Frische Blumen ohne Pestizide: Die gibt es jetzt direkt von der Blumenfarm in Pankow
Bio-Obst und Bio-Gemüse kennen die meisten, aber Schnittblumen? Die meisten sind noch immer voller Pestizide und kommen von weit her. Eigentlich...

Deutschland ist der zweitgrößte Importeur von Schnittblumen weltweit – mit einem Handelsvolumen von 1 Milliarde Euro im Jahr 2020. Die meisten Blumen an Tankstellen, in Discountern und Läden kommen aus den Niederlanden. Nicht wenige haben einen noch weiteren Weg aus Kenia oder Ecuador hinter sich. Gekühlt und per Schiff wurden etwa Rosen im Winter um die halbe Welt gefahren, um auf Blumenbörsen in Holland zum besten Preis verkauft zu werden. Nach kurzer Zeit landen sie verwelkt im Müll. Viele der Blumen sind zudem erheblich mit Pestiziden belastet, wie Studien gezeigt haben.
Blumen aus Pankow ohne Chemie und Pestizide
Dass das auch anders geht, saisonal und regional nämlich, wollen Reuben und Imke Glaser zeigen. Sie betreiben seit August 2020 auf einem Pankower Friedhof die „Mayda Blumenfarm“. In Handarbeit und gänzlich ohne Pestizide, Herbizide und mineralische Dünger kommen die beiden auf ihrer Farm aus. Es wächst, was gerade Saison hat.

Im April beginnt das blühende Farmjahr mit Narzissen in allen Farben und Formen. Sie duften intensiv und halten lange. Schließlich kommen sie frisch vom Feld in Pankow in die Vase. Auf Tulpen folgen Allium - Zierlauche, bis schließlich das große Sommerfeld in seiner vergänglichen Schönheit aufblüht. Bartnelken, Kornblumen, Cosmeen, Zinnien wachsen daneben Amaranth und anderen.
Dahlien sind die letzten Blumen im Pankower Beet
Auch wenn die Beete sich nun im November langsam leeren und die Blumen den kalten Nächten zum Opfer fallen, ist der Winter keine Zeit, in der nichts zu tun wäre. Einige Dahlien stehen noch und im Gewächshaus warten kleine Löwenmäulchen darauf, in den Boden zu kommen, die Zwiebeln müssen bald in den Boden. Im Februar beginnt die Anzucht weiterer Schnittblumen.

Reuben und Imke Glaser haben Erde an den Schuhen und trotz der Kälte an diesem Morgen viel zu tun. In Amerika, Reuben Glasers Heimat, ist die Slowflower Bewegung schon bekannter, erzählen sie. In Deutschland müsse man noch suchen, bis man Blumen findet, die ohne Chemie wachsen durften. Bisher sind etwa 130 Blumenfarmer und Floristinnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in der Slow Flower Bewegung, die Reuben und Imke mitgründeten, organisiert.
Die Pankower Blumenfarm steht auf einem Friedhof
Das Grundstück der Blumenfarm, 1200 Quadratmeter hinter Staketenzaun und direkt neben einer alten Friedhofskapelle ist ein Glücksgriff. Es ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen und doch ein Stück weit nicht von dieser Welt.

Tritt man durch das imposante Backsteinportal des Kirchhofs wird neben den Grabsteinen und inmitten von altem Efeu die Vergänglichkeit von Blumen und das immer wieder neu Wachsen, der Kreis des Lebens eben, besonders anschaulich. Es ist still hier, und mit etwas Phantasie klingt das Rauschen der Autos auf der nahen B96 wie das Meer.
Die Pankower Blumen-Profis stellen ihren eigenen Kompost her
„Die Berliner Friedhöfe sind grüne Oasen“, sagt Reuben Glaser. Am Anfang, als er noch nicht so lange in der Stadt war, hielt er sie für wunderschöne Parks. Der Profi-Musiker hat nun auf der Blumenfarm seine Berufung gefunden und ist für die Boden- und Pflanzengesundheit zuständig. Eigenen Kompost herstellen und mit Hilfe fermentierter Pflanzenstärkungsmittel die Blumen noch schöner zu machen – das ist seine Passion.
Die Erde hier soll an möglichst keiner Stelle brach liegen, die Glaser gärtnern nach den Prinzipien der Permakultur. Steckt man die Hand in die große Kompost-Miete, die Reuben aus Draht gebaut hat, ist es ganz warm drinnen. Aus jeden Teil hier wird etwas Neues. Im nächsten Frühjahr wird der Humus für neue Pflanzen Nährstoffe bereit halten.

„Wo es geht, arbeiten wir im Anbau mit der No-Till-Methode“, erklärt Imke Glaser. Der Boden wird dabei in Ruhe gelassen, er wird nicht gepflügt oder umgegraben, sondern als lebendiges System betrachtet, in dem etwa das Myzel aus Pilzsporen eine Symbiose mit Wurzeln eingeht.
Mit Pflanzen sprechen hilft, sagt die Großmutter
Wenn niemand schaut, kann es sein, dass Imke durch die Beetreihen läuft und mit den heranwachsenden Pflanzen spricht. Das hat sie von ihrer Großmutter gelernt. Auch die Mutter war schon gelernte Gärtnerin mit einem großen Selbstversorgergarten. Gartenbau und Kreativität zu vereinen, das ist das Ziel der 32-Jährigen.
Über das Geschäftsmodell müssen sich Reuben und Imke für die zweite Saison noch Gedanken machen. Aber sicher ist, es wird wieder ein wöchentliches Blumenabo ab circa 20 Euro geben. Kooperationen mit Kitas und Firmen sind denkbar. Aber auch Workshops im Blumenbinden und im Winter Workshops im Advent.

Der versteckte Garten wächst mit jedem Jahr, mit jedem Kunden. Slow, langsam, aber dafür nachhaltig. Im April 2022 geht es mit dem Blumenverkauf wieder los.
Mayda Blumenfarm: Dietzgenstr. 158, 13158 Berlin, www.maydablumenfarm.de