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Symbolbild Foto: Monika Skolimowska dpa

100 Prozent Betreuung für alle Berliner Kitakinder schon ab dem 22. Juni – das hat der Berliner Senat am Dienstag beschlossen. Auch Früh- und Spätdienste sollten wieder eingerichtet werden. Kita-Verbände aber warnten am Mittwoch: Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) habe mit dieser Ankündigung bei den Eltern zu große Hoffnungen geschürt. „Es wird nicht in allen Kitas gelingen, ab dem 22. Juni Regelbetrieb anzubieten“, sagte Roland Kern vom Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) der Berliner Zeitung. „Und es gehört die ehrliche Information dazu: Infektionsschutz können Sie in Kitas unter diesen Bedingungen größtenteils vergessen.“

Generell begrüßt Kern, wie auch andere Kita-Verbände, die komplette Öffnung. Auch die Kita-Träger halten den aktuellen Zustand nicht mehr für haltbar für Eltern wie Kinder. Die sozialen Folgen seien zu groß, frühkindliche Bildung zu zentral, um sie noch monatelang weiter auszusetzen. Die Kommunikation des Senats aber verärgert Kern. Die Politik mache Versprechungen, von denen klar sei, dass sie nicht flächendecken umgesetzt werden könnten. Doch jetzt bleibe es an den Kita-Trägern hängen, den Eltern diese schlechte Nachricht zu überbringen. Mal wieder.

15 Prozent des Kita-Personals fehlen

Nach wie vor leiden die Kitas unter einem massiven Personalproblem. Laut Senatsbildungsverwaltung fallen von rund 30.000 Berliner Erzieherinnen derzeit rund 5000 aus – das sind gut 15 Prozent. Dabei zählen ältere Angestellte schon seit Wochen nicht mehr automatisch zur Corona-Risikogruppe. Das Robert Koch-Institut hat die Richtlinien verändert. Seither müssen Erzieher und Lehrer einen individuellen Nachweis erbringen. Zu Hause darf also ohnehin nur noch bleiben, wem unabhängig vom Alter eine relevante Vorerkrankung attestiert wurde. Kern geht deswegen davon aus: Bei diesen 15 Prozent fehlendem Personal wird es bleiben.

Nicht alle Kitas seien von dem Mangel gleichermaßen betroffen. Es gebe Kitas, in denen gar kein Personal fehle. Es gebe aber auch Kitas, in denen mehr als 30 Prozent wegfalle. Für solche Einrichtungen gebe es nur zwei Stellschrauben: „Entweder machen sie die Gruppen groß - noch größer als vor der Krise“, sagt Kern. „Oder die Öffnungszeiten werden doch wieder eingeschränkt.“ Die Senatsbildungsverwaltung habe zwar angeboten, dass bei Bedarf mehr Personal eingestellt werden könne. Mehr Geld aber ist nicht geflossen, steht auch noch nicht in Aussicht. „Bisher gibt es kein Angebot für eine Sonderfinanzierung“, sagt Kern.

Kitas, die wieder Früh- und Spätdienste anbieten sollen, hätten außerdem ein besonderes Problem damit, die Gruppen wie von der Bildungsverwaltung gefordert so wenig wie möglich zu durchmischen. Die Zahl der Kinder in Früh- und Spätdiensten sei oft gering, sie müssten wegen der fehlenden Betreuungskapazitäten mit anderen Gruppen zusammengelegt werden. „Kitas mit langen Öffnungszeiten können nicht gewährleisten, die Gruppen voneinander zu trennen“, sagt Kern. Zwar entscheide das Gesundheitsamt im Fall einer Infektion immer im Einzelfall, für Kern ist die logische Konsequenz aber schon jetzt: „Wir behandeln die gesamte Kita als eine Infektionsgemeinschaft. Wenn es einen Fall gibt, muss die ganze Kita schließen.“

So sieht es auch Lars Békési vom Verband der Kleinen und Mittelgroßen Kitaträger (VKMK). Man gehe davon aus, dass im Fall einer Infektion „die gesamte Kita geschlossen wird, nicht nur ein Teil“. Bei bestätigten Coronafällen in Schulen sind die Gesundheitsämter zuletzt dazu übergangen, nur die betroffenen Lerngruppen in Quarantäne zu schicken, die Schule aber offen zu halten. Dafür, glaubt Békési, sei im Kita-System die Sorge der Erzieherinnen und Eltern zu groß. Sein Verband sei gut aufgestellt, leide nicht unter allzu großem Personalmangel. Dennoch geht auch Békési davon aus, dass Früh- und Spätdienste nicht angeboten werden können. „Wir können die Kernbetreuungszeiten anbieten, von 8 bis 16 Uhr.“ Das sei ein immenser Fortschritt.

Viel lüften, viel draußen spielen, Elternkontakt reduzieren

Wie sehr können die Kitas mit der Rückkehr zu normaler Gruppenstärke überhaupt noch auf Infektionsschutz achten? Abstände wurden hier noch nie eingehalten, die Kinder gelten als zu klein. Von den Kita-Verbänden und aus der Senatsbildungsverwaltung lautet die Antwort ähnlich: Es solle viel gelüftet werden, die Kinder sollten viel raus an die frische Luft. Der Kontakt zu Eltern, die Kinder bringen oder abholen, soll so weit minimiert und außerhalb der Einrichtung gehalten werden, wie nur möglich. Ob die Erzieherinnen bei der Arbeit Maske tragen oder nicht, bleibt Trägern und Angestellten überlassen. „Das obliegt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers“, teilt die Bildungsverwaltung mit.

Auch die Bildungsverwaltung kann derzeit nicht einschätzen, wie gut Berliner Kitas die Rückkehr zur Normalität stemmen werden. Das Bild sei bunt, eine „pauschale Antwort“ nicht möglich, sagte Iris Brennberg, Sprecherin der Bildungsverwaltung.  120.000 von 170.000 Berliner Kitakindern seien jetzt schon zumindest in Teilzeitbetreuung. Man wisse, dass die Erhöhung von Betreuungszahl und -zeit für die Kitas eine „Herausforderung“ sei. „Aber was wäre die Alternative?“, fragt Brennberger.