Er sollte eigentlich schon im Serengeti-Park stehen

Interflug-Airbus: Letzter DDR-Jet steckt im tiefsten Westen fest

Nach seinem Dienst bei der Ost-Airline und der Bundeswehr sollte das Flugzeug die neue Attraktion in einem Tierpark bei Hannover werden. Doch Behörden und Bäume verhindern einen  Transport dorthin.

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Der Airbus A310 der DDR-Fluggesellschaft Interflug auf dem Rollfeld in Schönefeld: Im Oktober 1989 flog er von dort zum ersten Mal ab.
Der Airbus A310 der DDR-Fluggesellschaft Interflug auf dem Rollfeld in Schönefeld: Im Oktober 1989 flog er von dort zum ersten Mal ab.Interflug/Abteilung Werbung/Archiv

Er war einst der Star der DDR-Fluggesellschaft Interflug auf dem Flughafen Schönefeld. Ein Airbus 310, der zu den ersten und auch drei letzten West-Fliegern gehörte, die sich der SED-Staat Monate vor dem Mauerfall 1989 leistete. Nun hat das ausgediente Flugzeug, das nach Interflug-Ende noch 30 Jahre im Dienste der Bundeswehr flog, eine „Bruchlandung“ im Westen Deutschlands hingelegt. Es steckt seit Monaten auf dem Flughafen Hannover (Niedersachsen) fest. Dabei sollte die 2021 ausgemusterte Maschine schon längst als neue Attraktion im nahen Serengeti-Freizeitpark stehen.

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Am 20. August 2021 war der DDR-Airbus, der nun unter dem Kennungsnamen „Kurt Schumacher“ flog, zu seiner letzten Mission für die Bundeswehr aufgebrochen. Von Usbekistan aus wurden mit der Maschine 158 gerettete Flüchtlinge aus Afghanistan nach Deutschland gebracht – darunter waren bis zu 40 Kinder und Jugendliche. Die Reise endete in Hannover. Von dort sollte dann später der letzte DDR-Flieger in den Serengeti-Freizeitpark, einem Tierpark, gebracht werden, der den Flieger von der Bundeswehr erworben hatte und der aus der Maschine ein Restaurant machen wollte. Die Eröffnung war für den Sommer 2022 geplant.

Der letzte DDR-Flieger im Luftwaffen-Look: So kam er im September 2021 auf dem Flughafen in Hannover an. Von dort soll er eigentlich in den nahen Serengeti-Park  gebracht werden.
Der letzte DDR-Flieger im Luftwaffen-Look: So kam er im September 2021 auf dem Flughafen in Hannover an. Von dort soll er eigentlich in den nahen Serengeti-Park gebracht werden.Ole Spata/dpa

Doch dort ist der letzte DDR-Interflug-Flieger nie angekommen. Ohne Leitwerk und Tragflächen steht das im bundeswehrgraulackierte Flugzeug noch immer auf dem Flughafen Hannover. Denn die Behörden der Region Hannover haben bis heute nicht den Schwertransport genehmigt, der den 47 Meter langen und 79 Tonnen schweren Rumpf des Fliegers in das 50 Kilometer entfernte Hodenhagen bringen sollte, wo der Serengeti-Freizeitpark (220 Hektar groß, über 1500 Tiere und 40 Fahrgeschäfte) beheimatet ist.

In der Tat ist der Transport keine einfache Sache. Der Weg über die Autobahn geht nicht, da der Flugzeugrumpf mit einem Durchmesser von über fünf Metern nicht durch die Brücken passen würde. Bleibt nur der Weg über Bundes- und Landstraßen. Da machen aber die Behörden nicht mit.

Letzter DDR-Flieger: Auf dem Weg zum Serengeti-Park stehen ihm Bäume und Behörden im Weg

„Für die Überführung des Rumpfes der Maschine auf der Straße wären nach einem Fachgutachten allein in der Region Hannover über 200 Bäume durch Rückschnitte und mögliche Schädigungen betroffen“, teilt ein Behördensprecher der Region Hannover auf KURIER-Anfrage mit. Einige der betroffenen Bäume befinden sich im Landschaftsschutzgebiet Ellernbruch, in dem ein Rückschnitt  von Bäumen verboten ist. „Der Transport wäre nur zulässig, wenn die Region Hannover eine naturschutzrechtliche Befreiung von diesem Verbot erteilen würde“, so der Sprecher.

Der Serengeti-Park hatte dafür einen Antrag gestellt. Der erste wurde bereits im Oktober 2022 abgeschmettert. Die Untere Naturschutzbehörde teilte mit, dass eine Befreiung von dem Verbot in der Landschaftsschutzgebietsverordnung Ellernbruch nicht erfolgen kann.

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Die Masai-Mara-Anlage des Serengeti-Parks: Hier soll der letzte DDR-Airbus für immer geparkt werden.
Die Masai-Mara-Anlage des Serengeti-Parks: Hier soll der letzte DDR-Airbus für immer geparkt werden.Serengeti-Park

Nun prüfte die Region Hannover die Rechtslage. Auch dort sah man keine Gründe zur Aufhebung des Verbots. Bereits im Mai 2023 teilte der zuständige Umwelt- und Baudezernent Jens Palandt (Grüne) mit: „Das vom Serengeti-Park vorgelegte und von uns geprüfte Gutachten zeigt, dass auf der gesamten Strecke im Bereich der Region Hannover 752 Astschnitte an insgesamt 241 Bäumen sowie die Fällung eines Großbaums in Vorbereitung des Transports notwendig gewesen wären.“

Fabrizio Sepe, Geschäftsführer des Serengeti-Parks, steht September 2021 in dem DDR-Airbus, den er von der Bundeswehr bekam.
Fabrizio Sepe, Geschäftsführer des Serengeti-Parks, steht September 2021 in dem DDR-Airbus, den er von der Bundeswehr bekam.Ole Spata/dpa

Da dies im Landschaftsschutzgebiet zu „Schädigungen am Baumbestand“ geführt hätte, liegen nach Ansicht des Dezernenten keine „Gründe für die Erteilung einer Befreiung“ vor. Ein Behördensprecher erklärte dem KURIER, dass sich an dieser Ansicht bis heute nichts geändert hat.

