Immer teurer: So brutal ziehen die Preise für Eigentumswohnungen in Berlin an
Neuer Wohnmarktreport zeigt, wie sich die Preise entwickelt haben. In bisher preiswerten Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf steigen die Forderungen besonders stark.

In Berlin ziehen nicht nur die Mieten immer weiter an, auch Eigentumswohnungen werden immer teurer – selbst im unteren Marktsegment, also bei den günstigsten zehn Prozent der Eigentumswohnungen. Hier stiegen die Preise im vergangenen Jahr um 9,5 Prozent auf einen mittleren Angebotspreis von 2809 Euro je Quadratmeter Wohnfläche an. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Wohnmarktreport Berlin 2021 der Bank Berlin Hyp und des Immobiliendienstleisters CBRE hervor.
In Marzahn-Hellersdorf, dem preiswertesten Bezirk, wurden die günstigsten zehn Prozent der Eigentumswohnungen zwar noch zu einem mittleren Preis von 2145 Euro je Quadratmeter offeriert, doch entspricht dies einem Plus von 17,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das höchste Preisniveau für die günstigsten zehn Prozent der Wohnungen fand sich im vergangenen Jahr in Friedrichshain-Kreuzberg (3671 Euro je Quadratmeter), gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf (3418 Euro je Quadratmeter) und Pankow (3200 Euro).
Eingeflossen in den Bericht sind knapp 30.000 Kaufangebote für Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser sowie mehr als 33.000 Mietwohnungsangebote aus dem vergangenen Jahr. Die Mietwohnungsangebote für Berlin haben aufgrund des inzwischen für nichtig erklärten Mietendeckels jedoch nur eine bedingte Aussagekraft und bleiben deswegen hier unberücksichtigt. Wichtig: Bei den Angebotspreisen handelt es sich nicht um die tatsächlich vereinbarten Preise. Diese können im Einzelfall höher oder niedriger ausgefallen sein.
Starkes Interesse internationaler privater Kapitalanleger
Die durchschnittlichen Angebotspreise für Eigentumswohnungen aller Preissegmente sind im vergangenen Jahr um 7,4 Prozent auf 4973 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Der Preisanstieg lag damit zwar unter dem des Jahres 2019 mit 10,2 Prozent, eine Entspannung ist jedoch laut dem Report nicht in Sicht. Am stärksten zogen die Preise in Spandau, Reinickendorf und Marzahn-Hellersdorf an. So verteuerten sich Eigentumswohnungen in Marzahn-Hellersdorf über alle Marktsegmente gerechnet um 15,2 Prozent auf 3333 Euro je Quadratmeter, in Reinickendorf um 15,5 Prozent auf 3842 Euro je Quadratmeter und in Spandau um 16,2 Prozent auf 3441 Euro je Quadratmeter.
Lauf dem Marktbericht hat „das starke Interesse internationaler privater Kapitalanleger“ die Preise im oberen Marktsegment auch im vergangenen Jahr weiter steigen lassen, wenn auch etwas abgeschwächter als noch in den Vorjahren. Die teuersten zehn Prozent der Eigentumswohnungen wurden 2020 in ganz Berlin für einen mittleren Preis von rund 8900 Euro pro Quadratmeter angeboten. Das entspricht einem Plus von fünf Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr davor lag der Anstieg noch bei 8,1 Prozent, im Jahr 2018 bei 11,8 Prozent. Die höchsten Preise für die teuersten zehn Prozent der Wohnungen wurden mit 10.667 Euro im Bezirk Mitte aufgerufen, gefolgt vom Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf mit einem Angebotspreis von 10.097 Euro pro Quadratmeter.
Zum ersten Mal wurden damit für Wohnungen im oberen Preissegment mittlere Preise in fünfstelliger Höhe aufgerufen. In allen Bezirken kosten die Wohnungen im oberen Preissegment inzwischen mehr als 6000 Euro pro Quadratmeter. In Marzahn-Hellersdorf wurden die zehn Prozent der teuersten Wohnungen im vergangenen Jahr für 6057 Euro je Quadratmeter angeboten – ein Plus von 27,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Bezirk am östlichen Stadtrand ist damit allerdings noch immer der preisgünstigste.
Hohe Preise im Grünen und am Wasser
Der Blick auf die Kaufpreisangebote in den Bezirken zeigt, dass Eigentumswohnungen in der Innenstadt und in Teilen von Steglitz-Zehlendorf besonders teuer sind. Ansonsten nehmen die Preise zum Stadtrand tendenziell ab. Wohnlagen am Wasser und im Grünen, etwa in Nikolassee und Schlachtensee oder an Dahme und Müggelsee, sind ebenfalls teuer. Die meisten Eigentumswohnungen wurden 2020 in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Pankow angeboten, die wenigsten in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Spandau.
