Berlin: Der Angeklagte mit seinen Anwälten vor Gericht.
Berlin: Der Angeklagte mit seinen Anwälten vor Gericht. Pressefoto Wagner

Im Porsche-SUV sollte es ein kurzes Stück bis zum Italiener gehen, doch dann ein epileptischer Anfall und der Horror-Unfall: Vier Menschen starben, als der schwere Wagen auf den Gehweg raste.

Der Mann, der am Steuer saß, nun vor Gericht: Michael M. (44). Diplom-Kaufmann, Familienvater, nicht vorbestraft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs vor.

Obwohl bei ihm eine „strukturelle Epilepsie“ und eine Hirnnarbe nach einer etwa einen Monat zuvor erfolgten Operation bestand, soll er sich ans Steuer gesetzt haben. Anklage: „Er verhielt sich sorgfaltswidrig.“ Er habe erkennen können, dass er nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen. Ein ausdrückliches ärztliches Verbot soll es aber nicht gegeben haben.

Berlin: An dem zerstörten Auto halten Polizisten ein Plane. Der SUV ist nur noch ein Wrack.
dpa/Pedersen
Berlin: An dem zerstörten Auto halten Polizisten ein Plane. Der SUV ist nur noch ein Wrack.

Der Unfall am 6. September 2019 gegen 19 Uhr. Vor einer Ampel Invaliden- Ecke Ackerstraße staute es sich. Ein Porsche Macan Turbo scherte aus auf die Gegenfahrbahn. M. am Steuer. Mit im Auto seine Mutter und seine kleine Tochter. Die Anklage: „Infolge eines epileptischen Anfalls verkrampfte er und trat das Gaspedal durch.“

Der Wagen schoss mit über 100 km/h auf den Gehweg

Konstant beschleunigend raste er 80 Meter weit. Das schwere Auto riss mehrere Metallpoller aus dem Boden, rammte eine Ampel, wurde in die Luft geschleudert, überschlug sich mehrfach an der Kreuzung, schoss mit über 100 km/h auf den Gehweg. Vier Fußgänger, die an der Ampel standen, hatten keine Chance.

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Eine Großmutter (64), ihr Enkel (3), ein Brite (29) und ein Spanier (28) starben noch am Unfallort. Neun Hinterbliebene sind nun Nebenkläger im Prozess. Sie werden von fünf Anwälten vertreten. Nur ein Angehöriger saß am ersten Tag persönlich mit im Saal. Anderen fehlte die Kraft.

Ein Nebenklage-Anwalt: „Es ist eine wahnsinnige Belastung.“ Und: „Es war eine vermeidbare Tragödie, das macht den Schmerz besonders stark.“ Eine Nebenklage-Anwältin: „Wir wissen, dass es einen ganz ausdrücklichen ärztlichen Rat kurz vor dem Unfall gab, nicht Auto zu fahren.“

Sechsseitige Erklärung mit tränenerstickter Stimme

Der Angeklagte nun mit sechsseitiger Erklärung. Mit tränenerstickter Stimme begann er: „Ich möchte den Angehörigen der Menschen, die bei meinem furchtbaren Unfall ums Leben gekommen sind, mein tiefstes Beileid aussprechen.“ Es sei ein ganz grauenhaftes Unglück. M.: „Ich bin zutiefst verzweifelt über das unermessliche Leid, das mein Unfall verursacht hat.“ Führerschein seit dem 18. Lebensjahr, die Pappe nie verloren.

M.: „Ich war ein ruhiger und besonnener Autofahrer und fuhr seit über 20 Jahren unfallfrei.“ Seit dem fürchterlichen Unfall aber fahre er nicht mehr – „obwohl mir der Führerschein nicht entzogen wurde“. Am Morgen des 12. Mai 2019 hatte er erstmals einen epileptischen Anfall, so der Angeklagte. Wenige Sekunden. Er sei in eine Klinik gebracht und untersucht worden, habe ein Medikament erhalten. Und man habe ihn darauf hingewiesen, dass er drei Monate anfallsfrei sein müsse, bevor er wieder Auto fahre. Es sei ihm dann gut gegangen.

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Im August 2019 eine OP – ein kleiner gutartiger Tumor im Kopf. Er habe sich in eine Klinik in der Schweiz begeben. Mikroinvasiv der Eingriff. Komplikationslos. Nur mündlich und als Empfehlung sei ihm danach geraten worden, für die nächsten vier Wochen nicht selbst zu fahren. Als es zum Unfall kam, war diese Zeit gerade verstrichen. M.: „Dass ich je einen zweiten Anfall haben würde, war für mich niemals absehbar. Ich hatte mit der Operation und der Medikation alles getan, um das auszuschießen.“

Für ihn sei bis heute unfassbar, was am 6. September geschah. Eine Nebenklage-Anwältin über das, was M. verlesen hatte: „Wir sind eher empört über die Einlassung.“ Nach ihren Erkenntnissen soll ein behandelnder Neurologe „ganz ausdrücklich“ gesagt haben: Nicht Auto fahren ein Jahr lang nach der Hirn-OP. Der Angeklagte sei ein Autofanatiker. Das sei auch den Ärzten aufgefallen. Und ein weiterer Nebenklage-Anwalt: „Am meisten Bedauern hat er über sich selbst zum Ausdruck gebracht.“ Fortsetzung: 1. November.