Ein Plakat mit der Aufschrift Kita Come in & Burn Out ist während einer Demonstration vor dem baden-württembergischen Finanzministerium zu sehen. Die Gewerkschaft Verdi hat zu einem landesweiten Aktionstag mit Warnstreiks im Sozial- und Erziehungsdienst aufgerufen.
Ein Plakat mit der Aufschrift Kita Come in & Burn Out ist während einer Demonstration vor dem baden-württembergischen Finanzministerium zu sehen. Die Gewerkschaft Verdi hat zu einem landesweiten Aktionstag mit Warnstreiks im Sozial- und Erziehungsdienst aufgerufen. Marijan Murat/dpa

In Berlin gibt es wahrscheinlich wenige Mütter, die ihre Kitakinder noch nie mit einem schlechten Gefühl in der Krippe oder im Kindergarten abgegeben haben. Nicht nur in der Erkältungszeit herrscht oft Personalmangel, passen oft viel zu wenige Erzieherinnen auf viel zu viele Kinder auf. Betreuungsschlüssel nennt sich das – er passt seit Langem hinten und vorne nicht.

Eine Anfrage an die Bundesregierung untermauert nun das mulmige Gefühl, das Eltern beschleicht, wenn in Kitas Gruppen zusammen gelegt werden müssen, wenn ein Erzieher in der Mitte zweier Räume auf einem Stuhl sitzt und ein Auge auf zwei Gruppen haben muss, wenn fremde Zeitarbeitskräfte kommen, vertraute Erzieherinnen in anderen Gruppen einspringen müssen. Mit umfassender Förderung der Kinder hat das häufig nichts zu tun.  Die Kleinen gehen in eine Einrichtung und sind betreut. Im besten Fall sind  sie mit ihren Freunden beschäftigt. Das wars.

In ostdeutschen Kitas fehlen Erzieherinnen

Besonders prekär ist die Lage dabei in den ostdeutschen Bundesländern. Laut der Anfrage betreuen ausgerechnet hier Erzieherinnen und Erzieher besonders viele Kinder gleichzeitig. Der Personalschlüssel liegt im Osten deutlich über dem Bundesschnitt von 3,8 Kindern pro Fachkraft.

Dass Kinder in die Krippe und in den Kindergarten gehen, ist hier noch tiefer verankert als im Westen. Wenn Mutti frühs zu Arbeit geht… . Dass aber für die eigentlich begrüßenswerte Nachfrage nicht genug Erzieherinnen da sind, ist ein echtes Problem.

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Eine pädagogische Fachkraft in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ist durchschnittlich für insgesamt fünf Kinder unter drei Jahren und somit für zwei Kinder mehr zuständig als in den übrigen Bundesländern, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht.

Wer schon einmal fünf so kleine Kinder zu beaufsichtigen hatte, weiß, dass das nicht funktionieren kann. Da müssen Windeln gewechselt werden, Nasen geputzt, Tränen getrocknet, Weggelaufene eingesammelt, Bücher vorgelesen. Essen , Mittagsschlaf, Buddeln und so weiter und so fort - so ein Kitatag ist für Kinder und Erwachsene harte Arbeit.

Das Kind zu Hause betreuen ist für berufstätige Eltern oft auch kein Option.
Das Kind zu Hause betreuen ist für berufstätige Eltern oft auch kein Option. dpa/Christin Klose

Auch in Kindergartengruppen von Kindern ab drei Jahren liegt der Personalschlüssel in den neuen Bundesländern über dem der alten Bundesländer.

In Mecklenburg-Vorpommern ist es in Kitas besonders schlimm

Besonders viele Kinder betreuten demnach Erzieherinnen und Erzieher in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Fachkraft ist hier für durchschnittlich 5,6 Kinder unter drei Jahren zuständig, im Alter von über drei Jahren sind es im Schnitt 12 Kinder pro Erzieherin oder Erzieher. Damit liegt das Bundesland weit über dem Bundesschnitt. Dieser liegt bei Kindern unter drei Jahren bei 3,8 Kindern, bei Kindern über drei Jahren bei 8,1.

In Kita und Hort sollen Kinder gefördert und angeregt werden. Auf ihre Bedürfnisse einzugehen, dazu ist auf nicht genug Zeit.
In Kita und Hort sollen Kinder gefördert und angeregt werden. Auf ihre Bedürfnisse einzugehen, dazu ist auf nicht genug Zeit. dpa/Monika Skolimowska

Die Angaben, über die zunächst die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte, beruhen unter anderem auf Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz. Demnach klagen Beschäftige in Sozialberufen auch über belastende Arbeitsbedingungen. „Viele Beschäftigte in den Sozial- und Erziehungsberufen arbeiten schon seit Jahren am Limit“, kritisierte der Linken-Politiker Pascal Meiser: „Wenn wir dem Personalmangel in den Sozial- und Erziehungsberufen wirksam begegnen wollen, ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen dringend erforderlich.“ Mit mehr Geld ist da aber nicht allein geholfen.

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Die Gewerkschaft ver.di hat nun zu bundesweiten Warnstreiks aufgerufen. Sie fordert unter anderem, dass die gut 300.000 kommunalen Erzieher und Sozialarbeiter besser bezahlt werden. Laut der Antwort der Bundesregierung leisten alle Beschäftigen dieser Berufe zusammen über 16 Millionen Überstunden im Jahr, etwa die Hälfte davon unbezahlt. Man stelle sich vor, alle würden Dienst nach Vorschrift machen.