Neukölln: Junkie griff zwei Mädchen mit Küchenmesser an – Psychiatrie
Mutmaßlicher Täter soll nach Messerattacke in Berliner Schule in geschlossener Psychiatrie untergebracht werden. 30 Kinder mussten die Tat mitansehen.

Einen Tag nach der Messerattacke auf dem Gelände einer Grundschule in Berlin mit zwei verletzten Mädchen soll der mutmaßliche Täter in einer Psychiatrie untergebracht werden. Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Unterbringung dort statt einer Untersuchungshaft, wie eine Sprecherin der Behörde am Donnerstag sagte. Bei dem Angriff am Mittwoch im Stadtteil Neukölln waren die beiden sieben und acht Jahre alten Mädchen schwer verletzt worden.
Angriff mit dem Küchenmesser
Nach bisherigen Erkenntnissen und Aussagen soll ein 38‑Jähriger die beiden Kinder auf dem Pausenhof der Schule in der Mainzer Straße gegen 15 Uhr mit einem Küchenmesser angegriffen und auf beide – auf die Siebenjährige mehrfach – eingestochen haben, so die Staatsanwaltschaft in einer Mitteilung. Die B.Z. zitiert den Sprecher der Staatsanwaltschaft, Sebastian Büchner, wonach der Täter schon eine längere Drogen-Vergangenheit habe.
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Es habe Auffälligkeiten in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren gegeben, aber nichts Wesentliches, sagte Büchner der Zeitung: „Es gab keine Erkenntnisse, dass er zu Gewalttaten neigt.“ Aktenkundig sei Berhan S. laut der Zeitung Welt unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Leistungserschleichung, Betäubungsmitteldelikten und Sachbeschädigung.
Alarmierte Rettungskräfte brachten die Schülerinnen in Krankenhäuser, wo sie sofort operiert wurden. Beide Kinder sind mittlerweile stabil, hieß es weiter.
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Etwa 30 Schülerinnen und Schüler haben den Messerangriff an einer Grundschule in Berlin mitangesehen. Auch Erzieher des Hortes der Evangelischen Schule Neukölln, die die Kinder am Mittwochnachmittag betreuten, hätten die Tat beobachtet, sagte die Sprecherin der Evangelischen Schulstiftung der EKBO.
Junkie greift Schülerinnen an
Einsatzkräfte des Polizeiabschnitts 55 nahmen den Tatverdächtigen schließlich noch in der Nähe des Tatorts fest. Es gibt keine Erkenntnisse zu einem Motiv des Beschuldigten. Doch es soll Anhaltspunkte für „eine möglicherweise durch Betäubungsmittel induzierte psychische Erkrankung vorliegen“.
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Der Beschuldigte hat die Tat inzwischen eingeräumt. Er wird heute wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Noch am Donnerstag muss der Richter über seine Unterbringung entscheiden.

Auch das vermeintliche Tatwerkzeug wurde bereits sichergestellt. Die weiteren Ermittlungen haben die 5. Mordkommission des Landeskriminalamtes und die Staatsanwaltschaft Berlin übernommen.
An der Evangelischen Schule in Neukölln gibt es nach Angaben von Schulstiftungs-Sprecherin Christina Reiche am Donnerstag und Freitag keinen Unterricht, das Gebäude stehe aber allen betroffenen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern offen. Es wurde ein Ort in der Schule eingerichtet, an dem Kinder Blumen ablegen und gemeinsam das Erlebte verarbeiten können. Eine Andacht für die Schulgemeinschaft sei in Planung.
Die Schule soll in dieser und der kommenden Woche von Sicherheitskräften bewacht werden. Ob es auch eine längerfristige Sicherung geben werde, darüber werde beraten, so die Sprecherin.
Einzelfall und Tragödie nicht zu verhindern
Einige Eltern warteten am Donnerstag vor dem Gebäude, in dem psychologische Hilfe angeboten wird. Gemeinsam mit dem Bezirk Neukölln, der Landeskirche und der Bildungsverwaltung gibt es vor Ort ein breites Unterstützungsangebot der Schulstiftung, unter anderem mit Seelsorgern.
Der örtliche Kirchenkreis Neukölln hat zwei Kirchen geöffnet, darunter die Martin-Luther-Kirche, in denen weitere Seelsorge-Angebote gemacht werden. Kinder und Angehörige können hier Kerzen anzünden.

Die Kirche in der Fuldastraße ist heute bis 21 Uhr geöffnet, morgen ab 8 Uhr können Menschen kommen und gemeinsam verarbeiten, was geschah. Pfarrerin Christine Radziwill geht auf die Bedürfnisse der Besucher ein: gemeinsam weinen, still sein, beten oder sprechen, alles ist möglich. Auf einem der Zettel, die Besucher hinterlassen haben, steht der wohl dringlichste Wunsch: „Lieber Gott, mach, dass die beiden Mädchen wieder gesund werden.“
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Aus Sicht des Senats war die Tat ein „absoluter Einzelfall und eine Tragödie“. Der Schutz vor Angriffen, so gut man ihn überhaupt gewährleisten könne, sei an Berliner Schulen sehr gut vorhanden. Der Fall sei aber nach derzeitigem Stand nicht zu verhindern gewesen. Das Personal an Berliner Schulen sei für Notfälle dieser Art geschult. „Ein Restrisiko wird man niemals ausschließen können“, so eine Sprecherin.
Weitere Schülerinnen und Schüler seien Augenzeugen der Tat gewesen, sagte die Sprecherin. Der Angriff habe in der Nachmittagsbetreuung, im Hort, stattgefunden, während die Kinder auf dem Schulhof gespielt hätten. Nun sei die Schule am Donnerstag und Freitag als „Begegnungsstätte“ geöffnet. Es herrsche aber keine Schulpflicht.
Wer kommt in den übervollen Maßregelvollzug
Wer im Rausch oder Wahn einen Menschen getötet und verletzt hat, gilt als nicht oder vermindert schuldfähig – und wird durch ein Gericht im Krankenhaus des Maßregelvollzugs untergebracht. Die Häuser auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf sind gesichert mit Stacheldraht und hohen Plexiglas-Wänden.
Der Berlin Maßregelvollzug gilt als chronisch überbelegt. In einem Interview mit der Berliner Zeitung schilderte kürzlich der Leiter der Anstalt: „Es gibt zwei große Gruppen: Patienten mit schizophrener Psychose, die in der Regel ein Körperverletzungsdelikt begangen haben. Denen etwa durch Stimmen etwas eingegeben wurde oder die durch wahnhafte Verkennungen ihnen unbekannte Personen angegriffen haben. Und es gibt Suchtmittel missbrauchende oder von Suchtmitteln abhängige Rechtsbrecher, die Beschaffungskriminalität oder Betäubungsmittelstraftaten verübt haben. Wie überall in der Psychiatrie sind die Patienten eher jung.“
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Man sehe eine Zunahme drogenbedingter Psychosen. Sie würden verursacht durch Cannabis, Amphetamine, Kokain oder – jetzt gehäuft – durch Crystal Meth, das sehr schnell schwere Psychosen auslöse. „Wir haben vermehrt Aufnahmen von psychotischen Patienten“, so Chefarzt Sven Reiners.
Aus dem Maßregelvollzug kann man schon nach der Hälfte der Strafe entlassen werden und nicht erst nach zwei Dritteln wie im Strafvollzug. Von den 541 ordnungsbehördlich genehmigten Betten sind derzeit über 600 belegt.