In die Röhre geguckt: Das Abwasser verrät, wie verbreitet Omikron ist
Berliner Forscher und die Wasserbetriebe untersuchen, welche Virus-Varianten aus Berlins Klos ins Abwasser gelangen

Der Lokus bringt es an den Tag: Omikron macht inzwischen 90 Prozent der Corona-Infektionen in Berlin aus. Das zeigen Abwasser-Analysen des Max-Delbrück-Centrums und der Wasserbetriebe. Anfang Dezember hatte der Anteil noch bei fünf Prozent gelegen. Ob erkrankt oder ohne Symptome infiziert: Im Stuhlgang von Menschen, die sich angesteckt haben, sind Erbinformationen der Viren zu finden. Und von der Toilette aus gelangen sie nach dem Spülen in der Kläranlage.
Im Februar 2021 hatten mehrere Teams des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin begonnen, im Berliner Abwasser nach dem Erbgut des Coronavirus zu suchen. Seit Dezember fahnden die die MDC-Forscher auch nach der neuen Omikron-Variante. Erste Zwischenergebnisse liegen nun vor.
So stieg der Anteil von Omikron in den Abwasserproben, die das MDC untersucht hat, bereits im Laufe des Dezembers 2021 rasant: von fünf Prozent am 8. Dezember über 40 Prozent am 23. Dezember bis hin zu 65 Prozent am 29. Dezember. Am 5. Januar 2022 lag der Anteil bei 90 Prozent, Delta war praktisch verdrängt. Das Ergebnis bestätigt Analysen, die das Labor der Berliner Wasserbetriebe gemacht hat. Auch sie zeigen im Verlauf des Dezembers steigende Anteile der Omikron-Variante.
Das computergestützte Analyse-Werkzeug mit dem vertrackten Namen PiGx SARS-CoV-2“ hat mehrere Vorteile. Es ist unabhängig vom Zählen von Corona-Tests oder von Erkrankungen, und es ermöglicht einen Blick in die Zukunft. „Die Ergebnisse sagen verlässlich vorher, ob die Inzidenz in den kommenden Tagen zu- oder abnehmen wird“, sagt die beteiligte Forscherin Vic-Fabienne Schumann. Ihr Kollege Emanuel Wyler: „Mithilfe der von uns entwickelten mathematischen Modelle lassen sich bedenkliche Varianten vielleicht sogar aufspüren, bevor sie klinisch relevant werden.“
Abwasser als Frühwarnsystem?
Untersuchungen des Abwassers sind in Deutschland noch nicht als Teil eines Corona-Frühwarnsystems etabliert – weder für bekannte noch für ganz neue Virusvarianten. Dennoch überwachen die Berliner Wasserbetriebe seit Juli 2021 regelmäßig und aus eigenen Mitteln an mehreren Stellen das Abwassernetz.
Beim MDC hofft man, dass ein bundesweites Programm zur Suche nach Corona-Viren im Abwasser aufgelegt und mit EU-Geldern gefördert wird. Welche Rolle Berlin dabei spielen kann, ist noch nicht klar, aber am 19. Januar soll es dazu eine Anhörung im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses geben. „Andere Länder, beispielsweise Schweden, die Niederlande und Italien, sind da sehr viel weiter“, sagt MDC-Forscherin Schumann. „Vielleicht hilft unser Tool aber dabei, die Situation auch hierzulande zu verändern.“