Eine unübersehbare Menschenmenge auf der Straße des 17. Juni
Eine unübersehbare Menschenmenge auf der Straße des 17. Juni AFP/Odd Andersen

Berlin hat ein bisschen gebraucht, aber dann kam es gewaltig in Fahrt: Weit über 100.000 Menschen – die Veranstalter sprachen von einer halben Million – versammelten sich zwischen russischer Botschaft Unter den Linden bis zur Siegessäule, um gegen den Krieg Russlands gegen die Ukraine zu protestieren. Angemeldet waren 20.000 ... Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Initiativen, Umweltschutzorganisationen und Friedensgruppen hatte zur Demo aufgerufen.

Der russische Präsident Wladimir Putin wurde nicht nur einmal mit Hitler verglichen.
Der russische Präsident Wladimir Putin wurde nicht nur einmal mit Hitler verglichen. imago

Der Andrang war so groß, dass die S-Bahnzüge schon mittags aus Sicherheitsgründen durch den Bahnhof Brandenburger Tor fuhren ohne zu halten. Es waren so viele Menschen  unterwegs, dass sie über Lautsprecher aufgefordert  wurden, ihre Masken aufzusetzen  und sich seitlich in den Tiergarten zu verteilen.

Es war Europa, das da seine Stimme gegen Putins Krieg erhob: Berliner Familien, viele Russen, natürlich viele Ukrainer, Spanier, Letten, Esten, Litauer, Franzosen ...

Vor dem Gitter, das das russische Ehrenmal abschirmte, standen Julia Felker (48)  und ihr Mann Bernd. Sie hielt ein Schild hoch, auf dem auf Englisch geschrieben steht: Es ist dein Krieg, Putin, nicht der des russischen Volks.  Julia Felker ist Russin aus St. Petersburg, seit 2006 lebt sie bei ihrem Mann in Berlin. Sie habe sich wegen des Angriffs auf die Ukraine für Russland geschämt, zum ersten Mal in ihrem Leben. Jeden Tag telefoniere sie mit Freunden und Verwandten  in der Ukraine: „Wir weinen gemeinsam, es ist so furchtbar.“

Litauerinnen auf der Demo: Eine hält ein Plakat "Ehre der Ukraine" hoch
Litauerinnen auf der Demo: Eine hält ein Plakat "Ehre der Ukraine" hoch Benjamin Pritzkuleit

Die Litauerin Eva (28) kam mit Freundinnen zur Demo.   Es sei wichtig, Putin zu zeigen, dass die Menschen in Europa frei und demokratisch leben wollen. Nach den Einmarsch Russlands in der Ukraine herrsche in Litauen aber auch in den anderen baltischen Staaten Angst, dass der Krieg auch zu ihnen komme, meint die Ärztin.

Es erschienen Engel ...

Ein Mann, in die ukrainischen Farben gekleidet, hat sich die Flügel eines Friedensengels umgehängt. Auf seinem Pappschild steht „Lass die Ukraine in Frieden“.
Ein Mann, in die ukrainischen Farben gekleidet, hat sich die Flügel eines Friedensengels umgehängt. Auf seinem Pappschild steht „Lass die Ukraine in Frieden“. imago

... aber auch ganz andere Demonstranten:

Zum Auftakt sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Werneke, die Demo sei ein starkes Zeichen der Solidarität. „Auch das ist wichtig: Putin ist nicht Russland.“ Respekt und Solidarität gehörten auch den mutigen Menschen in Russland, die gegen das Regime demonstrierten.

Eine bizarre Situation: Ein Kind hält ein Schild „Peace“ vor einem Panzer des sowjetischen Ehrenmals hoch, in dessen Kanone Blumen stecken.
Eine bizarre Situation: Ein Kind hält ein Schild „Peace“ vor einem Panzer des sowjetischen Ehrenmals hoch, in dessen Kanone Blumen stecken. dpa

Auch Annette Kruschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, mahnte, keinen Hass gegen die Russen zu hegen. Sie fand aber deutliche Worte: „Das Blut, das in der Ukraine vergossen wird, schreit zum Himmel.“

Und Kurschus machte die Verantwortlichen aus: „Die verlogene und machtgierige Regierung des einen Landes hat mit blanker Gewalt und gegen alles Recht ihren Soldaten befohlen, ein anderes Land zu überfallen. Das ist ein Verbrechen. Die Menschen in der Ukraine werden bombardiert und beschossen. Sie verteidigen sich, suchen zu Hunderttausenden Schutz in Kellern oder sie flüchten aus dem Land, um ihr Leben und das ihrer Kinder zu retten.“

Den beeindruckendsten Moment gab es kurz nach 14 Uhr, als die Demonstranten eine Schweigeminute einlegten.

Ein Demoteilnehmer zeigt ein Friedenszeichen, bestrickt in den Farben der Ukraine.
Ein Demoteilnehmer zeigt ein Friedenszeichen, bestrickt in den Farben der Ukraine. dpa

An die 10.000 Menschen, die einem Aufruf eines ukrainischen Netzwerks zu einer Demo gefolgt waren, zogen zwar vom Roten Rathaus los, konnten ihren Plan aber nicht umsetzen, bis auf die Straße des 17. Juni vorzudringen: Es waren zu viele Menschen Unter den Linden, etwa an  der russischen Botschaft kam die kleinere Demo nicht weiter.

Nach 15 Uhr begannen die ersten Teilnehmer, die Demo zu verlassen. Die S-Bahn setzte zwischen Schöneberg und Gesundbrunnen zusätzliche Züge ein, um die Menschen von den Bahnhöfen Potsdamer Platz, Friedrichstraße, Hauptbahnhof und Tiergarten abzuholen, die Station Brandenburger Tor wurde weiter nicht bedient.