Hier geht’s „Ab unter die Erde“: Pankower Unternehmer organisieren Abschiedspartys für Verstorbene
Die Bestatter Maria Kauffmann (41) und Robert Freitag (33) bieten Berlins erste Online-Trauerfeier an.

Es war ein Schicksalsschlag, der Maria Kauffmann auf eine neue Geschäftsidee brachte. Zwei Jahre nachdem ihr Vater an Lungenkrebs gestorben ist, gründete sie im Oktober 2020 mit ihrem Geschäftspartner Robert Freitag ein Bestattungsunternehmen in Pankow. Allerdings kein gewöhnliches. Das verrät schon der Firmenname „Ab unter die Erde“. Die beiden Berliner organisieren besondere Trauerfeiern und in Pandemie-Zeiten die ersten Online-Trauerfeiern der Stadt.
„Kurz nach dem Tod meines Vaters fragte ich mich erstmals, was ist falsch an unserer Trauerkultur?“, sagt Maria Kauffmann. Sie hatte die dunklen, steril gehaltenen Räume der Bestattungsunternehmen und die Urnenkataloge vor Augen. „Eine bedrückende Situation, aus der eigentlich jeder so schnell wie möglich wieder weg möchte“, so Kauffmann. Das gehe vielen Menschen so, wenn sie mit dem Tod eines Angehörigen konfrontiert würden. „Sie wissen ja noch nicht einmal, wie sie sich auf einer Trauerfeier verhalten sollen.“
Die Mutter dreier Kinder, die bereits gemeinsam mit Robert Freitag ein Unternehmen für logopädische Therapieformen in Berlin betreibt, will daran etwas verändern. Zusammen mit sechs internationalen Studenten entwickelten sie binnen sechs Wochen im Sommer ein Konzept für ein Start-up-Unternehmen, das Abschiede leichter machen soll. Außer beim Tod, dem absoluten Abschied, gebe es davon eine ganze Menge im Laufe des Lebens. „Von Beziehungen, Wohnungen und Orten, die wir lieb gewonnen haben.“ Abschiede seien sehr wichtig und und da solle jeder so trauern dürfen, wie er es wünscht, betont Kauffmann.

Ein Abschied könne durchaus auch fröhlich „bei einem Bier mit Bratwurst und guter Musik sein“. Ihr Angebot reicht von skurrilen Mottopartys wie Metallica, „Star Trek“ oder Gamer-Paket „letzte Runde“ (ab 2500 Euro) bis hin zu Vinylbestattungen (ab 4600 Euro), bei denen aus der Asche des Verstorbenen eine Schallplatte mit dem Lied ihrer Wahl oder letzten Worten erstellt wird. In Zeiten von Corona sind Partys allerdings nur eingeschränkt möglich. Momentan sind nur fünf Personen zu Trauerfeiern zugelassen.
„Wir wollen das online auffangen, damit jeder die Chance erhält, sich zu verabschieden“, erklärt Kauffmann. Dazu bekommt jeder aus der Trauergemeinde ein Paket nach Hause gesendet. Das können Lieblingspralinen, eine Flasche Wein oder favorisierte Musik des Verstorbenen sein. Per Zoom-Konferenz können die Hinterbliebenen dann zur Trauerfeier miteinander verbunden werden. „Ältere Menschen, die kein Tablet oder Computer zu Hause haben, statten wir auch mit Leihgeräten aus.“ Zusätzlich könne auch die Beisetzung am Grab per Videoschalte live übertragen werden.
Klingt der Name „Ab unter die Erde“ nicht ein wenig provokant? „Er polarisiert auf jeden Fall“, erklärt Kauffrau Maria Kauffmann. Es gebe Menschen, die darüber schmunzelten und sich angesprochen fühlten, aber auch solche, die sich daran störten. „Uns geht es darum, Leichtigkeit in die Trauer zu bringen. Natürlich ist uns bewusst, dass die Betroffenen unglaublich traurig sind und oftmals gar nicht entscheidungsfähig und wir begegnen ihnen mit viel Einfühlungsvermögen.“
In der Berliner Bestatter- und Trauerbranche wird das neue Angebot allerdings kritisch beäugt. Es sei schön, nach einer Trauerfeier noch essen zu gehen und die Lieblingsmusik des Verstorbenen beim Abschied zu spielen. Doch das Wort Party in diesem Zusammenhang zu verwenden, sei eher fragwürdig. „Es passt meiner Meinung nach nicht zu dem Bedürfnis, Trauer auszuleben, Schmerz zu spüren und bitterlich zu weinen“, sagt eine Berliner Trauerbegleiterin, die namentlich nicht genannt werden möchte.