Glienicker Park: Wie die Stadt Berlin einen Bezirk hängen lässt
Der Landschaftspark Glienicke, Berliner Teil des Weltkulturerbes rechts und links der Havel, ist in schlechtem Zustand und gesperrt. Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf müht sich und will einen Teil im März wieder zugänglich machen.

UNESCO-Weltkulturerbe – ein großer Schatz, mit dem sich Berlin wegen 116 Hektar Kulturlandschaft kurz vor der Glienicker Brücke schmücken kann. Mit Schloss Klein-Glienicke, Jagdschloss Glienicke, Casino, Remise, Orangerie, Großer Neugierde und weiteren schmucken Gebäuden. Nur dumm, dass rund 90 Hektar davon, der Landschaftspark, seit 2020 komplett gesperrt sind. Der Aufenthalt ist lebensgefährlich, wie zusammengebrochene Bäume und abgestürzte Riesen-Äste zeigen. Dennoch soll bald ein Teil wieder des beliebten Ausflugsgebiet zugänglich sein.
Norbert Fußwinkel (62) ist seit fünf Jahren Leiter des Grünflächenamts von Steglitz-Zehlendorf und für den Park verantwortlich, der teilweise schon vor 2020 aus Naturschutzgründen abgeriegelt worden war. Er zeichnet ein ziemlich düsteres Bild: „Im Park stehen rund 5000 Bäume, von denen sind etwa 4500 geschädigt.“

Vier der fünf vergangenen Jahre seien zu trocken gewesen, in der Summe fehle der Niederschlag eines kompletten Jahres. Die Bäume – vorwiegend Rotbuchen und Eichen – litten unter Wassermangel. Viele stehen praktisch auf einer Art Sanddüne, durch die Regenwasser schnell so schnell versickert, dass die Wurzeln wenig abbekommen. Grundwasser ist für die Bäume nicht erreichbar.
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Dazu kommt: „Bäume sind Lebewesen, sie sind sterblich.“ Immerhin wurde der Park schon vor knapp 200 Jahren vom Gartenkünstler Peter Joseph Lenné angelegt. Brechen Stürme beispielsweise Teile der Kronen der alten Rotbuchen ab, beschleunigt sich der Verfall: Die Sommersonne scheint dann ungehindert auf die dünne Rinde dieser Baumart.
Sie bekommen buchstäblich Sonnenbrand. Die Rinde, durch die die Versorgung des Baums mit Wasser läuft, versagt an den Schadstellen ihren Dienst.
Für die Pflege des Parks bräuchte der Bezirk zwei Millionen Euro im Jahr
Mit der Baumkontrolle und die Pflege kommt das Grünflächenamt kaum hinterher. Fußwinkel: „Ich habe rund eine Million Euro pro Jahr zur Verfügung, bräuchte aber das Doppelte.“ Nur drei bis vier Mitarbeiter und von Fall zu Fall Fremdfirmen könnten sich regelmäßig kümmern.

Diese Klagen führt der Bezirk seit vielen Jahren, zu einer besseren Finanzausstattung durch Berlin hat das nicht geführt. Obwohl die Erkenntnis da ist, wie die Senatsumweltverwaltung von Bettina Jarasch (Grüne) erklärt: „Die Ressourcenausstattung für die bezirkliche Grünflächenpflege bedarf angesichts der zusätzlichen Herausforderungen im Zuge von schädlichen Effekten des Klimawandels einer umso wirksameren und nachhaltigeren Verbesserung.“
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Allein für den Park wären etwa 20 Mitarbeiter nötig, sagt Norbert Fußwinkel. Das habe eine Untersuchung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ergeben, die den Park eigentlich einmal übernehmen sollte. So steht es in einem Staatsvertrag von 1994.
Der aber bis heute nicht umgesetzt wurde. Die Stiftung zählt deshalb weiterhin nur den südwestlichen Zipfel mit Schloss Klein-Glienicke und dem nicht gesperrten sogenannten Pleasureground zu ihrem Eigentum.

Also muss das Grünflächenamt mit seinen knappen Mitteln irgendwie hinkommen. Fußwinkel weist beim Besuch des Parks auf zwei Teams einer Baumpflegefirma, die einzeln stehende Bäume beschneiden: „Das hier ist eine Eiche, mit weit ausladenden Ästen, ein Prachtexemplar.“
Ein armdicker Ast, der aus größerer Höhe herabfällt, kann einen Menschen töten
Und doch voller Höhlungen und Faulstellen durch Pilzbefall. „Schon ein vielleicht armdicker Ast, der in größerer Höhe abbricht, kann einen Menschen erschlagen.“

Im März, so erwartet es Fußwinkel, kann er nach dem Einsatz von rund 100.000 Euro den an die Königstraße grenzenden, südlichen Teil des Parks, die „Schlosswiese“, wieder für Besucher freigeben.
Bäume und Baumgruppen werden eingezäunt, zum Schutz der Besucher
Bis dahin ist noch einiges zu tun. So sollen einzelne Baumgruppen aus Sicherheitsgründen mit Wildzäunen umgeben werden, wie es bereits bei einigen Baumgruppen erfolgt ist.
Besucher können dann zwar wieder durch Teile des Parks spazieren, aber im Sommer werden sie werden sie unter den alten Riesen keinen Schatten suchen dürfen.

Warum wird der Park nicht neu angelegt, wo er doch eine künstliche Landschaft und altersschwach ist?
Nun könnte man auf die Idee kommen, die ganzen alten Bäume zu fällen und den Park komplett neu zu bepflanzen, handelt es sich doch ohnehin um eine künstliche Landschaft. „Nein“, sagt Fußwinkel, „dann bekomme ich es mit dem Artenschutz zu tun.“

Spechte, Raben, Sperber und seltene Käfer leben im Landschaftspark Glienicke
Nicht nur Sperber und Kolkraben wohnen im Landschaftspark, sondern auch Fledermäuse und jede Menge Spechtarten. Die sind begeistert von alten Bäumen, weil darin leckere Insekten leben. Die auch unter Schutz stehen, wie die Käferarten „Eremit“ und „Heldbock“.
Persönlich freut sich Norbert Fußwinkel auf den Frühling in „seinem“ Park, mit frischem Grün an den Bäumen und – ja, so heißt er wirklich – „Seltsamem Lauch“, der dann vielerorts grün und mit weißen Blüten den Boden bedecken wird.

Ruinen schaffen ohne Waffen
Seit nunmehr 29 Jahren gibt es einen Vertrag, der unter anderem die aus historischen Gründen zersplitterten Eigentumsverhältnisse auf der Berliner Seite des Potsdam-Berliner Weltkulturerbes unter dem Dach der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) vereinheitlichen soll.
Der Senat antwortete mit wohlgesetzten Worten, aber doch nur ausweichend, warum das bislang nicht geklappt hat, die SPSG gar nicht.
Das Ergebnis der Nicht-Kooperation und Unterfinanzierung zulasten eines unterfinanzierten Bezirks ist lebensgefährlich und kulturell eine Tragödie, reicht das Geld doch offenbar nicht einmal mehr, um historische Gebäude wie das Matrosenhaus zu erhalten (F.).
Gerhard Lehrke