Wer zapft uns ein frisches Bier? Berlin droht ein Restaurant- und Kneipensterben, weil Kellner sich in der Corona-Krise neue Jobs gesucht haben.
Wer zapft uns ein frisches Bier? Berlin droht ein Restaurant- und Kneipensterben, weil Kellner sich in der Corona-Krise neue Jobs gesucht haben. Foto: Imago

Droht der Hauptstadt bald ein Restaurant-Sterben? Denn die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) schlägt Alarm: Im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnen die Berliner Lokale und Hotels eine dramatische Abwanderung von Fachkräften. Innerhalb des vergangenen Jahres haben etwa 20.600 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte den Job geschmissen. Damit ist fast jeder fünfte Beschäftigte der Branche weg, weil Gastro-Betriebe wegen der Lockdown-Maßnahmen lange schließen mussten.

Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Danach waren 82.931 Berliner zum Jahreswechsel 2020/2021 beschäftigt.  Genau ein Jahr zuvor – vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie – waren es noch 103.566.

Und die Lage könnte sich noch verschärfen. Angesichts des zweiten Lockdowns, der bis in den Mai hinein dauerte, dürfte sich der Personal-Schwund bis heute nochmals erhöht haben, befürchtet NGG-Landeschef Sebastian Riesner. „Viele Menschen schätzen es, nach langen Entbehrungen endlich wieder essen zu gehen oder zu reisen. Aber ausgerechnet in der Sommersaison fehlt einem Großteil der Betriebe schlicht das Personal, um die Gäste bewirten zu können.“

Restaurant-Sterben droht: Viele Mitarbeiter arbeiten nun im Supermarkt

Für die Situation macht Riesner insbesondere die Einkommenseinbußen durch die Kurzarbeit verantwortlich: „Gastro- und Hotel-Beschäftigte arbeiten sowieso meist zu geringen Löhnen. Wenn es dann nur noch das deutlich niedrigere Kurzarbeitergeld gibt, wissen viele nicht, wie sie über die Runden kommen sollen“, sagt er.

Laut der Gewerkschaft hätten sich Kellner, Köche oder auch Hotel-Bürokräfte sich woanders einen neuen Job gesucht. „Wenn die gut ausgebildeten Fachkräfte in Anwalts- oder Arztpraxen die Büroorganisation übernehmen oder in Supermärkten zwei Euro mehr pro Stunde verdienen als in Hotels und Gaststätten, dürfe es niemanden überraschen, dass sich die Menschen neu orientierten“, heißt es in einer Mitteilung der NGG.

Auch ein Mangel an Köchen könnte in Berlin für ein Restaurant-Sterben sorgen.
Auch ein Mangel an Köchen könnte in Berlin für ein Restaurant-Sterben sorgen. Foto: dpa

„Schon vor Corona stand das Gastgewerbe nicht gerade für rosige Arbeitsbedingungen. Unbezahlte Überstunden, ein rauer Umgangston und eine hohe Abbruchquote unter Azubis sind nur einige strukturelle Probleme. Die Unternehmen haben es über Jahre versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt“, kritisiert Landeschef Riesner.

Neue Arbeitskräfte für die fehlenden Mitarbeiter zu bekommen, sei für Wirte und Hoteliers nun schwierig. Das läge auch an der allgemeinen schlechten Bezahlung, so NGG-Chef Riesner. Sicher seien viele Lokale und Hotels nach wie vor schwer durch die Pandemie getroffen.

Die Gewerkschaft NGG verweist aber auf die Finanzhilfen des Staates und erklärt, Hotels und Gaststätten könnten sich im Rahmen der Überbrückungshilfen in diesem Monat bis zu 60 Prozent der Personalkosten bezuschussen lassen, wenn sie ihre Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückholen. „Klar ist: Jeder Kellner oder Koch freut sich darauf, endlich wieder Gäste empfangen zu können“, sagt Riesner. „Auf diese Motivation können die Betriebe bauen, und sollten das Personal nicht erneut durch prekäre Löhne und schlechte Arbeitszeiten verprellen.“