Hamburgs Fraktionszwang sollte kein Beispiel für Berlin sein
In Hamburg wurde eine Grünen-Abgeordnete für eine Gewissensentscheidung bestraft. Für Berlins schwarz-rote Koalition sollte das kein Beispiel werden.

Fraktionsdisziplin oder auch Fraktionszwang wird es genannt, wenn Abgeordnete gezwungen werden, mit dem Rest der Fraktion zu stimmen, um politische Entscheidungen zu stemmen. Das mag bei wichtigen Abstimmungen nützlich sein, um sicherzustellen, dass Regierungen ihre Vorhaben auch umsetzen können.
Am Beispiel der Grünen in Hamburg konnte man nun aber die hässliche Seite des Fraktionszwangs sehen. Da wird die Abgeordnete Miriam Block dafür bestraft, dass sie für einen Untersuchungsausschuss stimmt, den ihre eigene Partei im Wahlkampf noch unterstützt hat!
Grünen kippten Wahlversprechen und bestrafen nun Abweichlerin
Allein weil man in eine Koalition mit der SPD getreten ist, wurde das Wahlversprechen gekippt. Dass dann aber eine Abgeordnete dafür bestraft wird, weil sie für etwas stimmt, was die Wähler unterstützt haben, ist skandalös.
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Es geht weniger um den Untersuchungsausschuss an sich, den es in Hamburg, als einziges der Bundesländer mit NSU-Morden oder Tatbezug, nicht gab. Es geht um die freie Gewissensentscheidung der Abgeordneten, die das Bundesverfassungsgericht mit Bezug auf Artikel 38 des Grundgesetzes ausdrücklich bestätigt hat und der so auch in ähnlicher Form in Ländern und Kommunen gilt.
Knappes Mitgliedervotum erfordert Toleranz
Warum nun ausgerechnet die Grünen bei diesem Thema den Fraktionszwang so rigoros durchsetzen und die wissenschaftspolitische Sprecherin ihres Amtes wegen einer Entscheidung entheben, die sie ausdrücklich wegen ihres Gewissens getroffen hat, ist absolut unverständlich.
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Für Schwarz-Rot in Berlin kann das nur ein schlechtes Beispiel sein. Besonders die SPD-Führung sollte den Abgeordneten bei den Abstimmungen mehr Freiraum einräumen. Bei einem so knappen Ergebnis des Mitgliederentscheids zur Bildung der schwarz-roten Koalition könnte ein Vorkommnis wie in Hamburg Sprengkraft für die Partei Bergen. Berlin täte deshalb gut daran, auch im Parlament eine Stadt der Toleranz zu werden.