Das Wasser des Tegeler Sees ist klar und sauber, doch auf Wasserpflanzen, die ans Ufer getrieben werden, lauert ein gefährliches Gift.
Das Wasser des Tegeler Sees ist klar und sauber, doch auf Wasserpflanzen, die ans Ufer getrieben werden, lauert ein gefährliches Gift. imago/Jürgen Ritter

Seit einer Woche gilt ein Badeverbot im Tegeler See: Blaualgen-Alarm. Die Hoffnung, dass man dort wieder ins Wasser darf, hat sich zerschlagen, nachdem das Landeslabor erneut Wasserproben genommen hatte. Doch was genau lauert da im eigentlich sauberen, klaren Wasser des Sees und hat allein in diesem Jahr schon zwei Hunde getötet, zwei weitere um ein Haar?

Der See ist seit 2017 als Todesfalle für Hunde bekannt, etwa ein halbes Dutzend sind laut Landesamt für Gesundheit und Soziales seither gestorben, nachdem sie im oder am Wasser gewesen waren – umgebracht vom Nervengift Anatoxin A. Es wird von Tychonema produziert, einer Bakterie.

Die Biologin Dr. Sabine Hilt vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (Köpenick) übersetzte für den KURIER die Fachsprache der wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit dem mikroskopisch kleinen Unhold befassten.

Er gehört zu den rund 2000 bekannten Cyanobakterien, die umgangssprachlich, wenn auch falsch, Blaualgen genannt werden und von denen einige Gift produzieren. Meist treten sie in warmem Wasser auf, treiben darin als Plankton herum. Aber selbst, wenn sie sich beispielsweise nach Hitzeperioden im Müggelsee ausbreiten, müsste man literweise Seewasser trinken, um auch nur Übelkeit oder Magengrimmen zu bekommen.

Tychonema, jedenfalls soweit sie im Tegeler See haust, hat einen teilweise anderen Lebensstil. Die Bakterie, auch in einem Stausee des bayerischen Flusses Lech vorgefunden, findet sich im Aufwuchs und zwischen Wasserpflanzen. Sabine Hilt: „So ein Biofilm, meist aus Bakterien, Kiesel- und Grünalgen bestehend, bildet sich eigentlich auf allem, was unter Wasser ist.“

Sind Arten wie Tychonema enthalten, sei deren Gift im Biofilm in vielfach höherer Konzentration als im Wasser drumherum vorhanden, und das macht es so gefährlich.

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Sabine Hilt: „Wassermoose beispielsweise haben keine echten Wurzeln. Sie können daher leicht ans Ufer getrieben werden, sind dort für Hunde, aber auch für kleine Kinder, die sich davor nicht ekeln, leicht zugänglich.“ Da bestehe die Gefahr, dass ein planschendes Kind Klümpchen des mit Gift befrachteten Mooses in den Mund nimmt.

Für Hunde riecht der Gift-Film lecker

Hunde könnten vom etwas fischigen Geruch des Biofilms dazu verlockt werden, Wasserpflanzen oder einen im Wasser liegenden Baumstamm abzulecken und so das Gift aufzunehmen.

Die bislang unerfüllte Hoffnung, dass der Spuk für dieses Jahr ein Ende findet, liegt in der steigenden Wassertemperatur. So wenig bekannt ist, woher, wie und wann die Bakterie in den Tegeler See eingewandert ist, so wenig ist klar, warum Tychonema im Sommer bei höheren Wassertemperaturen verschwindet.

Es könnte einmal sein, dass die für ihre Existenz optimale Temperatur überschritten wird, sagt die Biologin. Es sei aber auch möglich, dass Tychonema von anderen Arten verdrängt wird, die besser an die dann vorherrschenden Bedingungen angepasst sind.