Marcus Richter (l.) und Thomas Müller-Burdack haben sich vor zehn Jahren selbständigi gemacht. Ihre Autowerkstatt mit fünf Angestellten und einem Lehrling lief gut. Bis die Coronavirus-Krise kam.<br>
Marcus Richter (l.) und Thomas Müller-Burdack haben sich vor zehn Jahren selbständigi gemacht. Ihre Autowerkstatt mit fünf Angestellten und einem Lehrling lief gut. Bis die Coronavirus-Krise kam.
Foto: Gerd Engelsmann

Berlin - Die Whatsapp-Nachricht ging vor wenigen Tagen an alle Kunden. Es war eine Art Hilfeschrei. Man habe sich zu diesem ungewöhnlichen Schritt entschieden - um klarzustellen: „Die „smarten Jungs“ haben geöffnet und sind weiterhin für Sie da.“

Die „smarten Jungs“, so nennt sich die typenoffene Autowerkstatt „MT Cars“ in Marzahn, wohl, weil hier überwiegend Fahrzeuge der Marke Smart repariert werden.

Das Unternehmen ging vor zehn Jahren an den Start und lief eigentlich ganz gut, wie Marcus Richter, einer der beiden Inhaber der Firma erzählt. Doch wie viele Handwerksbetriebe in der Hauptstadt verzeichnet auch die Werkstatt seit dem Beginn der Coronavirus-Krise einen massiven Einbruch an Aufträgen.

„Die Leute denken, dass Autowerkstätten geschlossen sind. Doch wir gehören zu den sogenannten systemrelevanten Betrieben, die auch weiter geöffnet haben dürfen“, erklärt Richter. Schließlich sei es wichtig, dass die Menschen mobil blieben. Das betreffe auch Senioren, die zum Einkaufen mit dem Auto fahren müssten, also auf das Fahrzeug angewiesen seien.

Vor der Werkstatt stehen ein paar Fahrzeuge. An der Tür zum Büro wird auf einem roten Plakat darauf hingewiesen, dass immer nur ein Kunde eintreten darf. Abstand halten, lautet auch hier die Devise. Auf dem Bürotisch steht eine Flasche Desinfektionsmittel. Nach jedem Kunden werde desinfiziert, versichert Richter. Klinken, Schreibtisch, Stift. Fünf Angestellte und ein Lehrling sowie die beiden Chefs arbeiten bei „MT Cars“.

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Handwerksbetriebe leiden derzeit unter massiven Einbußen

In Berlin gibt es derzeit gut 30.000 Handwerksbetriebe, in denen insgesamt 180.000 Menschen arbeiten. „Die meisten Handwerksbetriebe haben derzeit massive Einbußen“, sagt Daniel Jander, der Sprecher der Berliner Handwerkskammer. Dabei zählten fast all diese Betriebe zu den systemrelevanten Unternehmen. Jander verweist auf eine Sonderumfrage des Zentralverbands des deutschen Handwerks, die Ende März durchgeführt wurde. Demnach verzeichneten die rund 5000 befragten Betriebe einen Umsatzrückgang von 77 Prozent. Mehr als jeder zweite Auftrag wurde storniert.

„Es ist nicht so, dass sich die Leute nun die Küche renovieren lassen, weil sie zuhause sind“, sagt Jander. Die meisten Menschen befänden sich derzeit in einer wirtschaftlich unsicheren Lage, sie würden daher das Geld zusammenhalten. Hinzu komme die emotionale Verunsicherung: „Ältere Leute lassen Handwerker nicht mehr in ihre Wohnung, weil sie sich vor einer Ansteckung fürchten“, erklärt Jander.

Thomas Müller-Burdack, der zweite Inhaber der Autowerkstatt „MT Cars“, sagt, dass sie als Chefs zum Anfang der Kontaktsperre schon Herzrhythmusstörungen bekommen hätten. Die Frage habe im Raum gestanden, wie es weitergehen solle. Ob es eine Zukunft für das Unternehmen geben werde. „Doch wir haben eine Verantwortung für unser Mitarbeiter“, sagt Müller-Burdack. Entlassungen seien für ihn und seinen Kompagnon nie eine Option gewesen. „Wir waren bisher ein gesundes Unternehmen.“

Sie hätten sie gefreut, als der Senat vor zwei Wochen entschieden habe, dass auch Autowerkstätten geöffnet bleiben dürften. Doch dann sei überall berichtet worden, dass es nur in Supermärkte, Drogerien und Apotheken weitergehen würde. Die Aufträge bei „MT Cars“ gingen rapide zurück.

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Soforthilfen vom Land Berlin

Marcus Richter und Thomas Müller-Burdack haben die Soforthilfen vom Land Berlin in Höhe von 5000 Euro und die 9000 Euro vom Bund angefordert. Damit könne man immerhin drei Monatsmieten bezahlen, sagen sie. Richter erzählt, dass er auch Kurzarbeit beantragt habe. Nur für den Fall der Fälle. Als er das seinen Leuten mitgeteilt habe, hätten sie den ganzen Tag nicht mehr mit ihm gesprochen. „Ich verstehe die Reaktion. Schließlich wurden unsere Mitarbeiter damit das erste Mal mit den Auswirkungen des Coronavirus konfrontiert“, sagt der 42-Jährige.

Beide wissen noch genau, wie sie die Krise einholte. Sie hatten für das gesamte Team, wie jedes Jahr, ein Skiwochenende in Tschechien gebucht. Marcus Richter musste den Trip neuorganisieren, weil Tschechien wegen des Virus seine Grenzen schließen wollte. Also wurde es ein Wellnesswochenende auf Rügen. „Schon da gab es kein anderes Thema als Corona“, sagt Richter. Kurz nachdem sie Rügen verließen, wurde Urlauber der Zutritt zu den Inseln verwehrt.

„Ich hatte schon schlaflose Nächte“, sagt Thomas Müller-Burdack. Sein Geschäftspartner Marcus Richter fügt hinzu: „Da ich noch 25 Jahre arbeiten muss, bin ich einfach nur Optimist. Wir werden weitermachen.“ Seit sie die Whatsapp-Nachricht verschickt haben, klingelt das Telefon etwas häufiger im Büro.