Kind im Rollstuhl, Mutter krank: Pankower Familie gefangen in den eigenen vier Wänden
Tina Maurer leidet an Rheuma. Weil sie es nicht mehr schafft, ihr Kind die Treppen herunter zu tragen, sucht sie dringend eine barrierefreie Wohnung.

Tina Maurer sitzt in ihrem Wohnzimmer auf dem Sofa. Die Wände sind mit dezenten gelben Blütenmustern und Schmetterlingen verziert. Doch so leicht und luftig wie die Bilder an der Wand es suggerieren, ist der Alltag der kleinen Familie schon lange nicht mehr. Seit zwei Jahren sucht Tina Maurer, die eigentlich anders heißt, nach einer neuen Wohnung für sich und ihre beiden Kinder, die neunjährige Josephine und den 14-jährigen Jonas. Ohne Erfolg. Doch nun muss dringend eine Lösung her. Josephine leidet an einer Muskelschwäche und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Wegen verschiedener Erkrankungen schafft es ihre Mama seit anderthalb Jahren nicht mehr, Josi die zwei Stockwerke nach unten und nach der Schule wieder nach oben zu tragen. Besserung ist nicht in Sicht.
Vermieter Deutsche Wohnen hat keine passenden Angebote
Tina Maurer kann die Tränen nicht aufhalten. Sie rinnen über ihre Wangen, als sie erzählt, wie schwer es ihr fällt, nicht mit voller Kraft für ihre Tochter da sein zu können.
Acht Jahre lang hat sie ihr Kind dahin getragen, wo es nicht allein hingehen konnte. Josephine leidet an einer Muskelatrophie, ihre Beine sind zu schwach, den Oberkörper zu tragen. Sie hat die Pflegestufe drei, doch nun gerät die Mutter, die sie bei vielen Verrichtungen unterstützen muss, selber an ihre Grenzen.
Unter den einen Arm das Kind geklemmt, in der anderen Hand den Ranzen oder die Einkäufe, so kamen sie bisher mehr schlecht als recht jeden Tag in die Pankower Mietswohnung des Vermieters Deutsche Wohnen im zweiten Stock. Mal war da auch ein Freund, der Josephine morgens die Treppen hinunter trug, mal ein freundlicher Nachbar, der aushalf. Die Familie hat sich bis hierher irgendwie durchgeschlagen. Doch die Diagnose Rheuma und ein kaputtes Knie machen aus Tina Maurer und ihrer Tochter nun immer öfter Gefangene in den eigenen vier Wänden.

„Manchmal kommen wir tagelang nicht hinaus“, sagt Tina Maurer, wenn uns niemand hilft. Der 14-jährige Sohn Jonas tut was er kann, geht für seine beiden Mädels ein kaufen. Doch er ist selber Schüler, fährt jeden Tag bis Bernau in die Schule und ist nicht immer zur Stelle. „Es kann auch keine Dauerlösung sein, dass ständig jemand Josephine tragen soll.“ Eine barrierefreie Wohnung, in der sich Josephine auf ihrem rosa Bürostuhl mit Rollen frei bewegen kann, ein Aufzug oder eine Wohnung im Erdgeschoss würden den Alltag der Familie deutlich leichter machen.

Josi kommt nach den Sommerferien in die dritte Klasse. In der Schule im Kiez ist sie gut integriert, ihre Klassenlehrerin und die Schulhelferin versuchen ihr Bestes. Es wäre also gut, wenn Josi bei einem Umzug in der gewohnten Umgebung und in der Nähe ihrer Freundinnen bleiben könnte.
Dennoch schaut Tina Maurer in der Not auch in einem größeren Radius nach einer neuen, barrierefreien Bleibe: Buch, Karow, Niederschönhausen, Weißensee, Prenzlauer Berg oder Pankow kämen in Frage, auch weil die Ärzte und Therapeuten, die Josi besucht, hier in der Nähe sind. Doch die Suche scheint schier ausweglos. Weil sie ihren Beruf als Hauswirtschafterin in einer Kita aufgeben musste, lebt die Familie von staatlichen Zuwendungen. Das Amt würde die Miete einer neuen Wohnung pünktlich überweisen, doch viele Vermieter wollen sich nicht auf Mieter mit besonderen Voraussetzungen einlassen.
Wohnungssuche in Berlin oft aussichtslos
Tina Maurer weiß nicht, auf wie vielen Wartelisten sie steht. In der Umgebung werden viele neue Wohnungen gebaut, doch auch bei der Gesobau gab es bisher keinen Treffer. Viele Vorhaben werden erst in Monaten fertig, doch es muss jetzt Hilfe her. „Selbst der Schulbesuch ist in Gefahr“, sagt Susanne Krause, die Familienhelferin der Familie. Zur Zeugnisausgabe kam Josephine nur, weil ein Nachbar zufällig zur Stelle war und sie die Treppen hinunter tragen konnte.

Im Kiez hat das Mädchen Freunde
Im Innenhof der Wohnanlage befindet sich ein grüner Garten, Josephines Freundin schiebt das freundliche Mädchen oft im Rollstuhl ums Karree. Oder die Mädchen spielen Tischtennis. Doch all das war schon länger nicht mehr spontan möglich. Dabei ist Bewegung bei Josephines Erkrankung wichtig wie kaum etwas. Die Muskeln im Oberkörper soll sie so oft es geht benutzen.
„Es tut weh, zu sehen, dass Josephine nicht raus gehen kann. Sie langweilt sich zu Hause“, sagt ihre Mutter. Ihr selber steht eine Knie-Operation bevor, sie soll ein neues Gelenk bekommen, doch bisher musste der Eingriff verschoben werden, weil die Entzündungswerte in ihrem Körper zu hoch waren.
„Es zerrt an den Nerven, immer auf Hilfe angewiesen zu sein“, sagt Tina Maurer und hofft, dass sich in diesem Sommer eine ebenerdige Wohnung im Kiez für sie findet. „Letztes Jahr waren wir an der Ostsee im Urlaub“, sagt Josephine. „Das war so schön.“ In diesem Jahr wäre es schon toll, wenn sie zum Spielen auf den Hof käme.