Landeswahlleiter Stephan Bröchler sieht nicht so fröhlich aus. Wenn die Wiederholungswahl in Berlin wieder in die Grütze geht, werden alle auf ihn zeigen.
Landeswahlleiter Stephan Bröchler sieht nicht so fröhlich aus. Wenn die Wiederholungswahl in Berlin wieder in die Grütze geht, werden alle auf ihn zeigen. dpa/Karsten Koall

Zweimal werden wir noch wach ... Am Mittwoch wird der Berliner Verfassungsgerichtshof wohl entscheiden, ob die Abgeordnetenhauswahl und die Wahl zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen wegen der vielen Pannen am 26. September 2021 wiederholt werden müssen. Für die politische Landschaft in Berlin könnte das erhebliche Folgen haben. Die Karten werden in der Landespolitik dann möglicherweise ganz neu gemischt.

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Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kann nicht sicher sein, ob sie den Chefinnen-Sessel im Roten Rathaus gegen die Grüne Bettina Jarasch behaupten zu können, und dann ist da auch noch Kai Wegner von der CDU. Bei der letzten Sonntagsfrage (infratest dimap, 21. September 2022) für Berlin, wen man denn aktuell ins Abgeordnetenhaus wählen würde, kamen die Grünen auf 22 (2021: 18,9) Prozent, die CDU auf 21 (18), die SPD auf 17 (21,4), die Linke auf 12 (14), die AfD  auf 10 (8) und die FDP auf 6 Prozent (7,1). 

Dass komplett neu gewählt wird, scheint ausgemacht: Der Gerichtshof hatte das Ende September bereits angedeutet. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl habe es eine Vielzahl von Fehlern gegeben, hieß es in einer vorläufigen Einschätzung in der mündlichen Verhandlung. Nach Einschätzung des Gerichts hatten sie durchaus Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Parlaments und die Verteilung der Mandate. 

Zweite Auflage der Berliner Wahlen am 12. Februar?

Gerichtspräsidentin Ludgera Selting hatte erklärt, nur durch eine komplette Wahlwiederholung könne ein verfassungskonformer Zustand herbeigeführt werden. Hat sich an der Bewertung des Gerichts nichts Gravierendes geändert, muss sich Berlin nach der Urteilsverkündung am Mittwoch auf eine Wahlwiederholung innerhalb von 90 Tagen einstellen. Als wahrscheinlicher Termin gilt nach Einschätzung des Landeswahlleiters Stephan Bröchler der 12. Februar. 

Noch am Wahltag gab es Kritik wegen langer Schlangen vor Wahllokalen, falschen Stimmzetteln, fehlenden Wahlurnen, überforderten Wahlhelfern und der Tatsache, dass in vielen Wahllokalen auch noch deutlich nach 18 Uhr Stimmen abgegeben werden konnten. Berlin war wieder mal als Pannenhauptstadt in den Schlagzeilen.

Der Verfassungsgerichtshof Berlins trat zur mündlichen Verhandlung in einem Hörsaal der FU zusammen.
Der Verfassungsgerichtshof Berlins trat zur mündlichen Verhandlung in einem Hörsaal der FU zusammen. epd/Christian Ditsch

Vier Abstimmungen und ein Marathon am Wahltag 2021

Am Superwahltag war einiges zusammengekommen: Der Berlin-Marathon erschwerte das Durchkommen in der Stadt, so dass fehlende Wahlzettel nicht schnell nachgeliefert werden konnten. Dann musste unter Pandemie-Bedingungen gewählt werden, was Zeit kostete. Und es gab gleich vier Abstimmungen: zum Berliner Abgeordnetenhaus, zum Bundestag, zu den Bezirksparlamenten und über einen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen.

Sollte das so sein und sollte sich der Landesverfassungsgerichtshof am Mittwoch in seinem Urteil für eine Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl aussprechen, dürfte es zwei Wahltermine geben. Dann müssten die Berliner im Februar zunächst über ihre Volksvertretungen abstimmen und in den betreffenden Wahlbezirken später noch einmal über den Bundestag.

Mehr Geld für Wahlhelfer, damit sie auch erscheinen

Pannen wie im September 2021 soll es bei der Wahlwiederholung nicht noch einmal geben. Die Regierende Bürgermeisterin hat als Ziel ausgegeben, künftige Wahlen müssten reibungslos ablaufen, solche Fehler wie zuletzt dürften nie wieder passieren. So sollen mindestens 38.000 Wahlhelfer zum Einsatz kommen, nicht nur 34.000. Sie sollen außerdem besser geschult werden und eine deutlich höhere Entschädigung erhalten. Etliche waren am 26. September 2021 gar nicht erschienen.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin. Am Sonnabend scharte sich die SPD bei ihrem Parteitag um sie.
Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin. Am Sonnabend scharte sich die SPD bei ihrem Parteitag um sie. Carsten Koall/dpa

Landeswahlleiter Stephan Bröchler kündigte außerdem mehr als zwei Wahlkabinen in den Wahllokalen an. Auch Stimmzettel sollen deutlich mehr bestellt werden als beim vorigen Mal.

Bröchler legt zudem Wert auf eine engere Verzahnung der Landeswahlleitung mit den Verantwortlichen der Bezirke: Nur wegen des  Chaos' 2021 war allen klar geworden, dass die damalige Landeswahlleiterin Petra Michaelis, die dann als Bauernopfer zurücktrat, gar keine Weisungsmöglichkeiten gegenüber dem bezirklichen Wahlämtern hatte.

Das Ergebnis der Berlin-Wahlen vom 26. September 2021 in Prozent (oben) und die daraus folgende Sitzverteilung im Abgeordnetenhaus.
Das Ergebnis der Berlin-Wahlen vom 26. September 2021 in Prozent (oben) und die daraus folgende Sitzverteilung im Abgeordnetenhaus. Grafik: dpa. Quelle: Landeswahlleiterin

Im Berliner Nachtragshaushalt sind 39 Millionen Euro für die Wiederholungswahlen auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene reserviert - das ist dreimal so viel wie 2021 zur Verfügung stand.

Die Folgen der Wahlwiederholung, bei denen dieselben Kandidaten wie 2021 antreten, sind schwer vorherzusagen. Aber dass die   Wähler fast eineinhalb Jahre später noch einmal genauso entscheiden wie im September 2021, glaubt wohl niemand. Die rot-grün-rote Regierungskoalition muss damit rechnen, dass es auch auf einen anderen Senat hinauslaufen könnte.

Ampel-Koalition will Bundestagswahl nur in einem Fünftel der Wahllokale wiederholen lassen

Die teilweise Wiederholung der Wahl zum Bundestag dürfte dagegen kaum spürbare Auswirkungen auf dessen Zusammensetzung haben. Der Bundestag hatte am Donnerstag mit den Stimmen der Ampel beschlossen, dass nur in 431 von 2257 Stimmbezirken neu gewählt werden muss. Es ist aber noch nicht ausgemacht, dass auch die Bundestagswahl in Berlin komplett neu stattfinden muss. Es gibt Kritik der Union und der AfD an der geringen Zahl der Stimmbezirke, in denen erneut Wahlen durchgeführt werden müssen.

Es kann immer noch sein, dass sie das Bundesverfassungsgericht anrufen. Die Vorsitzende des Bundestags-Wahlprüfungsausschusses, Daniela Ludwig (CSU), hatte von Fehlern in deutlich mehr Wahllokalen gesprochen und die Klage bereits vor einer Woche zumindest als Möglichkeit erwähnt.