30 Jahre Wintergarten-Varieté

Georg Strecker: Ist dieser Mann Berlins größtes Varieté-Genie? SO rettete er den berühmten Wintergarten vor dem Untergang

Am Wochenende gab es den großen Jubiläumsempfang im Theater in Berlin. Dabei waren die Zeiten längst nicht immer rosig.

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Georg Strecker ist seit 1998 Geschäftsführer des Wintergarten-Varietés.
Georg Strecker ist seit 1998 Geschäftsführer des Wintergarten-Varietés.imago/Eventpress

Im Vorhof zum Glücklichsein ist der Hinterhof der begehrteste Platz – zumindest an diesem Sonnabendabend. Das Wintergarten-Varieté feierte seinen 30. Geburtstag mit einer – Pardon! – Fressmeile hinterm Haus, die schlaraffenlandähnliche Ausmaße hatte und viel Prominenz in die Potsdamer Straße lockte. Dort wurde gedrängelt, gequengelt, geschmaust und gezaust.

Bei Milchkalb und Currywurst, Champagner und Edel-Rosé tanzten Dagmar Frederic, Falk-Willy Wild, Fiona Bennett, Sheila Wolf, Martina Conrad, Barbara Schöne, Hans-Peter Wodarz und Jo Groebel artistisch um die Fleischtöpfe. Vegetarisches gab es natürlich auch.

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Seit 30 Jahren erstrahlt der Wintergarten in der Potsdamer Straße.
Seit 30 Jahren erstrahlt der Wintergarten in der Potsdamer Straße.Wintergarten-Varieté

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) war ebenfalls zum Gratulieren gekommen („Der Wintergarten hat alle Höhen und Tiefen der Stadt mitgemacht, und immer wieder ist er zurückgekehrt – weil Berlin die Amüsier-Hauptstadt ist und bleibt“). Auch der Ex-Regierende Michael Müller (SPD) warf sich ins Getümmel und genoss die schillernde Bühnenshow von Schrill-Ikone Désirée Nick, von Otto Wessely, dem König der Comedy-Zauberer, von Rodrigue Funke und Hündin Lulu, von Jongleur Phil Os, den Mohamed Brothers, Eliane Baranton und Dasha & Vadym.

Wintergarten-Gründer Peter Schwenkow: „Uns kroch der Wahnsinn ins Gehirn“

Die verwegenste Rede des Abends hielt der große Peter Schwenkow. Er hatte den Wintergarten in seiner heutigen Form gemeinsam mit André Heller und Bernhard Paul (Letztere beharkten sich doch ziemlich) gegründet: „Uns kroch der Wahnsinn ins Gehirn.“ Und warum auch nicht, wenn dabei so ein Theater herauskommt!

15 Jahre ging es gut, dann ging das Geld aus. Georg Strecker, Geschäftsführer seit 1998, riss das Ruder rum. Er jonglierte mit neuem Geld und katapultierte das Haus in die nächste Erfolgs-Liga. Wie zum Teufel ist ihm das gelungen? Der KURIER fragte bei Georg Strecker nach.

Berliner KURIER: 30 Jahre Wintergarten. Ein Auf und Ab. Das Trio Schwenkow, Heller und Paul hatte zunächst alles richtig gemacht, aber 2008 ging das Geld aus. Sie waren damals schon dabei, haben das Ruder rumgerissen ...

Georg Strecker: Also nicht ich habe das Ruder rumgerissen. Da haben viele Faktoren mitgeholfen – und auch das war ein steiniger Weg. Zum einen hat unser neuer Chef sich in einer unglaublichen Weise engagiert – insbesondere ganz enorm finanziell, aber auch sonst mit Rat und Tat (Arnold Kuthe Entertainment GmbH, d. Red.). Dann bedarf so etwas eines tollen, verlässlichen und für das Haus brennenden Teams – das haben wir, und das hat fantastisch geholfen. Es brauchte – wie es, neben einem rundum perfekten Service für unsere Gäste, immer unser oberstes Ziel ist – herausragende Artisten und Künstler auf unserer Bühne, und kreative Regisseure, die daraus die wunderbarsten Shows gestalten.

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Das sprichwörtliche glückliche Händchen – das auch?

Ein bisschen Fortüne bei der Auswahl der Showthemen war unterm Strich auch dabei. Und ganz besonders brauchte es ein begeistertes Publikum, das diesen Weg mit uns gegangen ist.

Georg Strecker begrüßt DDR-Ikone Dagmar Frederic im Wintergarten.
Georg Strecker begrüßt DDR-Ikone Dagmar Frederic im Wintergarten.imago/Eventpress Herrmann

In der Berliner Kulturszene ist es nahezu einmalig, dass man einen potenten Investor hinter sich weiß, der sich auch von Krisen nicht beeindrucken lässt. Das ist sicher ein Wettbewerbsvorteil, der einen Theater-Chef ruhig schlafen lässt. Welche Freiheiten ermöglicht das?

