Dorle und Karlheinz lachen nach 70 Jahren noch immer miteinander. 
Dorle und Karlheinz lachen nach 70 Jahren noch immer miteinander.  Foto: Bernd Friedel

Diese Liebe lindert jede Not: Mitten im Zweiten Weltkrieg wurde aus Dorle (93) und Karlheinz (92) Rettig ein Paar. 70 Jahre später trotzen sie auch der Corona-Krise und feiern in Berlin mit 22 Gästen ihre Gnadenhochzeit.

„Sie ist mein Mädchen. Jede Runzel gefällt mir an ihr“, sagt Karlheinz und nimmt zärtlich Dorles Hand. Die Rettigs aus Johannisthal sind heutzutage fast ein Phänomen, denn sie sind eines der ältesten Ehepaare der Hauptstadt.

1940 liefen sich Dorle und Karlheinz damals an ihrer Schule in der großen Pause über den Weg. „Wir schauten uns tief in die Augen und von da an war schnell klar, dass wir uns mochten“ erinnert sich Dorle. Doch der Zeitpunkt für die Liebe war kein guter. „Wir waren beide sehr damit beschäftigt, uns durch die schweren Kriegsjahre zu kämpfen“, sagt Dorle. Sie machte nach der Schule eine Lehre als orthopädische Kinderschwester am Klinikum in Leipzig und Karlheinz als Flugmotorenschlosser in Kassel.

Doch schon bald wurde ihre Beziehung auf die Probe gestellt. Sie trennten sich, weil ihnen die Kraft für die Liebe ausging . „Zum Glück sprach mein Bruder Rolf ein Machtwort mit mir und sagte mir, Karlheinz du musst um diese Frau kämpfen. Er führte uns schließlich wieder zusammen“, so Karlheinz. Seinem Bruder hätten sie ihr gemeinsames Leben zu verdanken gehabt. Doch er selbst bekam nicht mehr viel mit von ihrem Glück. Rolf starb mit 26 Jahren an Leukämie. „Das war eines unserer traurigsten Momente“, erinnert sich Karlheinz

Am 1. Juli 1950 gaben sich Dorle und Karlheinz das Ja-Wort und 1951 kam das erste ihrer drei Kinder zur Welt. Karlheinz absolvierte später noch ein Studium als Ingenieur und reiste durch die ganze Welt, nach Kuba, Äthiopien und Ägypten. „Wir waren mitunter  bis zu eineinhalb Jahre voneinander getrennt, aber ich glaube, das hat unsere Liebe frisch gehalten“, sagt Dorle. Freiraum sei ihnen immer sehr wichtig gewesen. „Ich habe mich sehr auf meine Reisen gefreut, aber genauso sehr auch, wenn ich wieder nach Hause kam“, unterstreicht Karlheinz. Manchmal habe ihn seine Dorle auch ins Ausland begleitet. 

78 Jahre haben die Rettigs schon miteinander verbracht und haben inzwischen fünf Enkel und sechs Urenkel. Was ihre Liebe so zusammengeschweißt hat? „Dass wir einander so respektiert haben, wie wir sind, mit allen Ecken und Kanten“, sagt Karlheinz und wirft seiner Frau einen liebevollen Blick zu. Sie hätten stets zusammen gehalten, in guten wie in schlechten Tagen. Als Dorle die Schilddrüse entfernt wurde, stand ihr Karlheinz bei. Umgekehrt war sie an seiner Seite, als bei ihm Prostatakrebs diagnostiziert wurde.

Jetzt müssen sie mit den Tücken des Alters fertig werden. „Es geht nicht mehr so leicht. Die Knochen tun weh und das Reaktionsvermögen hat stark abgenommen“, sagt Karlheinz. Sie würden gern noch einmal so wie früher die Welt bereisen, aber das ginge mit über 90 nun nicht mehr. „Wir sind jetzt nur noch an diese Hütte gebunden“, sagt er und meint die gemeinsame Mietwohnung in Johannisthal. Doch die Rettigs haben eines in ihren 70 Ehejahren gelernt. Vorwärts zu schauen und zu akzeptieren, dass alles im Leben seine Zeit hat. Jetzt wollen sie erst einmal mit der ganzen Familie auf einem Restaurantschiff ihr besonderes Jubiläum feiern. „Wir versuchen, noch ein wenig zusammen in der Welt zu bleiben“ sagt Karlheinz und lacht. Ihr gemeinsamer Humor ist ein wichtiger Baustein ihrer lebenslangen Liebe.