Brandbrief der Bademeister

Jugendgewalt im Freibad: Bespuckt, bepöbelt und provoziert

Sozialarbeiter fordert: Holt die Eltern der Pöbler mit ins Boot. 

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Im Berliner Columbiabad in Neukölln musste wiederholt die Polizei anrücken, um die Lage in den Griff zu bekommen.
Im Berliner Columbiabad in Neukölln musste wiederholt die Polizei anrücken, um die Lage in den Griff zu bekommen.Volkmar Otto

In einem Brandbrief äußerten sich schon im Juni Mitarbeiter der Berliner Bäder-Betriebe über die Zustände dort. Der Tagesspiegel berichtet über den Brief, nachdem das Berliner Columbiabad in Neukölln tageweise wohl bis zum Ende der Woche geschlossen bleibt. Mitarbeiter haben sich krankgemeldet, nachdem es wiederholt zu Auseinandersetzungen und Schlägereien mit Jugendlichen am Beckenrand kam. 

„Sie haben es verdient, bespuckt und geschlagen zu werden“

Im Brief schildern die Mitarbeiter das, was an der Tagesordnung sei: „verbale Attacken, das Spucken oder Pöbeln“. Frech soll ein Jugendlicher zu einem Mitarbeiter gesagt haben: „Sie haben es verdient, bespuckt und geschlagen zu werden.“ Weiter schreiben die Mitarbeiter vom „untragbaren Ausmaß der Umstände“. Mitarbeiter würden „bewusst psychisch terrorisiert“ – „weit über ihre Belastungsgrenze hinaus“.

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Frauen und Minderheiten, besonders Trans- und queeren Menschen, werde immer häufiger Gewalt angedroht.„Einlasskontrollen werden nicht gründlich durchgeführt“, bemängeln die Mitarbeiter. „Durch die Rudelbildung der Jugendlichen und aufgrund des Zeitaufwandes ist es kaum möglich, Hausverbote durchzusetzen und zu registrieren.“ Auch ist das Sicherheitspersonal teils nicht ausreichend qualifiziert, Straftaten anzuzeigen, auch hier fehlen Deutschkenntnisse. Der Vorwurf: Gezielt provozieren Gruppen etwa an der Rutsche Staus, um Pöbeleien anzufangen. 

Fäkalien in den Freibad-Büschen

Eklig: „Fäkalien werden in und vor den Büschen ausgeschieden, Wände und Sanitäranlagen werden mit Urin und Kot beschmiert.“ Den Mitarbeitern werde gedroht: „Ich weiß, wo du um 21 Uhr Feierabend machst, und dort warte ich auf dich!“ oder „So etwas wie die Silvesternacht wird es jetzt auch im Columbiabad geben“, lauten die Sprüche. Die Täter sind laut Tagesspiegel-Bericht Jugendliche aus arabischen Familien und teilweise auch Tschetschenen. 

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„Wir haben um Hilfe gebeten, es wird viel geredet, aber es passiert nichts. Wir können nicht mehr“, beklagte ein Mitarbeiter gegenüber dem Tagesspiegel.

Wie kann die Lage in den Freibädern beruhigt werden

Die Mitarbeiter fordern in dem Brandbrief „in der Hauptzeit Zugang und Tageskarten nur für Familien mit Kindern, ständig Polizei vor Ort, nur Online-Tickets und namentlichen Einlass, bessere Zäune, bessere Sicherheitsmitarbeiter“. 

Im Sommerbad Neukölln wurde schnell auf den Brandbrief reagiert. „Noch am selben Tag war die Regionalleitung vor Ort, um mit dem Team Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu besprechen“, schreibt eine Sprecherin auf Kurier-Anfrage. Anschließend seien mögliche Maßnahmen mit weiteren Führungskräften und dem Vorstand erörtert worden. Auch die Polizei ist verstärkt mit ins Boot geholt worden.