Allerdings räumte Palandt ein, man wolle mit dem Serengeti-Park im Gespräch bleiben, um Alternativ-Routen zum Transport des letzten DDR-Jets auszuloten, die der Freizeitpark vorlegen müsste. Aber auch dabei gibt es Schwierigkeiten, macht der Dezernent klar.

Letzter DDR-Flieger: Möglicher Transport frühestens ab Oktober

Selbst einen Transport, der nicht durch geschütztes Gebiet führt, „aber Eingriffe in den Baumbestand an der Strecke zur Folge hätte, schließe ich für die Brut- und Setzzeit, also vor dem 1. Oktober 2023, ausdrücklich aus“, sagt der Grünen-Politiker. Denn laut dem Bundesnaturschutzgesetz ist der Beschnitt von  Bäumen während der Brut- und Nistzeit von Vögeln im Zeitraum vom 1. März bis 30. September verboten. Ein genehmigungsfähiger Transport könnte frühestens im Herbst durchgeführt werden, so Palandt.

Der Serengeti-Park habe gegen die Entscheidung der Region Hannover Widerspruch eingelegt. Man sei mit den Behörden weiter im Gespräch, sagte ein Sprecher dem KURIER. „Wir werden unseren Plan nicht aufgeben, das geschichtsträchtige Flugzeug zu uns in den Freizeitpark zu holen.“

In der Tat hat der einstige Interflug-Star deutsch-deutsche Geschichte geschrieben. Den Airbus erhielt die DDR 1989 mit zwei weiteren Westmaschinen des Typs A310 durch Vermittlung des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und Airbus-Aufsichtsratschef Franz Josef Strauß. Der DDR kostete der Deal etwa 420 Millionen Westmark. Strauß hatte zuvor mit einem Milliardenkredit dem klammen SED-Staat ausgeholfen.

DDR-Airbus: Nach dem Mauerfall flogen Ostdeutsche mit ihm nach Mallorca

Der letzte DDR-Airbus 1990 in Schönefeld: Nach dem Mauerfall flogen Ostdeutsche mit dieser Maschine nach Mallorca.
Der letzte DDR-Airbus 1990 in Schönefeld: Nach dem Mauerfall flogen Ostdeutsche mit dieser Maschine nach Mallorca.Interflug/Abteilung Wertbung/Archiv

Für die Interflug gab es sogar eine Sonderanfertigung. Die Mittelstrecken-Maschine wurde mit einem Extratank ausgerüstet. So konnte die DDR-Airline erstmals nonstop nach Havanna fliegen. Mit dem Flugzeug ging es auch nach Dubai, Singapur und  Peking. „Meistens saßen Passagiere aus dem Westen in der Maschine“, erinnerte sich ein einstiger Interflug-Pilot. Allerdings nicht lange. Im Oktober 1989 trat der A310 den Dienst bei der Interflug an, wenige Tage später fiel die Berliner Mauer. Bis zum Ende der Interflug (1991) flogen mit der Maschine auch Ostdeutsche mit – unter anderem nach Mallorca.

Danach stand der Airbus, der auf dem Namen des SPD-Politikers Kurt Schumacher getauft wurde, 30 Jahre lang im Dienst der Luftwaffe. Er brachte Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan, Helfer mit medizinischem Gerät und Hilfsgütern in Krisenregionen oder holte Bürgerkriegs-Opfer aus Jordanien nach Deutschland. Mit dem einstigen Interflug-Flieger wurden Hilfstransporte in den brasilianischen Teil des Amazonas geflogen. Auch nach Wuhan brachte die Maschine im Frühjahr 2020 Hilfsgüter. Danach wurden mit ihr Ausländer aus der chinesischen Stadt evakuiert, in der damals die Corona-Pandemie ihren Anfang nahm.

Auf dem Flugplatz Wunstorf in Niedersachsen startet der A310 im August 2021 zu seiner Afghanistan-Mission. Es war der letzte Einsatz des einstigen DDR-Jets für die Bundeswehr.
Auf dem Flugplatz Wunstorf in Niedersachsen startet der A310 im August 2021 zu seiner Afghanistan-Mission. Es war der letzte Einsatz des einstigen DDR-Jets für die Bundeswehr.Hauke-Christian Dittrich/dpa

Im Serengeti-Park ist man ganz sicher, dass der letzte DDR-Flieger dort seinen Altersruhesitz finden wird, über dessen Kaufpreis man genauso schweigt, wie über die Transportkosten. Verraten wird nur, wie die Zukunft des Flugzeuges aussehen wird. Es wird eine neue Lackierung erhalten, auf denen Tiere zu sehen sein sollen. Die Kabine, in der einst über 200 Passagiere saßen, wird zu einem Restaurant, von denen aus die Gäste auf Giraffen und Antilopen schauen können. Wann der Traum endlich Wirklichkeit werden wird, ist allerdings noch unklar.