Internes Papier eines Pflegedienstes setzt Mitarbeiter unter Druck
Das juristisch heikle Schriftstück eines Brandenburger Geschäftsführers bezüglich einer Impfung seiner Mitarbeiter gelangte an die Öffentlichkeit und wird nun in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert.

Ein internes Schreiben eines Pflegedienstes in Hennigsdorf (Brandenburg), das auch dem KURIER zugespielt wurde, sorgt in den sozialen Netzwerken für Furore. Grund ist, dass der Geschäftsführer in Verbindung mit seinen Neujahrswünschen für die Belegschaft ankündigt, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen für Mitarbeiter möglich seien, die sich nicht impfen ließen. Seine juristisch delikate Botschaft ist nun ohne seine Zustimmung an die Öffentlichkeit gelangt.
Ungeimpfte Beschäftigte bedeuteten eine Gesundheitsgefahr für die Kunden, so hieß es in dem Schreiben des Geschäftsführers Herbert Weiss, das auch dem KURIER vorliegt. Auslöser für das Schriftstück vom 6. Januar war offenbar eine Umfrage zur Impfbereitschaft unter dem Pflegepersonal. „Die Rückmeldungen fielen zum Teil enttäuschend aus“, teilte der Verfasser in seinem Schreiben mit. Natürlich bestehe keine Pflicht zur Impfung, betonte er. Gleichzeitig habe man aber eine Sorgfaltspflicht gegenüber den Kunden zu erfüllen, die es verhindere, Personal, welches nicht die Möglichkeit einer Schutzimpfung nutze, einzusetzen.
Das Schriftstück gelangte in die sozialen Netzwerke und wird seitdem vielfach geteilt. Es löste bei Facebook Kommentare wie „Es beginnt bereits mit Nötigung und Erpressung in Deutschland“ und „Mal gucken, wie lange die Angstmache klappt, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kann man halt nicht weg bekommen“ sowie „Jetzt versuchen sie, den mittelbaren Zwang einzuführen“ aus.
„Falschmeldungen“ und „wilde Spekulationen“
Der KURIER versuchte, den Geschäftsführer und Autor des Schreibens vergeblich mehrfach telefonisch zu erreichen. Auch auf eine schriftliche Anfrage reagierte er nicht. Auf der Homepage seines Unternehmens hat er nun eine allgemeine Erklärung an die Presse verfasst: Es sei nicht nur bedauerlich, sondern auch in Anbetracht der in den letzten Tagen eingegangenen teils heftigen Anfeindungen und Drohungen gegen das Unternehmen und Privatpersonen erschreckend, dass eine ausschließlich interne Abstimmung nach außen getragen und aus dem Zusammenhang gerissen werde und mit Falschmeldungen und wilden Spekulationen und Behauptungen versehen im Internet kursiere. Worum es gehe? „Es geht um den Schutz vor einem sehr gefährlichen Virus. Es geht darum, dass jeder gefordert ist, sein Bestes zur Eindämmung beizutragen, die Risikogruppen, die wir als Pflegedienst täglich versorgen, zu schützen und sich selbst nicht zu gefährden. Damit stehen wir als Arbeitgeber und Dienstleister für besonders von der Pandemie betroffene Bevölkerungsgruppen in der Verantwortung, möglichst weitgehend sowohl den Arbeits- als auch den Infektionsschutz zu gewährleisten. Leider wird die Diskussion um alles, was mit diesem Thema in Zusammenhang steht, oft missbraucht und, wie an unserem Beispiel deutlich wird, genutzt, um Frust, Angst, Hass und Überforderung an uns stellvertretend für alle Unsicherheiten einzelner Menschen auszulassen.“
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Bereits vor wenigen Tagen berichtete der KURIER über einen Zahnarzt aus Bayern, der eine Impflicht durch die Hintertür erzielen will. Kann einem Arbeitnehmer wegen einer Impfverweigerung überhaupt gekündigt werden? „Es ist völlig unmöglich, in das medizinische Selbstbestimmungsrecht des Mitarbeiters einzugreifen. Arbeitsrechtlich mag das Unternehmen ein bestimmtes Interesse verfolgen, es geht aber nicht so weit, dass der Arbeitnehmer verpflichtet werden kann, sich mit einem nicht langzeitgetesteten Impfstoff impfen lassen zu müssen“, sagt Volker Loeschner, Berliner Fachanwalt für Medizinrecht. Auch der Arbeitsvertrag könne dahin gehend nachträglich nicht geändert werden. Das Schreiben sei in seinen Augen komplett sittenwidrig, rechtswidrig und unverhältnismäßig.