Klinik auf Rädern in Berlin: Bei Symptomen für einen Schlaganfall sofort handeln
Bei einem Schlaganfall zählt die erste Stunde nach Beginn der Symptome. Doch nur in Berlin rollen die Stroke-Mobile, die die Chance auf wenig bleibende Schäden erhöhen.

Wenn Neurologin Dorothee Kübler-Weller und ihr Team zu einem Schlaganfallpatienten gerufen werden, muss es schnell gehen. Ab jetzt zählt das Prinzip der sogenannten Golden Hour, der goldenen Stunde. Das heißt: Wird der Patient oder die Patientin nach dem Eintreten der Symptome innerhalb der ersten 60 Minuten behandelt, können die gesundheitlichen Folgeschäden erheblich verringert werden. Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute, darin sind sich Experten einig.
Wer in Berlin einen Schlaganfall erleidet, kann Glück haben und das speziell ausgerüstete Rettungsmobil, eine sogenannte Mobile Stroke Unit (MSU), kommt. Darin können die Spezialisten den Patienten noch vor Ort behandeln.
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„Stroke“ ist die englische Bezeichnung für Schlaganfall. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rettungswagen befindet sich an Bord des Mobils ein Computertomograf, mit dem ein CT durchgeführt werden kann. „Der sieht aus wie ein Donut und ist viel kleiner als im Krankenhaus“, sagt Kübler-Weller.
Der Effekt aber ist entscheidend: Durch das CT kann die Ursache des Schlaganfalls noch im Wagen ermittelt und eine sogenannte Lyse-Therapie gegen Durchblutungsstörungen im Gehirn begonnen werden. Normalerweise ist das erst im Krankenhaus möglich.
Drei Stroke-Mobile sind in Berlin im Einsatz
Die möglicherweise lebensrettenden Fahrzeuge sind in Deutschland bislang eine Selteneinheit. Nur drei Stück sind derzeit im Einsatz, alle in Berlin. Täglich rücken sie zwischen 7 und 23 Uhr zur Versorgung von Schlaganfallnotfällen sowie bei Engpässen im Rettungsdienst auch für alle anderen Notfälle aus. Ein Fahrzeug kann etwa eine Million Einwohnerinnen und Einwohner abdecken, erklärt Charité-Neurologe Heinrich Audebert.
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Der Arzt begleitet den Einsatz der Berliner MSUs seit dem Projektstart im Jahr 2011 wissenschaftlich und ist Aufsichtsratsvorsitzender der Europäischen Schlaganfallorganisation sowie Mitglied der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. Pro Jahr würden in der Hauptstadt etwa 1800 Schlaganfallpatienten in einer MSU behandelt.
Mobiles CT wurde im Saarland erfunden
Das weltweit erste seiner Art kommt aber nicht aus Berlin, sondern kam im Jahr 2008 im Saarland zum Einsatz. „Dort, wo man es am wenigstens erwartet“, sagt Neurologe und Konzeptentwickler, Klaus Faßbender. Der Arzt ist Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum des Saarlandes und hatte um die Jahrtausendwende die zündende Idee: „Man müsste eigentlich das CT zum Patienten bringen“, habe er sich damals gedacht.
Es sei frustrierend gewesen, im Krankenhaus zwar das passende Medikament für den Patienten zu haben, den Patienten aber durch den Transport oft zu spät oder gar nicht behandeln zu können. Und so war die Idee der Mobilen Stroke Unit geboren, einem Rettungswagen der alles beinhaltet, was zur Diagnostik und Therapie des akuten Schlaganfalls benötigt wird: CT, Labor, Telemedizin und spezialisierte Medikamente. Derzeit befinde sich das saarländische Fahrzeug zu Forschungszwecken in Großbritannien.
Hälfte der Patienten im Stroke-Mobil ohne bleibende Behinderungen
Schlaganfallpatienten profitieren laut einer Studie der Berliner Stroke-Einsatz-Mobil-Gruppe um Audebert aus dem Jahr 2021 von den Spezialfahrzeugen. Den Ergebnissen zufolge blieben 51 Prozent der Patienten, zu denen eine Mobile Stroke Unit geschickt wurde, ohne bleibende Behinderung im Vergleich zu 42 Prozent der Patienten, die von herkömmlichen Rettungswagen versorgt wurden. Von den in den speziellen Rettungswagen behandelten Patienten starben 7 Prozent, in der Kontrollgruppe waren es 9 Prozent. Durch den Einsatz vor Ort könne circa eine halbe Stunde Zeit eingespart werden, sagt der Neurologe Audebert. Ganz ähnliche Ergebnisse erbrachte eine vergleichbare Studie in den USA.

