Das Foto der getöteten Fabien wird im Gerichtssaal gezeigt.
Das Foto der getöteten Fabien wird im Gerichtssaal gezeigt. Pressefoto Wagner

Eine Fußgängerin konnte gerade noch zurück in eine Parklücke springen, dann krachte das Polizeiauto tödlich in den Wagen von Fabien Martini (21).

Polizei-Hauptkommissar Peter G. (54) als Todesfahrer erhielt im ersten Prozess 14 Monate Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung. Doch er, die Staatsanwaltschaft sowie die Eltern von Fabien als Nebenkläger legten Berufung ein. Nun prüft das Berliner Landgericht den Fall – alles auf Anfang.

Während Peter G. zu den Vorwürfen schweigt, müssen sich Zeugen an den Horror-Crash erinnern. Anna T. (34) war damals Fußgängerin. Sie wollte die Grunerstraße gerade überqueren. Die Augenzeugin: „Das dumpfe Geräusch einer Sirene wurde plötzlich sehr laut.“ Ein bis zwei Sekunden später tauchte der Polizeiwagen aus dem Tunnel auf – „sehr schnell“. Sachbearbeiterin T.: „Er fuhr ganz links und sehr dicht an den parkenden Autos.“ Der Wagen preschte vorbei – „es fühlte sich wie eine Druckwelle an“.

Die Fußgängerin hatte sich in eine Parklücke gerettet. In der Sekunde war Fabien Martini beim Einparken. Zeugin T.: „Mit einem furchtbaren Knall fuhr der Polizeiwagen in das weiße Auto der jungen Frau.“ Der Horror-Crash ereignete sich am 29. Januar 2018 gegen 13 Uhr. Mit Blaulicht und Martinshorn waren G. und sein Beifahrer in Mitte mit bis zu 132 km/h unterwegs. Ein Einsatz. Ein Raubüberfall war gemeldet worden – später stellte sich heraus: Fehlalarm.

Der Unfall in der Grunerstraße, bei dem Fabien starb.
Der Unfall in der Grunerstraße, bei dem Fabien starb. Foto: Pudwell

In der Grunerstraße schoss der Wagen aus dem Tunnel. Ein Zeuge im ersten Prozess: „Ich dachte, der hebt gleich ab.“ Fabien im weißen Renault Clio wechselte gerade die Fahrspur, wollte auf dem Mittelstreifen einparken.

Der Tod kam rasend schnell: Mit 91 Kilometern pro Stunde krachte das Polizeiauto in den Kleinwagen der jungen Frau.  Augenzeugin Anna T. lief sofort zu dem Auto von Fabien, um zu helfen. Auch G. stand laut Zeugen am Wagen. Zeugin T.: „Ich hielt ihr dann den Kopf.“ Der Fahrer des Polizeiwagens habe gefragt: „Atmet sie noch?“ Fabien verstarb nur Minuten später am Unfallort. Polizistin B. (39) gehörte zu den ersten, die am Unfallort eintrafen. Die Beamtin: „Ich begann mit der Reanimation.“

Richter fragt: „Wie schnell fährt man bei einer eiligen Einsatzfahrt?“

Peter G. habe unter dem Eindruck des Geschehens gestanden. Fabien Martini verstarb um 13.35 Uhr. Der Richter: „Wie schnell fährt man denn üblicherweise bei einer eiligen Einsatzfahrt innerhalb der Stadt?“ Beamtin B.: „Kommt darauf an – bei einer gut ausgebauten Straße und freier Sicht liegt der Wert nach meinem Gefühl bei so um die 80 Stundenkilometern.“ Entscheidend sei: „Sicher ankommen.“

Der Fall sorgte auch wegen Verdacht auf Alkohol am Steuer für Aufsehen. Ärzte sollen kurz nach dem Unfall bei G. etwa ein Promille im Blut festgestellt haben. Doch die Probe war nicht auf Veranlassung der Polizei gemacht worden. Die Patientenakte sei später rechtswidrig beschlagnahmt worden, entschied ein Gericht. Sie durfte nicht als Beweismittel verwertet werden. Und G. gab die Akte nicht frei.

Der Alkohol-Verdacht führt zu Fragen in dem Berufungsprozess. Der Richter zu Beamtin B.: „Haben Sie Alkohol-Geruch bei Herrn G. wahrgenommen?“ Die Polizistin: „Nein.“ Auch andere Zeugen rochen keine Alkoholfahne. Fortsetzung: 8. Oktober.