Corona bringt Verein in Gefahr
Tiere helfen Menschen: „Herr Müller“ und die Einsamen
Der Verein „Mit Tieren leben“ kümmert sich um kranke und einsame Menschen. Doch die Corona-Pandemie hat die Helfer in eine brenzlige Lage gebracht. Auf einmal brauchen die, die bisher anderen geholfen haben, selbst Hilfe.

Gut sehen kann„ Herr Müller“ in seinem hohen Alter nicht mehr, hören geht auch kaum noch. Der Pudel mit dem weißem Fell war gut 15 seiner 16 Lebensjahre für den Berliner Verein „Leben mit Tieren“ im Einsatz, um Alten und Kindern zu helfen. Seit Mitte des Jahres ist der „Senior“, wie sein Frauchen Viola Freidel ihn nennt, in Rente. Und möglicherweise gibt es den Verein „Leben mit Tieren“ auch bald nicht mehr. Seit Beginn der Pandemie seien alle Einnahmen weggebrochen, sagt Geschäftsführerin Viola Freidel. Ein Schicksal, das der Verein mit vielen anderen teilt.

Vor der Pandemie besuchten die Helfer von „Leben mit Tieren“ und ihre Hunde regelmäßig Demenzkranke und einsame Menschen in Pflegeheimen oder zu Hause. Auch an Schulen waren sie im Einsatz, um Kindern ihre Angst vor Hunden zu nehmen. Da viele der Patienten und freiwilligen Helfer zur Risikogruppe zählen, mussten die Besuchsdienste, die der Verein mit seinen 115 Mitgliedern seit Jahrzehnten in der ganzen Stadt anbietet, fast vollständig eingestellt werden. Diese Besuche sind die Haupteinnahmequelle von „Leben mit Tieren“, um laufende Kosten wie Miete und Personalkosten zu decken. Neben den Diensten gibt es noch eine fortlaufende Förderung und die Mitgliedsbeiträge. Die Gefahr: Nach 32 Jahren Arbeit könnten die 28 Ehrenamtlichen ihr Dach verlieren.
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So wie „Leben mit Tieren“ geht es vielen Vereinen in Deutschland. „Ehrenamt kann kaum noch bis gar nicht mehr ausgeübt werden“, sagt Thomas Tarnok, Vorsitzender des Berliner Fördervereins für Bildung, Ausbildung und Mitmenschlichkeit, der seit 2012 ehrenamtliches Engagement mit dem „Take Off Award“ auszeichnet. Viele Vereine könnte es nach der Krise nicht mehr geben, befürchtet Tarnok. Etwa 30 Millionen Menschen seien in Deutschland ehrenamtlich aktiv und leisteten essenzielle Arbeit, schätzt er. Als Beispiel nennt Tarnok das Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf, in dem die Behandlung von Frauen, deren Genitalien verstümmelt wurden, nur noch schwer möglich sei.
90 Prozent der Berliner Organisationen haben weniger Einnahmen
Wie schlimm es um die Berliner Vereine allgemein steht, belegen neue Zahlen des Senats. Laut dem „Engagement-Barometer zur Corona-Pandemie“ vermeldeten etwa 90 Prozent der gemeinnützigen Organisatoren der Stadt seit Beginn der Pandemie Einnahmerückgänge, etwa bei Kursgebühren oder Eintrittsgeldern. Rund die Hälfte berichtete von Spendenrückgängen. Zwei Drittel verwiesen auf erhebliche Mehrkosten für den Infektionsschutz. Fast 40 Prozent gaben an, dass die bisherigen Soforthilfen nicht ausreichten. Die Innenverwaltung gab zudem an, dass Sportvereine wegen des Sportbetriebsverbotes und den Folgen der Corona-Regeln finanzielle Einbußen haben.
Der Senat hat das Problem erkannt und Geld bereitgestellt: rund 4,9 Millionen Euro für Ehrenamts- und Hilfsvereine und bis zu 6 Millionen Euro für Sportvereine. Bis 25. Oktober konnten ehrenamtliche Vereine mit existenzbedrohlichen Liquiditätsengpässen die Zuschüsse beantragen. Auch „Leben mit Tieren“ wollte sich um die Unterstützung bewerben, fiel aber durchs Raster, weil der Verein nicht alle Anforderungen erfüllte. Es wäre die erste Unterstützung seit den 5000 Euro Soforthilfe im April gewesen, sagt Freidel. Der Verein hätte das Geld nach eigenen Angaben dringend für das nächste Jahr gebraucht: Dort fehlen noch etwa 30.000 Euro Personalkosten.
Der „Take Off Award“ hätte auch eine Unterstützung für angeschlagene Vereine sein können. Doch wegen Corona fällt die Gala im November aus – die 100.000 Euro Spendengeld können nicht ausgezahlt werden, sagt Thomas Tarnok. Der Förderverein beschloss Mitte des Jahres, besonders hart getroffenen Vereinen zu helfen. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten, sagt Tarnok. Für Viola Freidel ist klar: „Ehrenamt muss unterstützt werden.“ Freiwillige geben viel Engagement und Zeit, wie die Sozialpädagogin unterstreicht. Um die Arbeit fortzusetzen, arbeitet Freidel an einem digitalen Besuchsdienst und sucht nach jüngeren Freiwilligen. Aber auch dafür bedarf es Geld. (dpa/bb)