Inzidenz-Jojo: Wert steigt wieder über 100, Gastro-Öffnungen rücken in die Ferne
Der pendelnde Inzidenzwert erschwert mögliche Lockerungen in Berlin. Dabei stehen die meisten Gastronomen für Öffnungen ab diesem Wochenende bereit.

Michael Pankow ist für diesen einen Tag vorbereitet. Der Betreiber der Ganymed Brasserie in Mitte macht sich dieser Tage Gedanken über Warenbestellungen, plant Personal ein. Gäste, die auf seiner Terrasse sitzen, könnten unweit der Friedrichstraße schon am Wochenende Speisen und Getränke bei einem Blick auf die Spree genießen. Sie könnten. Denn dieser eine Tag, an dem die Berliner Gastronomie nach Monaten im Lockdown wieder öffnen darf, rückt erneut in die Ferne.
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Nachdem die Sieben-Tage-Inzidenz am Freitag (98,6) und Sonnabend (97,0) in Berlin seit langem wieder unter die Marke von 100 gerutscht war, liegt sie laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) an diesem Montag wieder darüber, nämlich bei 100,8. Erst wenn sie an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unter 100 bleibt, könnte gelockert werden. Was bedeutet dieser Wert, der sich nun um die Zahl 100 einzupendeln scheint, für Berlins öffentliches Leben?
„Über weitere Schritte und Konsequenzen wird der Senat am Dienstag in seiner Sitzung beraten.“
Von möglichen Lockerungen in Kultur und Gastronomie noch in dieser Woche ist damit nicht auszugehen. Dabei hatten besonders Restaurants und Cafés darauf spekuliert, dass sie ihre Außengastronomie zum Wochenende hin öffnen können, sagt Thomas Lengfelder, Geschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. „Wir haben noch keine Information seitens des Senats“, sagt er. Auf Anfrage der Berliner KURIER teilt Senatssprecherin Melanie Reinsch hierzu kurz und knapp mit: „Über weitere Schritte und Konsequenzen wird der Senat am Dienstag in seiner Sitzung beraten.“
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte im Hinblick auf die verschiedenen Ankündigungen einzelner Bundesländer: „Es sollte kein politischer Wettbewerb der Lockerungen“ entbrennen. Wenn die Länder sich entschlössen, Einrichtungen zu öffnen, sollten sie darauf achten, dass es für Aktivitäten im Freien sei. „Ich kann mir vorstellen, dass es bei der Außengastronomie oder dem ein oder anderen Fußballspiel möglich sein könnte, wieder Publikum zuzulassen.“ Wichtig sei jedoch, das alles mit einer flankierenden Teststrategie zu untermauern.

Auch wenn Michael Pankow Ende dieser Woche betriebsbereit ist, um jederzeit öffnen zu können, fordert er eine klare Aussage bei leicht schwankenden Inzidenzwerten. „Wir brauchen Verlässlichkeit“, sagt er. Liegen die Werte beispielsweise an drei aufeinanderfolgenden Tagen bei 101, müsste die Gastronomie dennoch ab dem übernächsten Tag wieder schließen. „Das kann ja keiner bezahlen. Wenn wir öffnen, müssen wir dauerhaft öffnen dürfen. Alles andere ist unsinnig“, sagt Pankow.
Eine Kulanz bei Werten knapp über der 100er-Marke hält Niko Härting nicht für denkbar.
Dehoga-Chef Lengfelder teilt diese Meinung. „Es muss eine klare Ansage dazu geben, was passiert, wenn der Wert nach einem Wochenende mal knapp über 100 liegt“, sagt er. Einen Buchladen könne man kurzfristig auf- und zusperren. In der Gastronomie ginge das nicht. „Viele Gastronomen sind momentan verunsichert“, so Lengfelder.
Eine Kulanz für Gastronomie oder Kultur bei Inzidenzwerten knapp über der 100er-Marke hält Niko Härting nicht für denkbar. Man habe die Bundesnotbremse gemeinsam vereinbart, sagt der Rechtsanwalt für Wirtschaftsrecht. „Da kann der Berliner Senat auch bei solch minimalen Werten nicht von abweichen“, so Härting. Handlungsspielraum für Lockerungen gebe es nur unter dem Inzidenzwert 100.

Mirko Meuche stresst dieses ewige Hin und Her. Dem Betreiber des Café März im Prenzlauer Berg fehlt eine langfristige Perspektive – vor allem für Angestellte in der Gastronomie. Für Meuche ist es aktuell besonders schwierig, kurzfristig Personal zu finden und einzuarbeiten.
Zahlreiche Kellner und Köche hätten inzwischen neue Jobs im Impfzentrum oder in einer Teststation. „Die kommen so schnell nicht zurück. Es weiß ja keiner, ob die Gastronomie nicht in einigen Wochen wieder geschlossen ist“, sagt Meuche. Er setzt deshalb zunächst auf ein abgespecktes Konzept. Weniger Personal, mehr Selbstbedienung, die Küche bleibt erstmal dicht. „Aber natürlich will ich gerne so schnell wie möglich öffnen.“