In Berlin wird um neue Radwege gestritten

FU-Professorin: Jeder Radfahrer mehr ist ein Autofahrer weniger

In Berlin sind im letzten Jahr über 7000 Fahrradfahrer verunglückt: „Das liegt vor allem an der mangelhaften Infrastruktur.“

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Eine viel befahrende Kreuzung: Radfahrer auf der Schönhauser Allee an der Ecke Danziger Straße.
Eine viel befahrende Kreuzung: Radfahrer auf der Schönhauser Allee an der Ecke Danziger Straße.Sabine Gudath

Mehr Radwege, weniger Radwege, andere Radwege? Nach der Entscheidung der Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), geplante Radweg-Projekte erst mal auf Eis zu legen, eskaliert der Streit in der Hauptstadt. Jetzt ergreift die Berliner Klimapolitik-Expertin Lena Partzsch Partei und sagt: „Jeder Radfahrer mehr ist ein Autofahrer weniger.“

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Ob mehr oder weniger Radwege gebaut werden, hat nach Einschätzung der Berliner Klimapolitik-Expertin Lena Partzsch weitreichende Konsequenzen. „Radwege sind wichtig für die Verkehrswende. Der Verkehrssektor hat einen Anteil von rund 20 Prozent an den Treibhausgasemissionen in Deutschland, und die Pkw-Dichte nimmt zu und nicht ab“, sagt die Politikwissenschaftlerin, die an der Freien Universität (FU) lehrt. „Jeder Radfahrer mehr ist ein Autofahrer weniger. Und weniger Autos bedeuten auch weniger Luftverschmutzung und eine höhere Lebensqualität.“

Im vergangenen Jahr verunglückten 7000 Radfahrer auf Berlins Straßen

Der Bau von Radwegen sei außerdem viel günstiger als Ausbau und Betrieb von ÖPNV und Bahn. Hinzu komme der Aspekt Verkehrssicherheit, sagt Partzsch. In Berlin seien im letzten Jahr über 7000 Fahrradfahrer verunglückt. Sie sagt: „Das liegt vor allem an der mangelhaften Infrastruktur.“

Der Ausbau des Radwegenetzes ist in der Hauptstadt seit Wochen ein Streitthema, nachdem Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) angekündigt hat, die bisherigen Planungen auf den Prüfstand zu stellen. Am Mittwoch gab die Verkehrsverwaltung erste Ergebnisse zu elf Projekten bekannt: Sechs der geplanten Radwege sollen gebaut werden, fünf nicht.

Die Umweltforscherin Lena Partzsch plädiert für mehr Radwege in Berlin.
Die Umweltforscherin Lena Partzsch plädiert für mehr Radwege in Berlin.Hannes P Albert/dpa

„Tatsächlich nutzen immer mehr Menschen in Städten wie Berlin das Fahrrad“, argumentiert die Politikwissenschaftlerin. „Der Fahrradbestand nimmt in Deutschland zu, und die Fahrradindustrie hat weiter einen sehr guten Absatz.“

FU-Expertin: Berliner Klimapolitik hat Auswirkung auf ganz Deutschland

Nach Einschätzung der FU-Professorin geht es bei der Debatte in Berlin stark um Symbolpolitik. „Die Friedrichstraße wurde medienwirksam wieder für den Autoverkehr geöffnet, die parallel verlaufende Charlottenstraße jedoch teilweise als Fahrradstraße ausgewiesen.“ Keine Radwege zu bauen, habe jetzt starke symbolische Bedeutung.

„Wenn die deutsche Hauptstadt sich beim Verkehr vom Klimaschutz verabschiedet, schwächt das alle, die sich für ambitionierte Klimaziele einsetzen“, sagt Partzsch. „Wenn hier andere Prioritäten gesetzt werden, ist das eine Gefahr für die Motivation zu mehr Klimapolitik in der gesamten Republik.“

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Mit Blick auf das vom schwarz-roten Senat geplante Sondervermögen Klimaschutz hält Partzsch es für sinnvoll, da anzusetzen, wo der CO2-Ausstoß am höchsten sei: bei Energie, der Industrie und dem Verkehr. Grundsätzlich gehe es beim Klimaschutz aber auch darum, an entscheidenden Stellen gerade nicht zu investieren – also zum Beispiel Geld für den Ausbau von Autobahnen einzusparen.