Gibt es in Brandenburg bald Grenzkontrollen als „Migrationsbremse“?
Stationäre Grenzkontrollen sind im Schengenraum nur begrenzt möglich, nun sollen sie helfen, illegale Migration einzudämmen.

An der Grenze Brandenburgs zu Polen könnten schon bald stationäre Grenzkontrollen stattfinden. Der brandenburgische Innenminister sieht Eile geboten, um illegale Einreisen einzudämmen. Der freie Grenzübertritt wie etwa an der Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) wird immer wieder von Schleusern für illegale Einreisen missbraucht.
In den vergangenen zwei Jahren ist die deutsch-polnische Grenze von der Öffentlichkeit fast unbemerkt zu einer der Hauptrouten der illegalen Einwanderung geworden, schrieb die Berliner Zeitung im April. An allen bundesdeutschen Grenzen stelle die Bundespolizei einen kontinuierlichen Anstieg unerlaubter Einreisen fest – circa 92.000 Personen kamen im vergangenen Jahr. Im Brandenburger Grenzabschnitt zu Polen griffen Polizisten im vergangenen Jahr mehr als 7400 „Illegale“ auf, so die Berliner Zeitung. Im März dieses Jahres gab es hier 800 Einreisen, was einer Steigerung von 32,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht.
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Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen hält daher zur Eindämmung dieser Einwanderung eine schnelle Einführung stationärer Kontrollen an der Grenze zu Polen für machbar. Er hoffe, dass es befristete Binnengrenzkontrollen „sehr bald“ geben werde, sagte der CDU-Politiker.
Stübgen nannte einen erhofften Start Anfang Juni.
Wachsende Proteste in der Bevölkerung
Der Innenminister befürchtet angesichts der anhaltenden illegalen Einreisen auch wachsende Proteste in der Bevölkerung gegen neue Flüchtlingsunterkünfte. „Die Kapazitäten sind an enge Grenzen geraten“, sagte er. „Gerade die Errichtung neuer Unterkünfte in Kommunen stößt auf immer stärkeren Widerstand sowohl der Bevölkerung als auch der kommunalen Ebene.“
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Der Landrat des Havellandes, Roger Lewandoswki (CDU), sagte nach der gemeinsamen Sitzung mit dem Kabinett zur Flüchtlingsaufnahme: „Es herrscht auch eine angespannte Stimmung in der Bevölkerung.“ Das Klima verändere sich. Der Landkreis sucht derzeit Grundstücke, um neue Quartiere für Geflüchtete zu schaffen. In dem Landkreis gibt es Überlegungen für Container-Wohnanlagen, um mehr Plätze für Flüchtlinge zu schaffen.

Zu befristeten Binnengrenzkontrollen gegen unerlaubte Einreisen gibt es laut Innenminister Stübgen einen gemeinsamen Vorstoß mit den Ländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg. Der grüne Koalitionspartner in Brandenburg lehnt solche stationären Kontrollen jedoch ab. „Wir halten das für problematisch und lehnen es ab“, sagte Integrationsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne).
Keine Schlagbäume, aber Zurückweisungen möglich
Stübgen hält Binnengrenzkontrollen dagegen für eine sinnvolle Migrationsbremse. Er sagte, es würden keine Schlagbäume an der deutsch-polnischen Grenzen errichtet, aber bei Versuchen der unerlaubten Einreise seien dann auch Zurückweisungen möglich. Die Bundespolizei sei sehr leistungsfähig und könne das stemmen. Die Landespolizei werde die Einführung von Grenzkontrollen unterstützen.
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Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) befürwortete den Vorstoß für Grenzkontrollen nach bayerischem Vorbild. Es gehe darum, die Kontrolldichte zur Bekämpfung illegaler Migration und der Schleuser-Kriminalität deutlich zu erhöhen.
In Bayern wird seit dem Herbst 2015 an der Grenze zu Österreich kontrolliert, nachdem sich Zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten. Eigentlich aber gibt es im Schengenraum, dem 26 europäische Länder angehören, keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen.

Studie: Grenzkontrollen sind laut EU-Recht nicht rechtens
Eine Studie, die eine Grünen-Politikerin in Auftrag gegeben hatte, urteilt eindeutig: Kontinuierliche Kontrollen an den deutschen Grenzen sind nicht mit dem Europarecht vereinbar. „Grenzkontrollen aufgrund irregulärer Migration einzuführen verstößt gegen unsere gemeinsamen Regeln für offene Grenzen in der EU. Dass die Kontrollen zwischen Bayern und Österreich seit der sogenannten Migrationskrise 2015 ununterbrochen andauern, macht sie nicht legal“, erklärte die sächsische Europaabgeordnete Anna Cavazzini (Grüne).
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Laut Studie kann ein Schengen-Mitgliedstaat nur in begründeten Ausnahmefällen und für eine maximale Dauer von sechs Monaten bei Bedrohung der öffentlichen Ordnung temporäre, stationäre Grenzkontrollen durchführen. Dies kann durch eine Empfehlung des Europäischen Rates in Ausnahmefällen auf bis zu zwei Jahre verlängert werden. Erneute Kontrollen müssten durch die Mitgliedstaaten mit einer neuen Bedrohungslage begründet werden. Migration stelle allein keine begründete Bedrohung der öffentlichen Ordnung nach Schengener-Grenzkodex dar.