Freiwillige im Kampf gegen die Schweinepest: Outdoor-Training mit Knochenfund
Vom Großstädter weitgehend unbemerkt, spielt sich in Brandenburg seit einem Jahr der Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest ab. Unterwegs mit Freiwilligen.

Ungefähr ab der Ortschaft Parstein sind die Felder rechts und links der Straße mit Bauzäunen abgesperrt. Wie ein riesiges Festivalgelände nur ohne Party. Manchmal sitzt ein Greifvogel auf dem dünnen Draht, die Schwäne weiter oben am Himmel scheren sich sowieso nicht um solche irdischen Grenzen. Dies hier ist einer der letzten Zipfel Brandenburgs vor der polnischen Grenze. Drüben in Polen zu tanken ist leichter als im Landkreis Barnim, zu dem die Dörfer Parstein, Lunow, Lüdersdorf und Stolzenhagen gehören.
Vor etwas mehr als einem Jahr, präzise: im September 2020, erreichte die Afrikanische Schweinepest (ASP) Deutschland. Im brandenburgischen Spree-Neiße-Kreis wurde damals das erste infizierte Wildschwein entdeckt, sieben Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt.
Ein Jahr Kampf gegen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest
Seitdem kämpfen die Menschen in den betroffenen Gebieten gegen die Ausbreitung der Seuche, die Schweinehalter vor existenzielle Sorgen stellt. Und der Kampf kann noch lange dauern. Die Hoffnung, dass sich die Schweinepest eindämmen lässt, hat sich trotz aller Maßnahmen bisher nicht erfüllt. Hier im Barnim, wie auch in den angrenzenden Kreisen Uckermark und Märkisch Oderland, stehen sie in der ersten Reihe. Ein Bollwerk gegen die Krankheit, die sich im Westen Polens unter Wildschweinen nahezu ungebremst in Richtung Norden ausbreitet, wollen, ja, müssen sie sein.

Wir stehen an einem pastelligen Novembermorgen in einer sogenannten Kernzone, der bisher einzigen im Barnim. Hier erlegte am 25. Juli 2021 in der Nähe von Lüdersdorf ein Jäger zwei Frischlinge. Krank, wie sich später herausstellt. Die Afrikanische Schweinepest war mit der offiziellen Bestätigung durch das Friedrich-Löffler Institut am 28. Juli 2021 im Landkreis angelangt. Einen Tag später startete die Arbeit im Seuchen-Bekämpfungszentrum in einer alten Schule in Lunow.
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Die Ausbreitung von Afrikanischer Schweinepest verhindern
„Wir haben uns vorbereitet, haben schon im Vorfeld Zäune gebaut und aus dem Vorgehen in anderen Landkreisen gelernt“, sagt Robert Bachmann, der Pressesprecher im Landkreis. Das oberste Ziel sei es, die weitere Ausbreitung der ASP zu stoppen, um noch nicht betroffene Gebiete in Brandenburg und ganz Deutschland zu schützen.

Deshalb soll in einer weißen Zone zwischen dem bereits errichteten Schweine-Grenzzaun an der Oder und einem zweiten Zaun weiter im Landesinneren die gesamte Wildschwein-Population entnommen werden. Kadaver sollen geborgen werden, denn auch von ihnen geht die Gefahr einer erneuten Infektion aus. Und da kommen die Freiwilligen ins Spiel.
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Im August beginnen die ersten von ihnen hier mit der Suche nach Schweinen und deren Überresten. Sie suchen mit Drohnen, Kadaverhunden, sie organisieren Menschenketten. Robert Bachmann hat Zahlenmaterial mitgebracht: Acht Hubschraubereinsätze, 213 Drohnenflüge, 202 Einsätze von Kadaversuchhunden gab es bisher, 224 Mal sind Trupps durchs Unterholz gezogen, um verendete Wildschweine zu finden. Derzeit sind die Trupps jeden Dienstag und Donnerstag unterwegs. Es gab schon Zeiten, da waren sie täglich draußen.

Heute haben sich ein Jäger, Landwirte, ein Rentner aus Bernau, ein Feuerwehrmann aus Eberswalde, einer aus Schwedt, eine Sozialarbeiterin, eine Tierarzthelferin freiwillig gemeldet. Pro Trupp über 20 Männer und Frauen. Viele von ihnen sind schon oft dabei gewesen. Mit Kleinbussen fahren wir zu einem nahe gelegenen Waldstück.
„Wir haben hier in einem Gebiet von 350 Hektar sämtliche Wildschweine, Rehe, Füchse und ein Rudel Wölfe, ungefähr zehn Tiere, eingesperrt“, sagt Revierförster Martin Krüger. Einen Teil, ein winziges Quadrat auf einer großen Karte des Gebiets werden wir heute absuchen.
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„Alle nach rechts ausrichten", ruft Martin Krüger. Und die Freiwilligen stellen sich im Abstand von zwei bis drei Metern zu einer Kette auf. Wenn einer der beiden Anführer die Hand hebt, geht es los, immer geradeaus durch kniehohes, dichtes Brombeergestrüpp.

