Polizei löst Kundgebung der Corona-Leugner auf
Die Polizei sprach von 20.000 Teilnehmern - die Veranstalter dagegen von 1,3 Millionen.

Die Polizei hat die Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen auf der Straße des 17. Juni aufgelöst. „Aus Sicht der Kollegen vor Ort kann der Veranstalter nicht gewährleisten, dass die Regeln eingehalten werden“, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage. Um 16.52 Uhr verkündete der Einsatzleiter per Bühnenlautsprecher die Auflösung. Zu den Demo-Auflagen der Polizei gehörte das Tragen von Mundschutz und das Einhalten von Sicherheitsabständen untereinander. Doch kein Demonstrant hielt sich daran. Die Kundgebungsteilnehmer skandierten: „Wir bleiben hier“. Sie wurden von den Veranstaltern aufgefordert, sich hinzusetzen. Mehrere Vertreter der Veranstalter wurden unter Protestrufen von Kundgebungsteilnehmern von der Bühne geholt. Als sich eine Person dagegen wehrte, gingen die Beamten mit Körpereinsatz vor.

Am Mittag setzte sich der Demonstrationszug von der Straße Unter den Linden aus in Bewegung. Nach Angaben der Polizei nahmen rund 20.000 Menschen daran teil. Angaben der Initiatoren, wonach sich 1,3 Millionen Menschen versammelt hätten, wies eine Polizeisprecherin zurück.
Aufgerufen hatte die Initiative „Querdenken 711“ aus Stuttgart. Dafür wurde bundesweit mobilisiert, Teilnehmer aus anderen Städten reisten mit Bussen an. Die Veranstalter riefen in YouTube-Videos auch die Hotel- und Reisebranche, Busunternehmen, Landwirte und Veranstaltungstechniker dazu auf, „an diesem Tag mit uns in Berlin aufzuschlagen“.
Demonstranten hielten sich nicht an Versammlungsauflagen der Polizei
Bei dieser Demo hielt sich kein Teilnehmer an die Versammlungsauflagen der Polizei, wegen der Corona-Infektionsgefahr Mundschutz zu tragen und Abstände zueinander einzuhalten. „Wir drängen vehement darauf, dass die Hygienevorschriften eingehalten werden“, sagte Polizeisprecher Thilio Cablitz. Immer wieder machte die Polizei entsprechende Laufsprecherdurchsagen. Doch den Großteil der Teilnehmer beeindruckte das nicht.
Schon im Vorfeld hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) von einer „besonderen Herausforderung“ für die Polizei gesprochen. Man werde sehen, inwieweit es gelinge, bei derart großen Menschenmengen die Corona-Auflagen wie Abstandsregeln und die Maskenpflicht durchzusetzen. Gegebenenfalls würden Bußgelder verhängt, bei Widerstandshandlungen würden Demonstranten auch vorübergehend festgesetzt.

„Menschen sollten selbst entscheiden, ob sie Maske tragen, Abstand halten oder nicht.“
Der Frauenanteil im Zug war hoch. Felicia (23) war mit ihrer Mutter Sibylle (58) aus der Nähe von Augsburg angereist, zwölf Stunden mit dem Bus. „Peace“ stand auf ihrer bunten Fahne. Beide sind im Bildungsbereich tätig: Felicia studiert Erziehungswissenschaften, ihre Mutter ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Warum sie demonstrieren? Sie habe das Gefühl, es gehe bei der aktuellen Politik nicht mehr um Corona, sagte die 58-jährige Sibylle. „Uns wird unsere Mündigkeit abgesprochen.“ Auch ihre Tochter findet: „Menschen sollten selbst entscheiden, ob sie Maske tragen, Abstand halten oder nicht.“ Die Regierung kommuniziere schlecht – und die Presse stelle die Proteste oft falsch dar, als Nazi-Proteste. Ja, die Proteste seien breit aufgestellt, es mischten sich auch rechte Gruppen unter. „Aber wir wollen die hier nicht, uns geht es um unsere Demokratie.“
Allerdings klinkten sich auch Rechtsradikale in die Proteste ein und wurden im Demozug geduldet. Wie groß ihr Einfluss innerhalb der Bewegung ist, ist aber immer wieder Streitpunkt. Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte, auch Neonazi-Organisationen hätten zur Teilnahme aufgerufen. Eine der Gruppierungen, etwa die rechtextreme „Patriotic Opposition Europe“, nahm mit einem eigenen Lautsprecherwagen teil. Zu sehen waren auch mehrere schwarz-weiß-rote Reichsfahnen. Auch die Initiative „Nicht ohne uns“ rief zu der Demo auf. Sie hatte in den vergangenen Monaten als links-rechte Querfront die sogenannten Hygiene-Demonstrationen auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte veranstaltet.

Gegen die Demonstration hatte sich nur relativ schwacher Gegenprotest formiert. Nach Angaben der Polizei hatten sich am Brandenburger Tor etwa 120 Gegendemonstranten zu einer Kundgebung gegen Rassismus versammelt. Bei einer Kundgebung unter dem Motto „Abstandhalten gegen Rechts“ an der Tucholsky-, Ecke Torstraße trafen sich etwa 200 Personen. Entlang der Demoroute gab es immer wieder kleinere Gegenkundgebungen.
Den Beschluss der Polizei, die Kundgebung auf der Straße des 17. Juni aufzulösen, kritisierten die Veranstalter mit Blick auf die Black-Live-Matter-Demo im Juni auf dem Alexanderplatz: Damals hatten sich dort mehr als 15.000 linke Demonstranten dicht gedrängt, ohne dass die Polizei die Kundgebung auflöste. Ein Sprecher der Organisatoren: "Bei denen macht man es nicht, bei uns macht man es aber."