Workshops mit externen Experten für Krisenintervention für BBB-Teams wurden organisiert. „Diese werden ausgewertet und ggf. weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht“, hieß es weiter. Außerdem sei den Mitarbeitern im Sommerbad Neukölln psychologische Betreuung angeboten worden.

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Doch der Wunsch, nur bestimmte Zielgruppen ins Bad zu lassen, wird sich nicht verwirklichen lassen: „Nicht alle Maßnahmen, welche die Sicherheit erhöhen könnten, wie z.B. Zugangsbeschränkungen, stehen den BBB als Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge offen“, sagt die Sprecherin.

Auch die Wiedereinführung von Zeitfenstern sei ohne die Grundlage staatlicher Corona-Verordnungen in der Praxis nicht durchführbar. Der Vorstand der Bäderbetriebe, Johannes Kleinsorg, kann die Sorge der Mitarbeitenden nachvollziehen und hat bereits öffentlich erklärt, dass die Arbeitssituation in den Bädern durch das Verhalten einiger Badegäste für die Mitarbeitenden extrem belastend ist. „Die BBB werden daher weitere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr prüfen, dazu gehört auch eine konsequentere Durchsetzung von Hausverboten.“

Sozialarbeiter will Eltern der Pöbler ansprechen

Kazim Erdogan, Vorstand des Vereins Aufbruch Neukölln und Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen
Kazim Erdogan, Vorstand des Vereins Aufbruch Neukölln und Vorsitzender des Berliner Beirats für FamilienfragenChristoph Soeder/dpa

Der Berliner Sozialarbeiter Kazim Erdogan plädiert angesichts der Auseinandersetzungen im Berliner Columbiabad dafür, auf die Eltern von auffälligen Jugendlichen zuzugehen. „Ich bin mir sicher, wenn ich zu den Familien dieser jungen Menschen gehen würde und das darstelle, was sich abgespielt hat, dann werden 90 Prozent der Familien sagen, wir haben davon nichts gewusst“, sagte Erdogan, Vorstand des sozialen Vereins Aufbruch Neukölln und Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

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„Ja, die Behörden könnten härter durchgreifen, aber alleine mit härteren Strafen und Strafmaßnahmen ist keine Schule zu machen“, betonte Erdogan. Er fordert Angebote für Eltern dieser jungen Menschen, Infoveranstaltungen zu Themen wie Gewalt oder Drogen. „Ich schreie seit Jahrzehnten, dass wir Kontakt zu den Familien aufnehmen müssen.“ Wenn man es nicht schaffe, die Eltern für diese Themen zu sensibilisieren, dann werde vieles auf der Strecke bleiben. Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht sollte ein Jugendgipfel nach Lösungen für arabische Jugendliche, die sich in Berlin von staatlichen Autoritäten ab oder gegen sie wenden, suchen. Für die Jahre 2023 und 2024 sollen rund 90 Millionen Euro ausgegeben werden, um vorhandene Strukturen in Schulen und Sozialarbeit zu stärken.

Nancy Faeser will Polizei in den Bädern

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich in der laufenden Debatte für eine Polizeipräsenz in den Einrichtungen ausgesprochen. Der Rechtsstaat müsse gerade in öffentlichen Schwimmbädern, wo viele Kinder und Jugendliche seien, hart gegen Gewalt vorgehen, sagte Faeser. „Das heißt auch: Polizeipräsenz. Ich will das ganz deutlich sagen.“

Die Ministerin verwies zudem auf die große Bedeutung von Prävention. Es müsse „ganz früh“ dafür gesorgt werden, dass Kinder und Jugendliche nicht gewalttätig werden. „Kinder sind von sich aus nie gewalttätig, sie werden durch Umstände so gemacht“, sagte Faeser. Konkret müsse nach möglichen Ansatzpunkten in Kitas und Schulen geschaut werden, auch Prävention gegen häusliche Gewalt sei an dieser Stelle wichtig.