Der Verkauf von Mehrfamilienhäusern in Berlin ist auch im vergangenen Jahr – trotz Pandemie und Mietendeckel - weitergegangen. Die Häuser wurden dabei über alle Marktsegmente hinweg für einen mittleren Preis von 3.267 Euro pro Quadratmeter angeboten – ein Plus von 4,6 Prozent. „Die Einführung des Berliner Mietendeckels hat lediglich zu einer kurzfristigen Verlangsamung des Preisanstiegs bei Mehrfamilienhäusern geführt“, sagt Michael Schlatterer von CBRE. Einige Unternehmen hätten diese Phase genutzt, um stärker in Berlin zu investieren. Dazu gehört das schwedische Unternehmen Heimstaden, das im vergangenen Jahr etwa 4000 Wohnungen für mehr als 800 Millionen Euro erwarb.
Laut dem Report sind zurzeit 307 Neubauprojekte mit rund 49.000 Wohnungen entweder in der konkreten Planung, kurz vor dem Baustart oder bereits im Bau. Hiervor entfallen, wie auch im Vorjahr, rund 60 Prozent der Wohnungen auf den ehemaligen Ostteil der Stadt. Während vor einigen Jahren noch hauptsächlich Eigentumswohnungen errichtet wurden, entstehen mittlerweile überwiegend Mietwohnungen – und diese werden zu großen Teilen von den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen gebaut. Die Howoge ist eine der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Ihr Geschäftsführer Ulrich Schiller, der bei der Vorstellung des Reports dabei war, bekannte, er würde gerne höher bauen. „Ich glaube, da fehlt uns der Mut“, sagte er. „Denn was uns begrenzt in Berlin, ist Grund und Boden.“ Nach oben habe Berlin „deutlich Potenzial“. Das würde gerade den kommunalen Gesellschaften die Möglichkeit eröffnen, mehr zu bauen, so Schiller.
Preise im Umland schnellen ebenfalls hoch
Die Corona-Pandemie wirkt sich unterdessen auch auf den Immobilienmarkt aus. „Die teure Innenstadt verliert an Zuspruch, der Speckgürtel gewinnt an Attraktivität“, sagte Berlin Hyp-Chef Sascha Klaus. „Denn wer von zu Hause aus arbeitet, der benötigt mehr Platz, und dieser hat sich in der Stadt in den vergangenen Jahren deutlich verteuert.“ Mittlerweile werden Ein- und Zweifamilienhäuser mit mittleren Grundstücksgrößen in einigen Gemeinden des Landkreises Potsdam-Mittelmark sowie in Hohen Neuendorf und Glienicke/Nordbahn durchschnittlich für mehr als 4000 Euro pro Quadratmeter angeboten.
Der Berliner Mieterverein (BMV) sieht die Marktentwicklung kritisch. „Die vorgestellten Zahlen zu den projektierten Neubauwohnungen lassen keine Verbesserung der Situation für breite Schichten der Bevölkerung erwarten“, beklagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Der Anteil von Eigentümerwohnungen an den Bauprojekten ist zwar gesunken, mit mehr als 37 Prozent aber immer noch sehr hoch“. Mit Durchschnittspreisen von mehr als 4900 Euro pro Quadratmeter seien diese Wohnungen schlicht nur eine Angebotserweiterung für Reiche. Die Schere zwischen Mietwohnungszuwachs und Bevölkerungszunahme habe sich zumindest bis 2019 weiter geöffnet. Im Ergebnis würden die Mieten bei der Wiedervermietung also weiter steigen. Ein Blick in die Immobilienportale nach dem Mietendeckel-Aus mache das deutlich.
Das „mantramäßig“ vorgetragene „bauen, bauen, bauen“ löse nicht alle Wohnungsmarktprobleme, warnt Wild. Im Fokus müsse der Bau preisgünstiger Wohnungen stehen. Dieses Thema spare der Marktbericht leider weitgehend aus. Einziger Trost sei, dass der Anteil der kommunalen Mietwohnungen am Neubau steige – „ein Verdienst der städtischen Wohnungsunternehmen und des Senats“, so Wild. Für eine wirkliche Wende aber müssten die Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung geschaffen werden, in erster Linie bei den Bodenpreisen. Doch hier ducke sich die Politik weg.