Berlin buddelt

Goldring von 1400! Schon 300.000 Funde bei Molkenmarkt-Grabungen

Kämme, Münzen, ein Steinpüppchen – diese und weitere spannende Stücke haben die Archäologen schon bei den Grabungen am Berliner Molkenmarkt gefunden.

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Archäologin Anna Schimmitat bei den Ausgrabungen am Molkenmarkt in einem alten Elektrizitätswerk.
Archäologin Anna Schimmitat bei den Ausgrabungen am Molkenmarkt in einem alten Elektrizitätswerk.Britta Pedersen/dpa

Was treiben die da eigentlich am Molkenmarkt? Diese Frage haben sich bestimmt schon viele Berliner gestellt. Seit 2019 finden am ältesten Platz der Hauptstadt archäologische Grabungen statt. Einsehbar ist das eingezäunte Gebiet leider nicht, aber jetzt gibt der Projektleiter der Ausgrabungsstätte mal ein paar Einblicke und verrät, was sie schon so alles gefunden haben!

Schon 300.000 Fundstücke am Molkenmarkt

Der wissenschaftliche Projektleiter Eberhard Völker berichtet jetzt stolz der Deutschen Presse-Agentur: Man habe bei den groß angelegten archäologischen Grabungen am Berliner Molkenmarkt schon rund 300.000 Objekte gefunden und dokumentiert!  Die Funde seien mitunter total spannend und wichtig für die Geschichte der Stadt. So legen einige urgeschichtliche Stücke nahe, dass sich bereits vor 8000 bis 10.000 Jahren Menschen in der Gegend des heutigen Berlin aufgehalten haben!

Warum hier so viel Geschichte in der Erde steckt? Der Molkenmarkt ist der älteste Platz Berlins und blickt auf rund 800 Jahre Siedlungsgeschichte zurück: Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Bebauung mit Steinhäusern versank gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Trümmern. Anschließend wurden weite Teile des zwei Hektar großen Areals zugeschüttet, unter anderem entstand zwischen Rathaus und Stadthaus die heutige Grunerstraße als breite Magistrale.

Die Archäologen untersuchen das Areal systematisch und schrittweise in drei bis fünf Metern Tiefe. Dabei kommt ein Bagger zum Einsatz, es ist aber auch viel Handarbeit mit Schaufeln, Sieben, Spachteln, Besen und anderem Werkzeug nötig.

Eberhard Völker, Projektleiter der Grabung am Molkenmarkt, hält ein bearbeitetes Geweihstück aus dem 13. oder 14. Jahrhundert.
Eberhard Völker, Projektleiter der Grabung am Molkenmarkt, hält ein bearbeitetes Geweihstück aus dem 13. oder 14. Jahrhundert.Britta Pedersen/dpa

Das sind die spektakulärsten Funde

Ganz aufgeregt verrät der Experte vom Landesdenkmalamt: „Unser wohl spektakulärster Fund war ein Goldring mit Schmuckstein aus der Zeit um 1400. Bis dahin war kein Fund eines Ringes aus jener Zeit in Berlin dokumentiert. Wir nennen ihn deswegen auch Berliner Ring.“

Ebenfalls spannend: In einer großen – vor Hunderten Jahren womöglich als Latrine genutzten – Grube entdeckte das Grabungsteam ungewöhnlich viele Alltagsgegenstände aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Dazu zählten ein silberbeschlagener Gürtel, mehr als 1000 Lederobjekte wie Schuh- und Bekleidungsreste, hochwertige Ofenkacheln, 200 Kilogramm damals sehr teures Fensterglas, Gefäße aller Art, Kämme, Münzen, ein Steinpüppchen, Würfel oder Murmeln.  

Direkt neben dem Roten Rathaus wurden außerdem die Reste eines 1889 eröffneten Kraftwerkes freigelegt, genannt „Centralstation“. „Der Komplex zeugt von den Anfängen der Elektrifizierung Berlins“, erklärt Völker. 30 Jahre lang wurde dort aus Dampf Strom erzeugt. Später diente die Anlage als Umformwerk, wandelte also Gleichstrom in Wechselstrom um.

Hier sieht man die Fliesen des alten Elektrizitätswerks.
Hier sieht man die Fliesen des alten Elektrizitätswerks.Britta Pedersen/dpa

Wie lange graben die Archäologen noch?

Wann werden eigentlich die großen Pläne für den Molkenmarkt umgesetzt? Innerhalb eines Jahrzehnts soll hier nämlich ein neues Stadtquartier mit Wohnungen, Gewerbe, Kultur und Erholungsmöglichkeiten entstehen. Aber die Pläne des Berliner Senats müssen warten – und zwar auf die Grabungen der Archäologen. 

„Unsere Grabungen werden voraussichtlich bis 2025 dauern“, mutmaßt Völker. Sein 18-köpfiges Team umfasst unter anderem Archäologen, Grabungstechniker und -helfer, Fundbearbeiter, Zeichner und Dokumentare. Ihre Aufgabe ist es, die Funde zu bergen, zu fotografieren und dokumentieren und schließlich zu inventarisieren. Anschließend werden sie beim Landesdenkmalamt im Stadthaus direkt am Molkenmarkt oder in Räumlichkeiten in Charlottenburg eingelagert.

Aber auch alte bauliche Strukturen, die nicht geborgen werden und später im Zuge des Neubaus verschwinden, sollen der Nachwelt ein Stück weit erhalten bleiben. Eine wichtige Rolle dabei spielt die sogenannte SFM-Dokumentationstechnik, mit deren Hilfe das gesamte Areal für ein virtuelles Abbild dreidimensional erfasst wird.

Die Grabungen am Molkenmarkt werden voraussichtlich bis 2025 dauern.
Die Grabungen am Molkenmarkt werden voraussichtlich bis 2025 dauern.Britta Pedersen/dpa

Archäologen rechnen mit noch viel mehr Funden

Die Aufarbeitung und Analyse des allermeisten gewonnenen Materials wird nach den Worten Völkers erst 2026 beginnen. Bis dahin haben die Grabungen Priorität, die in einem engen Zeitplan stattfinden. „Wir haben es hier mit der größten Stadtkerngrabung in Deutschland zu tun“, ordnet Völker die Arbeit ein. „Das ist der Siedlungskern von Berlin, das ist für Stadtgeschichte sehr wichtig. Wir graben quasi den damaligen Alltag aus.“

Vor allen Beteiligten vor Ort liegt noch eine große Aufgabe. Der nächste Grabungsabschnitt wird im kommenden Jahr unter der Grunerstraße eröffnet. „Bis zum Ende unserer Untersuchungen rechne ich mit zahlreichen weiteren Fundstücken“, schätzt Völker.

Bereits 2024 sei eine erste etwas breitere Präsentation von Funden im dann eröffneten Archäologischen Haus am Petriplatz geplant. Später im neuen Stadtquartier soll die lange urbane Historie des Molkenmarktes in sogenannten archäologischen Fenstern sichtbar werden, in denen Ergebnisse der Ausgrabungen gezeigt werden.