Fuchteln, boxen, fliegen, arbeiten: KURIER testet das Metaverse. Was taugt die VR-Brille Quest 2 wirklich?
Die VR-Brille ist die Eintrittskarte in virtuelle Welt, die für Meta-Gründer Mark Zuckerberg die Zukunft des Internets ist.

Beim ersten Mal fühle ich mich etwas orientierungslos. Beim Anlegen der VR-Brille und der beiden Controller brauche ich Hilfe wie ein Astronaut beim Anlegen des Raumanzuges. Wie soll ich die Controller in die Hand nehmen, wenn ich mit angelegter Brille nichts mehr sehe? An mir wird rumgezurrt, endlich sitzt alles.
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Das Brandenburger Tor, das ich eben noch durch die Panoramafenster eines Hochhauses am Potsdamer Platz sah, verschwindet und das neue Bild vor meinen Augen beamt mich in eine andere, in eine virtuelle Welt. In der ich mich anfangs etwas tollpatschig bewege. In einer Art Kontrollraum soll ich nach Knöpfen greifen und fasse immer wieder daneben. Erst langsam bekomme ich den Grobmotoriker in mir in den Griff.

Seit Dezember gibt es das VR-Headset Quest 2 von Meta auch in Deutschland. Meta, so heißt heute der Facebook-Konzern. Und VR steht für Virtual Reality, für virtuelle Realität. Die VR-Brille ist so etwas wie die Eintrittskarte ins Metaverse, einer virtuellen Welt, die für Meta-Gründer Mark Zuckerberg die Zukunft des Internets ist. Einer Welt, in der sich die User mit ihren Avataren treffen, kennenlernen, spielen. Ein wenig so wie in Steven Spielbergs Dystopie „Ready Player One“. Nur soll das Metaverse nicht wie in diesem düsteren SciFi-Film unsere Realität ersetzen, sondern parallel dazu existieren.
Eine Milliarde User sollen sich im Jahr 2030 im Metaverse bewegen
Auch die Arbeitswelt soll ihren Platz im Metaverse finden. In den „Horizon Workrooms“ lassen sich mobile Büros eröffnen, der eigene Arbeitsplatz digital nachbauen. Eine Milliarde User sollen sich im Jahr 2030 im Metaverse bewegen, erzählt mir ein Pressesprecher in der Berliner Meta-Zentrale am Potsdamer Platz.

Meine ersten Schritte im Metaverse sind zaghaft. Und erst mal nur wenige. Bis zu einem Sessel. Vier Teststationen für das VR-Headset sind in der Meta-Zentrale aufgebaut. Meine erste ist die perfekte für Anfänger. Nichts tun, nur gucken und staunen. Vor meinen Augen öffnet sich eine riesige virtuelle Welt, auf der Insekten in Großaufnahme über Blumen krabbeln, ein Schmetterling in Zeitlupe nur wenige Zentimeter vor meinen Augen vorbeiflattert. Etwas surreal. Alles wirkt wie in echt, aber so nah, als ob ich trotzdem durch eine Lupe schauen würde.
Die VR-Brille kostet ab 450 Euro und wiegt 500 Gramm
Ich schaue mir den Trailer zu „Conquest of the skies“ an, Kurzfilme, die der preisgekrönte britische Naturfilmer David Attenborough für die VR-Brille gedreht hat. Denn auch dafür ist die Quest 2 da. Um Filme wie im Kino zu schauen, wie auf einer großen blickfüllenden Leinwand – nur eben ohne echte Leinwand. Filme von Netflix, Amazon, YouTube. Alles ist möglich.
500 Gramm wiegt die 450 Euro (128 GB) teure Brille, aber an das Gewicht gewöhnt man sich schnell. Dank dem mitgelieferten Brillenabstandshalter funktioniert auch das Spielen mit Sehhilfe. Allerdings nicht mit Gleitsichtbrille, wie ich beim ersten Versuch schnell feststelle.

Die VR-Brille hat Fast-Switch-LCD-Displays mit einer Auflösung von 1832 x 1920 Pixeln verbaut, die Bildfrequenz liegt bei 90 HZ. Die Bilder sind scharf, auch Bewegungen werden flüssig dargestellt. Sehr gut: Alles funktioniert kabellos. Man kann einen PC anschließen, muss aber nicht. Die Quest 2 ist quasi selbst die Konsole. Über den VR-Store lassen sich Apps, Spiele und Filme direkt und kabellos auf die Brille laden.
Virtuell vs. Realität: Beim Spielen muss man aufpassen, dass man nicht die Einrichtung zerlegt
Platz benötigt man trotzdem. Meta empfiehlt mindestens zwei mal zwei Meter. Als ich für einen Moment die Brille absetze und zur Teststation neben mir schaue, weiß ich auch warum. Da fuchtelt ein Kollege von Kiss FM in gebückter Haltung hektisch mit den Händen rum, als müsste er den Angriff einer Armada kniehoher Ameisen abwehren. Dabei spielt er nur. Ein Fitness-Spiel. „FitXR“. Ein Spiel, das sich wie Sport anfühlt. Schweißtreibend. Und da man dabei nur die virtuelle Welt sieht, muss man aufpassen, dass man mit seinen Bewegungen nicht die Realität, also die Einrichtung ringsherum, zerlegt.
Dank der beiden handlichen Controller, die man über die Hände zieht, werden die Bewegungen exakt in die virtuelle Welt übersetzt. Vorausgesetzt, man weiß, was man tut. Also nicht gleich losspielen, sondern anfangs erst mal trainieren. Wie man greift, wirft, eine Faust ballt und mit dem Zeigefinger Schalter bedient.

Oder man steht da wie ich, als ich versuche, Iron Man zu werden. Ich schaffe es zwar virtuell, in den Iron-Man-Anzug von „Marvel’s Iron Man VR“ zu schlüpfen. Ich drücke mit dem Zeigefinger am Controller, drehe mich – doch nichts passiert. Da ist er wieder, der Grobmotoriker. Ich stehe an irgendeinem Strand wie 1000 Tonnen Eisen und schaffe es nicht mal, ein paar Zentimeter abzuheben. Trotz aller guten Ratschläge des Meta-Fachpersonals.
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„Beat Saber“ liegt mir mehr, ein Rhythmus-Spiel, bei dem man im Takt der Töne mit einem Säbel kleine Würfel wegschlagen muss. Wenn man die Trottelphase überwunden hat, und die dauert bei mir gut fünf Minuten, und versteht, was man tun muss, macht das richtig Spaß. Wie einst bei Tetris wird „Beat Saber“ von Level zu Level schneller. Ein Game mit Suchtcharakter.

Ein wenig erinnert das Spielen mit der Quest 2 an die Wii-Konsole von Nintendo. Als Spielen zum echten schweißtreibenden Sport wurde. Man nicht nur die Finger, sondern den ganzen Körper bewegen musste. Muskelkater am nächsten Morgen inklusive. Nur fügt die VR-Brille dem eine neue Dimension hinzu. Hier spielt man nicht nur, sondern wird wirklich zum Teil des Spiels.