In der Liebig 34 wird jetzt aufgeräumt

Eric Richard
Vor der Liebigstraße 34 liegt ein mannshoher Sperrmüllhaufen: Regalbretter, ein 70er-Jahre-Sofa, eine Lautsprecherbox. Männer in gelben Westen und mit Bauhelm tragen Inventar und Sperrmüll auf die Straße und verladen es in einen Container. Schaulustige bleiben stehen und beobachten das Treiben, das einige als Nachspiel eines dramatischen Krawall-Wochenendes sehen, das sich an die Räumung des „anarcha-queer-feministischen Wohnprojektes“ Liebig 34 anschloss. Rund 2000 vermummte Linksradikale, die zum Teil aus dem europäischen Ausland angereist waren, hatten aus Protest gegen die Räumung in der Nacht zum Sonnabend in Mitte demonstriert und randaliert. Auch in den darauffolgenden Nächten gab es im Zeichen der Solidarität mit der „Liebig 34“ immer wieder Sachbeschädigungen, Autos gingen in Flammen auf.
„Es ist nicht vorbei. Es fängt jetzt erst richtig an“, sagt eine Anwohnerin von schräg gegenüber. „Der Hausbesitzer wird keine Ruhe haben.“ Die Frau macht kein Hehl daraus, dass sie die Bewohnerinnen des geräumten Hauses sympathisch fand. „Meine Mädchen“, sagt sie.
Die Unternehmensgruppe Padovicz, der das Haus gehört und die die Räumungsklage gegen die Bewohnerinnen gewonnen hatte, hat ein Aufräumkommando geschickt, das gleich am Freitagnachmittag in das Haus einrückte. Die Männer in den gelben Westen sprechen kein Deutsch. Auch sonst wollen sie nicht reden. Sie würden aus Tschetschenien stammen, sagen Anwohner. Ebenso die von Padovicz angeheuerten Security-Leute. Tschetschenen haben den Ruf, in diesem Gewerbe nicht zimperlich zu sein. In der Szene der Clans, die ebenfalls in das Sicherheitsgewerbe vorgedrungen sind, hätten sie bereits eigene Strukturen aufgebaut, sagen szenekundige Ermittler aus dem LKA.
Die Polizeisperren, die die Rigaer- und die Liebigstraße abriegelten, sind inzwischen abgebaut. Neben dem Sperrmüllcontainer rollt ein Funkwagen vorbei. Einer von den Gelbwesten guckt aus einem Fenster und reißt den Rest eines Transparentes herunter. Ein junger Mann auf einem Fahrrad bleibt stehen. „Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagt er. „Das war hier tagelang nicht auszuhalten. Die Belagerung durch die Polizei, der ganze Krach, die Demos.“ Allerdings fürchtet er jetzt auch, dass der Kiez immer eintöniger und teurer wird. „Inzwischen gehen vierzig Prozent meines Geldes für die Miete drauf“, sagt er. Am Haus gegenüber hängen große Transparente: „Liebig lebt“. „Keine Macht für niemand“. „Padovicz enteignen“.
Mit den randalierenden Linksextremisten und der Unternehmensgruppe Padovicz treffen genau „die Richtigen“ aufeinander. Denn Padovicz ist als Miethai verschrien und für seinen Umgang mit den Bewohnern seiner zahlreichen Häuser berüchtigt. Die Unternehmen bilden ein undurchsichtiges Konstrukt. Wie es mit dem Haus an der Liebigstraße weitergeht, ist unklar. Bei der Unternehmensgruppe Padovicz ist niemand zu sprechen.
Ruhe wird aber so schnell nicht einkehren. Am späten Montagabend wurde wieder einmal die Polizei gerufen. Wachleute des Hauseigentümers und Sympathisanten der ehemaligen „Liebig 34“-Bewohnerinnen waren aneinandergeraten.
Alles fing offenbar damit an, dass eine Frau gegen 22.15 Uhr vor dem geräumten Haus eine Kerze aufstellte und ein Wachmann sie austrat. Dann stritt sich die Frau mit vier Wachleuten. Nach Darstellung der Polizei beleidigte und bespuckte man sich dann offenbar gegenseitig. Der Streit mündete darin, dass die Security-Männer mit Brecheisen, Schaufeln und einer Eisenstange drohten, woraufhin die Frau unbekannt gebliebene Frau flüchtete. Wenig später sollen dann etwa 30 Vermummte erschienen sein und die Wachleute mit Flaschen beworfen haben. Als die Polizei anrückte, waren die Vermummten weg.
Im Internet veröffentlichten Linke anschließend Fotos der „Padovicz-Schlägertrupps“, die jeden bedrohen würden, der zu lange stehen bleibt oder der fotografiert. Die Polizei leitete derweil Ermittlungsverfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und Landfriedensbruchs ein.