Wie schon erwähnt: Natürlich hilft es enorm, wenn ein Eigentümer so viele Ressourcen bereitstellt, um das Haus auf einen guten Weg zu bringen, durch bauliche und andere Maßnahmen allerbeste Voraussetzungen schafft, unsere Gäste rundum zu begeistern. Wenn man von solchen äußeren Weichenstellungen erst mal weitgehend den Rücken frei hat, hilft es sehr, dass man sich intensiver um die intendantischen Fragen kümmern kann, also was wir auf der Bühne präsentieren, um das gastronomische Konzept, den allgemeinen Betrieb des Hauses, Werbung und Marketing – und nicht zuletzt um die perfekte Betreuung der Gäste. Und in der Tat haben wir im operativen Betrieb dann hier weitgehend freie Hand ...

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Aber, und das ist mir wirklich sehr wichtig, das noch anzufügen: Diese wirklich tollen Voraussetzungen, die unser Chef geschaffen hat, begreifen unser Team und ich als eine große Verpflichtung, tagtäglich unser Bestes dafür zu geben – auf und hinter der Bühne, in unserem gastronomischen Tun und dem Service für unsere Gäste –, dass dieses wunderbare Theater dauerhaft Erfolg hat.

Welche Künstler waren Ihnen in all den Jahren die liebsten, auf welche hätten Sie gern verzichtet?

Also die Liste mit dem Verzichtskandidaten ist erfreulicherweise recht kurz. Manchmal hat es einfach im zwischenmenschlichen Bereich nicht so ganz gut gepasst. Und auch bei den Regisseuren hat es ein paar Mal nicht so ganz perfekt hingehauen, deren Ideen am Ende wirklich gut mit der künstlerischen Linie des Wintergartens in Einklang zu bringen. Insbesondere ein Regisseur aus Österreich – der weder André Heller noch Bernhard Paul heißt! – hat sich hier leider sehr unrühmlich hervorgetan.

Und die Lieblingskünstler?

Bei den Lieblingskünstlern würde das eine schier unendliche Liste werden. Denn wenn nicht eigentlich alle unsere Künstler, jeder auf seine eigene Weise, ganz wunderbar wären – dann würden wir sie ja gar nicht erst auf die Bühne lassen. Da jemanden herauszuheben, ist wirklich schwer. Verdient hätten es viele – nennen möchte ich nur ein paar.

Dieter Tasso – langjähriger Star in Las Vegas, Paris und auch sonst weltweit. Und zwar schon als junger Mann. Er stand auf einem schwankenden Schlappseil auf einem Bein, mit dem anderen warf und stapelte er sich eine Tasse nach der anderen auf den Kopf, daher sein Künstlername. Älter geworden, musste er das Schlappseil durch den festen Boden ersetzen und machte das aber durch eine enorm lustige Comedy wett, die ihn – neben dem Tassenstapeln – dann erst recht noch mal berühmt machte.

Er trat bei der Geburtstagsparty auf: Weltklasse-Jongleur Phil Os.
Er trat bei der Geburtstagsparty auf: Weltklasse-Jongleur Phil Os.Wintergarten-Varieté

Der wunderbare Konrad Thurano, der schon im alten Wintergarten 1934 mit von der Partie war – und bei uns auch mit 97 Jahren noch allabendlich, mit seinem auch schon über 60-jährigen Sohn, auf der Bühne stand. So bescheiden und so wunderbar. Das waren Sternstunden des Wintergartens. Leider gibt es diese liebenswerte Kategorie von Künstlern heute kaum noch.

Wer sind die Ausnahmen?

Gerade jetzt haben wir zwei wirklich wunderbare Damen auf der Bühne. Einmal Eliane Baranton – sie stand schon mit Frank Sinatra und Josephine Baker auf der Bühne. Beziehungsweise, sie lag meistens auf dem Rücken, denn auch heute noch jongliert sie mit ihren Füßen. Sogar einen veritablen Tisch wirbelt sie dabei in rasender Geschmeidigkeit um mehrere seiner Achsen.

Diva Tomasz, die als Dame der Unterwelt lange Zeit das Publikum vor und nach dem Gang auf die schönsten Toiletten der Stadt unterhalten hat.
Diva Tomasz, die als Dame der Unterwelt lange Zeit das Publikum vor und nach dem Gang auf die schönsten Toiletten der Stadt unterhalten hat.Wintergarten-Varieté

Nicht minder faszinierend: Die großartige Nathalie Enterline, die so wirklich unglaublich fantastisch tanzt, dass man gar nicht erst versuchen sollte, das zu beschreiben. Man sollte einfach kommen – und genießen.

Sie haben fast 25 Jahre für dieses Theater gelebt. Das ist Ihr Lebenswerk. Und zwar ein sehr gelungenes. Sind Sie wunschlos glücklich, oder trauen Sie sich zu, noch mal was Neues anzupacken?

Wenn man so hohe Ansprüche hat, sich so große Ziele setzt, dann ist man nicht immer so wirklich rundum glücklich. Aber insgesamt kann der Wintergarten, können unsere Mitarbeiter und alle unsere Künstler schon mächtig stolz darauf sein, was wir in den 30 Jahren geleistet haben – und wie das Haus gerade jetzt dasteht. Und beflügelt davon, werden wir ganz gewiss noch sehr viel Neues anpacken. Ich persönlich traue mir sowieso immer noch was Neues zu – auch weiterhin.