Klima-Volksentscheid in Berlin:  Wahlhelfer sitzen vor einer Wahlurne in einem Wahllokal in Weissensee. 
Klima-Volksentscheid in Berlin:  Wahlhelfer sitzen vor einer Wahlurne in einem Wahllokal in Weissensee.  dpa/Carstensen

Seit September 2021 wissen wir: In Berlin verläuft keine Wahl ohne Pannen. So war es auch am Sonntag, als 2,4 Millionen Menschen in der Hauptstadt zum Klima-Volksentscheid aufgerufen waren. Auch diese Abstimmung verlief offenbar nicht ganz reibungslos, die um 18 Uhr endet.

Bei der Abstimmung will das  Bündnis „Klimaneustart“ erreichen, dass Berlin 15 Jahre früher als geplant – bis 2030 – klimaneutral wird. Dafür soll das Energiewendegesetz des Landes geändert werden. Bis 12.00 Uhr hatten elf Prozent der dazu berechtigten Menschen abgestimmt. „Die Stimmabgabe in den 2208 Berliner Abstimmungslokalen verläuft bisher ruhig – besondere Vorkommnisse wurden nicht gemeldet“, teilte die Landeswahlleitung am frühen Nachmittag mit.

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Dabei gab es Vorkommnisse. Über Twitter teilte eine Berlinerin mit, dass angeblich Menschen ohne Wahlbenachrichtung in einem Wahllokal in Tempelhof abgewiesen worden seien. Das erklärte die Landeswahlleitung auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: „Die Meldung ist uns bekannt.“

Die Nutzerin habe auch angegeben, dass sie das Wahllokal nicht öffentlich machen möchte. „Deswegen ist es für die Landeswahlleitung schwierig, den Sachverhalt direkt zu überprüfen. Darüber hinaus hat sie das Wahlamt informiert, die der Sache nachgeht. Die Landeswahlleitung geht dem ebenfalls nach.“

Klima-Volksentscheid in Berlin: Diese Pannen gab es

Weiter erklärte die Landeswahlleitung, es erreichten sie vereinzelt Beschwerden von Abstimmungsberechtigten, die demnach Briefwahl beantragt haben, die Unterlagen aber nicht erhalten haben und nun nicht im Abstimmungslokal ihre Stimme abgeben können, da sie einen Sperrvermerk haben.

Die Landeswahlleitung erklärte, es sei mehrfach darauf aufmerksam gemacht worden, dass man sich beim zuständigen Wahlamt melden müsse, wenn Briefwahlunterlagen nicht eintreffen. „Zudem haben die Wahlämter auch Bürgerinnen und Bürger telefonisch kontaktiert.“ Im Ergebnis sei es aber heute (am Sonntag) zu spät für diese Betroffenen, da sie ihre Stimme nicht mehr abgeben könnten.

Noch Umwelt- und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) gibt ihren Stimmzettel ab.
Noch Umwelt- und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) gibt ihren Stimmzettel ab. dpa/Christophe Gateau

Um die schärferen Klimaziele zu beschließen, muss bei dem Volksentscheid eine Mehrheit der Wähler dafür stimmen, mindestens aber 25 Prozent der Wahlberechtigten. Nötig sind also rund 608.000 Ja-Stimmen. Gelingt das, gilt das Gesetz als beschlossen und tritt in Kraft. Nach Angaben der Landeswahlleitung stellten die Wahlämter vorab rund 458.000 Abstimmungsscheine aus –  für 18,8 Prozent der Berliner, die zur Teilnahme berechtigt sind. Die Scheine sind die Voraussetzung für eine Abstimmung per Brief.

Das Bündnis „Klimaneustart“ hatte den Volksentscheid mit einer viermonatigen Unterschriftensammlung erzwungen, bei der im Vorjahr rund 260 000 Menschen für das Ansinnen unterschrieben.

Klima-Volksentscheid: Das soll erreicht werden

Zum Inhalt der Abstimmung: Klimaneutralität bedeutet, dass keine Treibhausgase emittiert werden, die über jene hinausgehen, die zum Beispiel durch die Natur aufgenommen werden. Dafür müssten die klimaschädlichen Emissionen etwa von Verbrennerautos, Flugzeugen, Heizungen, Kraftwerken oder Industriebetrieben um etwa 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.

Die Antwort auf die Frage, wie genau das bis 2030 in Berlin erreicht werden soll, überlässt die Initiative bewusst der Politik. Die wichtigsten Stellschrauben sind bekannt: energetische Sanierung von Gebäuden, fossilfreie Energie- und Wärmeerzeugung, Ausbau des ÖPNV und emissionsfreie Autos vor allem mit E-Antrieb. Nötig wären dafür allein in Berlin Investitionen in zwei- oder dreistelliger Milliardenhöhe - unabhängig vom Jahresziel der Klimaneutralität.

Zum Vergleich: Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Die EU will bis 2050 soweit sein. Entsprechend viel Skepsis herrscht bei der Frage vor, ob Berlin das bereits bis 2030 schaffen kann. Die Initiatoren des Volksentscheids und ihre Unterstützer bei Umweltorganisationen, dem Mieterverein, Initiativen und in der Kulturszene, aber zuletzt auch bei Grünen und Linken bejahen das.

Klima-Volksentscheid: Sind die Ziele überhaupt machbar?

Der nach der Wiederholungswahl noch amtierende rot-grün-rote Berliner Senat stufte das in einer Stellungnahme indes als unrealistisch ein. Berlin habe bereits eines der ehrgeizigsten Klimaschutzgesetze Deutschlands und gehöre etwa mit dem 2017 vollzogenen Ausstieg aus der Braunkohle zu den „klimapolitischen Vorreitern“. Von den Bundes- und EU-Zielen beim Klimaschutz könne sich Berlin aber nicht so weit entkoppeln, dass es im Alleingang 15 oder 20 Jahre früher klimaneutral werde.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die Ziele skeptisch. „Ich bin fest davon überzeugt, dass das, was die Bundesregierung sich vorgenommen hat, genau der richtige Weg ist, nämlich dafür zu sorgen, dass wir unser Land technologisch modernisieren“, sagte Scholz in Potsdam. „Da helfen fiktive Daten, die man nicht einhalten kann, nichts.“

Die Abstimmung findet gerade einmal sechs Wochen nach der Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhauswahl statt. Sie fällt mitten in die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD. Beide Parteien wollen eine schwarz-rote Landesregierung bilden und kündigten bereits an, in den kommenden Jahren mindestens fünf Milliarden Euro für mehr Klimaschutz in Berlin ausgeben zu wollen.