, wenn es entsprechende Angebote gibt“, so Jarasch weiter. Keine andere Entlastungsmaßnahme sei so unmittelbar bei den Bürgern angekommen wie das 9-Euro-Ticket. „Diesen Zug darf der Verkehrsminister jetzt nicht stoppen.“
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Das 9-Euro-Ticket berechtigt Käufer, für je 9 Euro in den Monaten Juni, Juli und August den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in ganz Deutschland zu nutzen. Mit Blick auf die Zeit danach sprach sich Wissing dafür aus, den „Tarif-Dschungel“ im Nahverkehr dauerhaft zu beseitigen. „Wenn die komplizierten Tarifzonen verschwinden und die Tickets bundesweit gelten, wird der öffentliche Nahverkehr sehr viel stärker genutzt“, sagte Wissing der Neuen Osnabrücker Zeitung. Allerdings könne der Bund nicht auf Dauer ein Monatsticket für 9 Euro finanzieren.
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Unterdessen schloss sich die Grünen-Mobilitätspolitikerin Oda Hassepaß aus dem Berliner Abgeordnetenhaus dem Vorschlag des Bundesverbandes Verbraucherzentralen für ein 29-Euro-Ticket an. „Ich spreche mich für die Einführung eines 29-Euro-Tickets aus“, zitiert der Tagesspiegel die Politikerin. Man müsse jetzt mutig voranschreiten, um die Mobilitätswende zu schaffen. „Diesen Moment verstreichen zu lassen und kein Anschlusskonzept für die Menschen zu schaffen, wäre ein massiver Rückschritt.“
Verbraucherzentralen: Monatsticket sollte 29 Euro kosten
Die Chefin des Bundesverbands, Jutta Gurkmann, sagte, ein leicht buchbares Ticket für alle Busse und Bahnen im Nahverkehr sollte für einen monatlichen Preis von 29 Euro, also rund einen Euro pro Tag, angeboten werden. „Das würde in der Preiskrise alle entlasten, insbesondere aber Haushalte mit wenig Geld, und zudem der nötigen Verkehrswende mehr Schub geben.“
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Ein 29-Euro-Ticket würde sich im Jahr auf 348 Euro summieren. Die Idee ist damit nahe an der eines 365-Euro-Tickets, die SPD und Linke schon seit geraumer Zeit verfolgen.
Das 9-Euro-Ticket lockt einer neuen Umfrage zufolge viele Menschen in Busse und Bahnen, die vorher gar nicht oder nur selten im ÖPNV unterwegs waren. Rund 20 Prozent der befragten Käufer des Tickets gaben demnach an, zuvor den ÖPNV fast nie genutzt zu haben, wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) am Montag mitteilte. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn lässt der Verband jede Woche rund 6000 Verbraucher nach dem 9-Euro-Ticket befragen.
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Dabei zeige sich auch, dass das 9-Euro-Ticket zu Fahrten einlädt, die ohne das Angebot gar nicht erst unternommen worden wären. Rund 25 Prozent der befragten Käufer äußerten sich entsprechend. „Diese deutliche Erhöhung der Nachfrage ist mit Blick auf den Klimaschutz und die Belastungen des Systems kritisch zu hinterfragen“, teilte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff mit.
Wegen 9-Euro-Ticket: Weniger Schwarzfahrer ertappt
Durch das billige Neun-Euro-Ticket sind in den Berliner U-Bahnen und S-Bahnen deutlich weniger Schwarzfahrer aufgefallen als zuvor. Zwischen dem Beginn der Aktion am 1. Juni und dem 24. Juni ertappten die BVG 5355 Fahrgäste und die S-Bahnen 2106 Mitfahrer ohne Fahrkarten, teilten die beiden Unternehmen in einer Antwort des Senats auf eine Linke-Anfrage mit – insgesamt also knapp 7500 Schwarzfahrer bei fast 750 000 Kontrollen.
Im gleichen Zeitraum 2021 wurden insgesamt knapp 50.000 Schwarzfahrer ertappt (27 000 bei der BVG und rund 22.500 in den S-Bahnen) - also weit mehr als sechsmal so viele wie in diesem Jahr. Die BVG verkaufte demnach bis Ende Juni mehr als 1,2 Millionen Neun-Euro-Tickets, die S-Bahn kam auf knapp 500.000. Dazu kamen noch Tickets, die direkt bei der Deutschen Bahn gekauft wurden.
Im Juni seien 16 Prozent mehr Menschen mit U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen der BVG gefahren als im Mai. Bei der S-Bahn gebe es einen Anstieg der Fahrgastzahlen um 10 Prozent, antwortete der Senat auf eine CDU-Anfrage. Ergebnisse von Umfragen legten nah, dass rund sieben Prozent der BVG-Fahrgäste mit einem Neun-Euro-Ticket zuvor nur Auto fuhren.