Ältere und chronisch kranke Menschen fühlen sich oftmals diskriminiert, wenn sie in der Öffentlichkeit keine Maske tragen.
Ältere und chronisch kranke Menschen fühlen sich oftmals diskriminiert, wenn sie in der Öffentlichkeit keine Maske tragen. Foto: Imago / Grabowsky

Als der Arzt Agnes Zeitler das Attest ausstellte, weil sie als schwer lungenkranke Frau aus medizinischen Gründen keinen Mundschutz tragen darf, packte sie es damals noch zuversichtlich in eine Klarsichthülle. Wenn die 66-Jährige fortan das Haus verließ, zeigte sie es ungefragt vor - ob in der Apotheke oder im Supermarkt. „Viele kennen mich und lassen mich nach wie vor rein", sagt sie. Doch es gab in den vergangenen Wochen auch andere Situationen. „Ich werde manchmal regelrecht angefeindet und diskriminiert, weil ich keine Maske trage.“ 

Agnes Zeitler steht nicht alleine da. In der Stadt steigen die Infektionszahlen und damit die Ängste und Vorsichtsmaßnahmen. Für Menschen wie sie bedeutet das mitunter noch mehr Ausgrenzung.  Doch einen Mundschutz kann sie nicht tragen - wie viele andere auch nicht. Die 66-Jährige ist seit Jahren schwer lungenkrank, kann kaum atmen. Manchmal schafft sie es zu Fuß um einen Häuserblock, ohne nach Luft japsend stehen zu bleiben. Manchmal muss sie nach zwei Metern wieder umkehren.

Man kapselt sich automatisch ab, damit man in Ruhe gelassen wird. 

Agnes Zeitler 

Agnes Zeitler hat seit Corona ihr Leben umgestellt. Sie meidet große Menschenansammlungen, geht in kein  Einkaufscenter mehr. Meistens fährt sie früh morgens mit dem Auto zum Supermarkt, vieles bestellt sie aber auch im Internet. „Ich sehe zu, dass ich draußen nichts sage, um keine Aerosole auszustoßen. Man kapselt sich automatisch ab, damit man in Ruhe gelassen wird. Es war zeitweise sehr erniedrigend und ich habe die Stimmung als sehr gereizt empfunden.“

Jüngst wies ein Orthopäde Agnes Zeitler ab, weil sie ohne Maske nicht ins Wartezimmer dürfe. „In diesen Momenten fühlt man sich als kranker Mensch ausgegrenzt.“ Glücklicherweise sei eine Lösung gefunden worden: Sie bekam dann das Rezept ohne Anwesenheitspflicht in der Praxis. Wütend machte sie in der vergangenen Zeit ebenso, dass Ärzte Blanko-Atteste an Nicht-Kranke ausgestellt hatten - in vielen Fällen an Corona-Gegner. „Das finde ich fahrlässig. Menschen, die auf ein Attest angewiesen sind, haben es damit noch schwerer, ernst genommen zu werden, dass sie den Mundschutz wirklich nicht tragen dürfen.“

Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes liefen seit Ausbruch von Corona 1000 Anfragen ein. Menschen meldeten sich, die sich wie Agnes Zeitler erniedrigt fühlten, weil sie von der Maskenpflicht befreit sind. Laut Infektionsschutzverordnung fallen darunter unter anderem chronisch Kranke, Behinderte, Gehörlose und Taubstumme. Andere beklagten Diskriminierung wegen ihrer meist asiatischen Herkunft. Der Pressesprecher der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Sebastian Bickerich: „Ratsuchende berichten vielfach davon, dass sie in der Öffentlichkeit rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind und für die Pandemie verantwortlich gemacht werden. Betroffene berichten auch von Hassbotschaften am Arbeitsplatz, verweigerten Dienstleistungen oder Terminabsagen beim Arzt, weil sie - vermeintlich - einen chinesischen Migrationshintergrund haben.“

Agnes Zeitler gehört nicht zu denjenigen, die sich offiziell beschwert haben. Sie weiß, dass viele ihre Pflicht tun.„Und ich habe auch sehr viel Hilfe erfahren. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Sie würde sich aber mehr Zusammenhalt wünschen.