Erster Knochenfund nach einer Viertelstunde - Freiwillige durchkämmen Kernzone
Immer wenn einer der Suchenden Knochen oder Kadaverteile sieht, stoppt die ganze Reihe. An diesem Morgen sind wir keine 15 Minuten unterwegs, als der erste Fund gemeldet wird. Ein Überläufer oder das, was ein Wolf von ihm übriggelassen hat, liegt im Laub. Die Knochen des einjährigen Wildschweins sind säuberlich abgenagt und unnatürlich verteilt.

Die Gruppe hält an, die GPS-Daten des Fundes werden aufgenommen. Später wird ein Mitarbeiter des Landkreises kommen und die Knochen einsammeln, Proben entnehmen und dann entsorgen. Bisher wurden 56 nachweislich kranke Schweine im Barnim gefunden. Bei den Nachbarn in Märkisch Oderland sind es noch viel mehr, knapp 300.
Andere bezahlen für Outdoortraining - die Suche nach Fallwild ist auch noch nützlich
Während wir uns weiter durch den Wald arbeiten, die Augen auf den Boden gerichtet und einen Stock in der Hand, schwärmt die Tierarzthelferin Sandra von den Einsätzen. „Andere bezahlen für ein Outdoortraining. Hier kommt man mit netten Menschen an die Luft und tut etwas Nützliches“, sagt sie. Die Aufwandsentschädigung von zehn Euro die Stunde, ein warmes Mittagessen nachher im Einsatzzentrum und Kaffee und Kuchen entschädigen für die Strapazen im Unterholz. Die Ruhe im Wald sei wohltuend, sagen andere, ebenso der Kontakt mit Gleichgesinnten.
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Unser Lachen und Rufen schreckt Rehe auf, die Wölfe haben sich längst verzogen. Einmal standen sie den Freiwilligen aber schon direkt gegenüber, erzählt einer, als wir an einer verlassenen Wolfshöhle vorbei kommen.

Der Förster kennt seinen Wald in und auswendig, wo die Schweine sind weiß er nicht
Förster Martin Krüger legt hin und wieder eine Lehrpause ein. Wann hat er schon einmal so viel Publikum im Wald beisammen? Krüger zeigt Bäume mit Schädlingen, Küstentannen, die hier wachsen, weil sein Schwiegervater schon vor Jahrzehnten einen Versuchswald anlegen ließ. Welche Bäume gedeihen in welchen klimatischen Bedingungen? Die Frage, die heute wieder so modern ist, stellten Forstwirte schon im alten Preußen. 1830 begannen Eberswalder und Choriner Forstleute mit der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder.

Schnell kommt das Gespräch im Wald auf die Klimakonferenz in Glasgow: Dass dort erst für 2030 vereinbart worden ist, dass keine Wälder mehr abgeholzt werden dürfen, versteht hier keiner. „Wenn Wald gerodet wird, um grüne Energie herzustellen, ist das doch auch der falsche Weg“, sagt der Förster. Und dann geht es auf zu einer neuen Schleife durchs Dickicht.
Afrikanische Schweinepest ist für Landwirte in Brandenburg und Deutschland existenzgefährdend
210 Quadratkilometer ASP-gefährdetes Gebiet gibt es im Barnim. Überall dort können Landwirte ihre Felder nicht bestellen, Jäger nicht jagen und Wälder nicht betreten werden. Eine Katastrophe. Nur wenn es eine intensive Absuche von Flächen und Zäune gibt, können Landwirte Ausnahmegenehmigungen beantragen. Auch deswegen ist der Zulauf an Freiwilligen ungebrochen groß. In Lunow haben sie sich darauf eingestellt, dass das hier noch länger so gehen wird.
Am Mittagstisch mit dem geblümten Wachstuch und Hähnchen mit Bohnen auf den Tellern tauschen sich die Freiwilligen aus. Die Drohne hat zwei Schweine außerhalb des Zauns ausfindig gemacht, da wollen sie nachher hin. Es geht noch einmal in den Wald.