So viele Menschen haben jährlich einen Schlaganfall
Ein flächendeckender Einsatz der Fahrzeuge könnte demnach für viele Menschen einen lebensentscheidenden Unterschied machen. Immerhin haben jährlich 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall, berichtete die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe anlässlich des Tags gegen den Schlaganfall am 10. Mai. Rund 60 Prozent der Betroffenen seien – etwa durch Lähmungserscheinungen, Sprach- oder Sehstörungen – langfristig auf Therapien, Hilfsmittel oder Pflege angewiesen.
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Warum also gibt es nicht mehr MSUs in Deutschland? „Es ist eine ganz schöne Investition“, sagt Audebert. Nach Angaben eines Sprechers der Berliner Feuerwehr kostet der Einsatz mit einem Rettungswagen der Feuerwehr rund 299 Euro, der für eine MSU mit rund 847 Euro mehr als doppelt so viel. Die große Differenz ist laut Audebert neben den höheren Fahrzeugkosten vor allem auf Personalkosten zurückzuführen. In einem Rettungswagen arbeiteten zwei Einsatzkräfte, in einer MSU drei – ein Neurologe mit zusätzlicher Notarztqualifikation, ein Rettungsassistent und ein medizinischer Technologe für die Radiologie.
Berliner Stroke-Mobile noch bis Ende des Jahres sicher
Allerdings werde das Geld an anderer Stelle wieder eingespart, da ist sich auch der saarländische Kollege Faßbender sicher. Durch die unmittelbare Behandlung einer der laut Faßbender „teuersten Erkrankungen“ am Notfallort würden Aufwand und Kosten beim anschließenden Aufenthalt im Krankenhaus gespart. Vor allem aber auf lange Sicht müsste weniger Geld ausgegeben werden. Denn durch die schnellere Behandlung hätten Patienten später im Schnitt auch weniger Behinderungen und müssten in selteneren Fällen teure Reha-Angebote oder lebenslange Pflegeleistungen in Anspruch nehmen, erklärt Faßbender.
In Berlin sind die Haushaltsmittel für die MSUs noch bis Ende des Jahres sichergestellt. Wie es danach weitergeht, steht noch nicht fest, wie die Senatsverwaltung für Inneres auf Anfrage mitteilte. Viele Städte in Deutschland hätten Interesse an dem MSU-Konzept, sagt Audebert. Ob die Spezialmobile flächendeckend eingeführt werden, sei nun eine politische Entscheidung. Bis dahin steht bereits das nächste Pilotprojekt in den Startlöchern: In Mannheim soll in einem Jahr das erste Spezialfahrzeug Schlaganfallpatienten versorgen.

So erkennen Sie schnell einen Schlaganfall
Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat einen Test bereitgestellt, mit dem sich Anzeichen auf einen Schlaganfall sofort überprüfen lassen. Denn die erste Zeit nach einem Schlaganfall entscheidet über das Ausmaß der Zellschäden im Gehirn. Daher ist es besonders wichtig, einen Schlaganfall und die Symptome zu erkennen. Jede Minute zählt!
Der FAST-Test hilft, einen Schlaganfall zu erkennen
Face (Gesicht):
Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.
Arms (Arme):
Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich.
Speech (Sprache):
Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
Time (Zeit):
Zögern Sie nicht, wählen Sie unverzüglich die 112 und schildern Sie die Symptome.